II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1012

rt
V
Reigen
g des bloßen Neben¬
ingestellt. Damals,
gedrucktes Buch
es ganz stark und
Norddeutschland etwa
geschah, fiel mit der
ie Frage in sich zu¬
lischen Breitenunter¬
os, selbstverständlich
ein gut Teil Arbeitsk##kt
r lahmgelegt hat, ge¬
1
ikt etwas wie Tradition,
em Eldorado der Sinnen¬
ottend, die elementare
erzubestehen. Und
iropas für eine an sich
löglichkeit geboten, die
ganz unabgelenkt, ohne
uche oder satirische Pseudo¬
Phr bezeichnend, daß Schnitzler
zusammenfaßt, bis in
it, ein im ästhetischen Sinne
das echte unverfälschte
m in Liebelei das erotische
„Christin“, die an
lem Augenblick, da der
läßt, da sie ihren Fall¬
wüchsige rührende Mäd¬
eugnet zuletzt ihre Natur,
erkehrt, fast ein Wider¬
iebelei jene große Auf¬
gegen das Schicksal im
ik nennt. Dazu ist das Ein¬
inem klassischen Schau¬
Der
ten, Tanz — Reigen.
sich — bescheiden und
h unwichtiges Glied der Kette
nden erotischen Getriebe
als irgend ein anderer
sexuelle Verwandtschaft,
zu wahren, ist die still¬
.Darum ist Schnitzlers
er Stadt und der in ihr
box 18/3
Aber das Werk hat auch für Schnitzlers Schaffen eine be¬
sondere Bedeutung. Denn dadurch, daß er den in „Liebelei“ ver¬
geblich unternommenen Versuch, das einmal gewählte Thema tra¬
gisch zu umschatten, hier ganz wieder aufgab und sich jedes
verkünstelnden Eingriffs diesmal enthielt, fand er die ganze Slärke
seiner besonderen Begabung wieder und gab einen Lebensaus¬
schnitt von unheimlicher, zunächst fast unerklärlicher Wahrheit.
Das Einander-Ubervorteilen, die hoffnungslose Fremdheit zwischen
den Geschlechtern, ein Thema, das im Norden blutigernste Erör¬
terung fand, ist in diesen zeli Bildern ins Gelassen-Unabänderliche
gewendet. Man nehme es mit Grazie hin! — scheint die Devise
dieser Reigentänzer zu sein. In ihnen allen obsiegt der Instinkt
der Natur über Skrupel des Herkommens und Bedenken einer
sogenannten Kultur. Die Akten über deren wichtigste Institution,
das Sakrament der Ehe, sind noch lange nicht geschlossen. Kein
Mensch vermöchte ihre gesicherte Existenz in aller Zukunft zu
gewährleisten. Jedenfalls gibt es einen ansehnlichen Prozentsatz
von Ehen, die es nur dem Namen nach sind, erheu¬
chelte Gemeinschaften, über welchen die familiäre Lüge als schwe¬
res, jede bessere Regung erstickendes Hemmnis lastet. Da macht
der Bürger der Stadt am Fuße des Kahlenbergs, der Stadt mit
dem tagtäglich zum Himmel empororgelnden Lustbarkeitschor des
Praters, mit den Gymnasiastenliebschaften wie Lebemannsaben¬
teuern gleich lind umkosenden Kastanienalleen des „Volksgartens“
nicht mit! Er ist die graziösere Lüge gewöhnt. Ein frommer
Brauen, einander gegenseitig was Schönes vorzumachen, sich blauen
Dunst um die Köpfe wirbeln zu lassen. — Gibt es ein kindlicheres
und zugleich probateres Mittel, in der Welt des Zwecks, der Eng¬
herzigkeit, der ordinären Selbstsucht, sich durch wohlgemeinten
Schwindel, pflichtschuldige gemeinschaftliche Lüge ein ungebun¬
denes Stundenreich des Glücks herzuzaubern? Pflichtschuldig und
notwendig. Selbst in diesen wenigen Szenen, die Schnitzler mit
Leichtigkeit um zahllose andere ebenso glaubwürdige hätte ver¬
mehren können, selbst in diesen, im Grunde scheinbar höchst be¬
langlosen Erlebnissen, taucht jedesmal ein häßliches Mißtrauen
auf, welches der Soldat vor der Dirne, das Stubenmädchen vor
dem Soldaten ebensowenig zu unterdrücken vermag, wie der Gatte
vor dem süßen Mädel usw. Immer gibt es da einen Augenblick
(die „dramatische Spannung“ jeder Szene), wo es bitter Ernst
werden könnte. Natürlich kommt es nicht dazu. Denn jeder von
ihnen hält die instinktiv erfaßte Sendung hoch, die ihm auferlegt
ist; nur weiter, mit selig geschlossenen Augen so tun, als ob’s
nicht Ernst wäre, damit auch ja niemals Ernst daraus wird. Die
Aufgabe lautet ganz einfach: sich, wenn die Sommersonne scheint,