11. Reigen
box 18/3
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitunsir1 Aussburger“
Ort:
Mtru
—
Datum: #EEERREERRRRE
Frankfurter Theaterbrief
Bgs beherrschende Ereignis der letzten Sviel¬
wochen des — augenblicklich in Ferien befindlichen
Opernhauses war ein zweimaliges Erschei¬
nen, von Wilhelm Furtwängler am Dirigen¬
tepült. Der hervorragende Gast, der ja durch die
Museumsgesellschaft mit dem Frankfurter Musik
leben eng verbunden ist (daß das Bemühen, ihn
für die Dauer der hiesigen Oper zu verpflichten,
durch eine sattsam bekannte Gegenströmung seiner¬
zeit vereitelt worden ist, zählt zu den peinlichsten
Kapiteln der lokalen Kunstpolitik), bescherte mit
„Tristan“ und „Fidelio“ dem Publikum zwei oll¬
wichtige Festspielabende.
Subjektiv nur in der
Neigung, langsame Zeitmaße zu überdehnen, bot
er im Ganzen eine völlig dem Werke hingegebene
Partitur=Philologie grandioser Art, die die Ton
meister mit einer hinreißenden Gewalt zu den Sin¬
nen und Seelen reden ließ. Mit den Hörern stimm¬
en die ausführenden Kräfte auf der Bühne und
im Otchester, von Furtwängler auf die Höhe ihren
besten Leistungen gehoben, in den Schlußjubel ein.
Das einen Teil der Schauspielhaus=Ferien fül¬
lende Gastspiel des Frankfurter Künstlertheater¬
für Rhein und Main ist in dilsen Spalten bereit¬
gewürdigt worden.
Im Neuen Theater dominiert nun schon
seit Wochen ein anmutiger Berliner Gast, Kittr
Aschenbach (vormals am Frankfurter Schau¬
spielhaus tätig). Ueber das erste Stück, in dem sie
auftrat: einen hier bereits früher genossenen
Schmarrn von pariserischem Vaudeville=Gehaben,
obschon deutscher Fertigung, sei gnädig eine dope
pelte Hülle gebreitet. Was dann kam: „Fasching
von Franz Molnar, war wenigstens anständig gear¬
beitetes, wirkungssicheres Theater und bot einen
guten Maßstab für die Feststellung von Fräulein
Aschenbachs Fortschritten in der Gestaltung seelischer
Dinge., Und dann begann der „Reigen =Tanz.
Wenn hier bei den Aufführungen der nachgerade
allzu berühmten Dialogreihe bis dato noch keine
Lärmszenen vorgekommen sind ## liegt das daran.
Lag sder Theulerbesucher an der Kasse einen Re¬
vers unterschreiben muß, mit dem er sich für die
Dauer der Vorstellung zu unbedingtem Wohlver¬
halten vexpflichtet. Den „Reigen“ auf die Bühne
zu bringen, lag in Frankfurt so wenig wie ander¬
wärts ein stichhaltiger Grund vor. Immerhin darf
der Aufführung des Neuen Theaters bezeugt wer¬
den, daß sie den bewußten ruhenden Pol der Sze¬
nenfolge (bei dem sich freilich regelmäßig das be¬
kannte Circe=Wunder an einem Teil des weiblichen
wie des männlichen Publikums vollzieht!) taktvoll
umspielt und dafür die lächelnde Ironie des Men¬
schenbetrachters Schnitzlers hübsch zur Geltung
bringt. Einle Eindaße hak Direktor Hellmer in¬
folge seiner „Reigen"Wiedergabe allerdings zu
uchen: Der (christliche) Bühnenvolksbund hat ihm
ein für allemal die Freundschaft gekündigt.
In den Kammerspielen hat man eine dem
„Revisor“ nicht ebenbürtige Komödie von Gogol:
„Heirat“, zum Bühnendasein erweckt. Was in
dieser „ganz unglaublichen Begebenheit“ an Wir¬
kungsmoglichkeiten steckt, wurde von der Regie
Robin Roberts herausgeholt und so drehten sich
im die wunderholde Ehekandidatin Hilde Walls
prächtige Komödienfiguren, von denen allerdings
eine, die des zu lebenslänglichem Körbe=Kriegen
Verurteilten, nach des Dichters Willen für einen
Augenblick ans Herz des Fühlenden greift. Gegen¬
wärtig belustigt auf der innerstädtischen Bühne der
unverwüstliche „Dr. Klaus“ immer neue Scharen.
R. B.
box 18/3
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitunsir1 Aussburger“
Ort:
Mtru
—
Datum: #EEERREERRRRE
Frankfurter Theaterbrief
Bgs beherrschende Ereignis der letzten Sviel¬
wochen des — augenblicklich in Ferien befindlichen
Opernhauses war ein zweimaliges Erschei¬
nen, von Wilhelm Furtwängler am Dirigen¬
tepült. Der hervorragende Gast, der ja durch die
Museumsgesellschaft mit dem Frankfurter Musik
leben eng verbunden ist (daß das Bemühen, ihn
für die Dauer der hiesigen Oper zu verpflichten,
durch eine sattsam bekannte Gegenströmung seiner¬
zeit vereitelt worden ist, zählt zu den peinlichsten
Kapiteln der lokalen Kunstpolitik), bescherte mit
„Tristan“ und „Fidelio“ dem Publikum zwei oll¬
wichtige Festspielabende.
Subjektiv nur in der
Neigung, langsame Zeitmaße zu überdehnen, bot
er im Ganzen eine völlig dem Werke hingegebene
Partitur=Philologie grandioser Art, die die Ton
meister mit einer hinreißenden Gewalt zu den Sin¬
nen und Seelen reden ließ. Mit den Hörern stimm¬
en die ausführenden Kräfte auf der Bühne und
im Otchester, von Furtwängler auf die Höhe ihren
besten Leistungen gehoben, in den Schlußjubel ein.
Das einen Teil der Schauspielhaus=Ferien fül¬
lende Gastspiel des Frankfurter Künstlertheater¬
für Rhein und Main ist in dilsen Spalten bereit¬
gewürdigt worden.
Im Neuen Theater dominiert nun schon
seit Wochen ein anmutiger Berliner Gast, Kittr
Aschenbach (vormals am Frankfurter Schau¬
spielhaus tätig). Ueber das erste Stück, in dem sie
auftrat: einen hier bereits früher genossenen
Schmarrn von pariserischem Vaudeville=Gehaben,
obschon deutscher Fertigung, sei gnädig eine dope
pelte Hülle gebreitet. Was dann kam: „Fasching
von Franz Molnar, war wenigstens anständig gear¬
beitetes, wirkungssicheres Theater und bot einen
guten Maßstab für die Feststellung von Fräulein
Aschenbachs Fortschritten in der Gestaltung seelischer
Dinge., Und dann begann der „Reigen =Tanz.
Wenn hier bei den Aufführungen der nachgerade
allzu berühmten Dialogreihe bis dato noch keine
Lärmszenen vorgekommen sind ## liegt das daran.
Lag sder Theulerbesucher an der Kasse einen Re¬
vers unterschreiben muß, mit dem er sich für die
Dauer der Vorstellung zu unbedingtem Wohlver¬
halten vexpflichtet. Den „Reigen“ auf die Bühne
zu bringen, lag in Frankfurt so wenig wie ander¬
wärts ein stichhaltiger Grund vor. Immerhin darf
der Aufführung des Neuen Theaters bezeugt wer¬
den, daß sie den bewußten ruhenden Pol der Sze¬
nenfolge (bei dem sich freilich regelmäßig das be¬
kannte Circe=Wunder an einem Teil des weiblichen
wie des männlichen Publikums vollzieht!) taktvoll
umspielt und dafür die lächelnde Ironie des Men¬
schenbetrachters Schnitzlers hübsch zur Geltung
bringt. Einle Eindaße hak Direktor Hellmer in¬
folge seiner „Reigen"Wiedergabe allerdings zu
uchen: Der (christliche) Bühnenvolksbund hat ihm
ein für allemal die Freundschaft gekündigt.
In den Kammerspielen hat man eine dem
„Revisor“ nicht ebenbürtige Komödie von Gogol:
„Heirat“, zum Bühnendasein erweckt. Was in
dieser „ganz unglaublichen Begebenheit“ an Wir¬
kungsmoglichkeiten steckt, wurde von der Regie
Robin Roberts herausgeholt und so drehten sich
im die wunderholde Ehekandidatin Hilde Walls
prächtige Komödienfiguren, von denen allerdings
eine, die des zu lebenslänglichem Körbe=Kriegen
Verurteilten, nach des Dichters Willen für einen
Augenblick ans Herz des Fühlenden greift. Gegen¬
wärtig belustigt auf der innerstädtischen Bühne der
unverwüstliche „Dr. Klaus“ immer neue Scharen.
R. B.