itungen
ades ge¬
gehören,
11. Reigen
box 18/3
Klose & Seiden
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO 43, Georgenkirchplatz 21
2
Zeitung: 1
oche
Ort:
Datum:
RE
Reigen.
AArthur Schnitzler, der Dichter der höchst ein¬
deutigen erotischen Bühnenbilderserie „Reigen“, so¬
wie Arthur Hellmer, der Direktor des blitzblanken
„Neuen, Theaters“ in Frankfurt am Main müßten,
wenn'Es zum Lokalprozeß käme, beide freigesprochen
w#erden, Das Publikum, aber das Publikum hätte
her ohne Bedenken die Todesstrafe verdient.
Also
ist eine Inszenierung von Schnitzlers Reigen, wenn
sie auch noch so künstlerisch gelöst erscheint wie bei
vielsweise jetzt in Frankfurt, dennoch eine unsittliche
Angelegenheit. Denn auf die Wirkung kommt es
im Theater an. Und die Wirkung wäre auch im
Neuen Theater an diesem und jenem Abend —
eine
teilweise unglückliche Zusammensetzung von Muckern
und Sittenschwachen im Zuschauerraum vorausgesetzt
skandalös gewesen' wenn nicht die Direktion den
äußerlichen Protest oder Beifallsvaroxismus so gut
wit ausgeschlossen hätte. Dies geschah durch folgende
schon überall in deutschen Landen bekannt gewordene
Zettelbemerkung:
„Um künstlich inszenierten Störungen dieser
Aufführungen vorzubeugen, siebt sich die Direktion
daf
Reigen“=Hetze in Frankfurt. Gegen die Aufführung
kla
von Schnitzlers „Reigen“ am Neuen Theuer in Frankfurt am
Main erläßt die Theatergemeinde des Bühnenvolksbundes enen
ve
öffentlichen Protest, worin sie erklärt, daß sie mit einem Theater,
sch
das ein solches Stück zur Aufführung bringt, nichts mehr zu tun
sa
hoben wolle und künftighin mit der Direktion eines solchen
Theaters keine Vorstellungen mehr vereinbaren werde.
ge
Edmond Rostands künstlerische Vielseitigkeit. Der
Verfasser des „Cyrano de Bergerac“ hätte, wie nur wenigen
bekannt sein wird, auch als Schauspieler Ruhm erlangen können,
un * #k „iA..
„ Lf
eranlaßt, den Besuch sämtlicher Reigen=Aufführun¬
zjen von der Unterzeichnung eines Verpflichtungs¬
cheines ubhängig zu machen, der vor Lösung der
Karte verabfolgt wird.“
Mit verbundenem Munde — im Geiste gesprochen
betritt also der gewöhnliche Sterbliche das Thea¬
er, den abgebrühten Kritiker läßt man ohne Maul¬
orb herumlaufen. Dergestalt blieb der äußere
Skandal verhindert. Haarsträubend anzügliches Ge¬
ächter von den Rängen herunter beweist aber
wischendurch doch, daß unternehmungslüsterne
Zuschauer sich durchaus nicht entblöden, gegen
alle Regeln der Kunst den Wiener Dichter
gründlich seiner zugestandenen Würde zu be¬
rauben und sein an sich unanstößiges Bekennerwerk
zu entweihen.
Was nützt es, daß diese zehn Dialoge von feinstem
osochologischen Gehalte sind? Eben weil der weit¬
aus breiteste Raum der menschlichen Phantasie ver¬
lottert und verwahrlost ist, gehören Schnitzlers zehn
Dialoge über die verschiedenartig verlaufende Aus¬
lösung geschlechtlichen Begehrens nicht vor ein wahl¬
loses Publikum. Ja, bei der ästhetischen Unzuläng¬
lichkeit einzelner Glieder eines Schausvielkörpers ge¬
hören sie augenblicklich noch nicht einmal auf die
öffentliche Bühne. Sie sind Privatangelegenheiten
dessen, der sich damit befaßt. Sie sind von Mensch
zu Mensch und nicht zu unvermeidlich niedrig gerich¬
eten Animierzwecken geschrieben. Das Buch zu ver¬
bieten, wäre deshalb eine widernatürliche Gewalt¬
ätigkeit an unserem längst befreiten deutschen
Schrifttum. Mehr Worte zu verlieren, hieße, ein
erledigtes Thema von vorne zu beginnen.
Gespielt wurde, wie es sich geziemt, ziemlich ein¬
wandfrei von Mensch zu Mensch. Trotzdem feixten
viele „Neubegierige“ ungebührlich, wenn der mensch¬
lichste Augenblick jedesmal bevorstand. Daß sie sich
damit ein klägliches Armutszeugnis in den Augen
des Dichters und der ihm Verwandten ausstellten,
merkten sie nicht. Das ist nicht nur in Frankfurt so
gewesen.
Georg Lengbach, der Vielbeliebte, gastierte.
Robin Robert hatte die Aufführung mit Takt und
Geschmack geleitet. Sie blieb aber trotzdem ein
Fiasko für den größeren Prozentsatz im Publikum,
ohne daß dieser Umstand ihrer magnetischen Kraft
bei den allabendlichen
Wiederholungen Abbruch
täte.
Sellene
Zeitung:
Penzis (T
Ort:
Datum
DE.
Stadtund Land in Osten
Schnißzlers „Reigen“ in Köslin.
Aus Köslin wird berichtet: Auch unsere Stadt
hatte Alden letzten Wochen ihren „Reigenskandal“. Im
Anschlug an die Ankündigung eines Gastspiels der
Thegsterleitung Walden, die den vielumstritte¬
nen „Feigen“ von Schnitzler in Köslin zur Aufführung
bringen wollte, entbrannte eine heftige Jehde in
den Ottszeitungen, die für und gegen die Aufführung
Stellung nahmen; es wurde von verschiedenen Seiten
sogar ein Verbot der Aufführung gefordert.
Dieses unterblieb, weil die gesetzlichen Unterlagen dazu
fehlten. Die Protestbewegung erreichte jedoch, daß das
Lokal, in dem die Aufführung zuerst stattfinden sollte,
der Direktion Walden entzogen wurde.
Die Auseinandersetzungen, die vielfach stark persön¬
lichen und gehässigen Einschlag zeigten, gingen weiter,
als ein anderer Lokalinhaber seinen Saal für die Auf
führung hergab. Schließlich erließen 14 Kösliner
Frauen- und Jugendvereinigungen eine Erklärung gegen
den Besuch der Vorstellung. Die Aufführung hat in¬
zwischen stattgefunden
—
und war ausverkauft.
(VDielleicht hätte der Theatermann kein so gutes Ge¬
schäft gemacht, wenn die allzu ausführliche Erörterung
in der Oeffentlichkeit unterblieben wäre.) Die erste
Aufführung verlief übrigens trotz der Erregung, die ihr
Svoraufging, ohne Störung von außen. Eine Wieder¬
Solung der Aufführung ist bereits angekündigt.
ades ge¬
gehören,
11. Reigen
box 18/3
Klose & Seiden
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO 43, Georgenkirchplatz 21
2
Zeitung: 1
oche
Ort:
Datum:
RE
Reigen.
AArthur Schnitzler, der Dichter der höchst ein¬
deutigen erotischen Bühnenbilderserie „Reigen“, so¬
wie Arthur Hellmer, der Direktor des blitzblanken
„Neuen, Theaters“ in Frankfurt am Main müßten,
wenn'Es zum Lokalprozeß käme, beide freigesprochen
w#erden, Das Publikum, aber das Publikum hätte
her ohne Bedenken die Todesstrafe verdient.
Also
ist eine Inszenierung von Schnitzlers Reigen, wenn
sie auch noch so künstlerisch gelöst erscheint wie bei
vielsweise jetzt in Frankfurt, dennoch eine unsittliche
Angelegenheit. Denn auf die Wirkung kommt es
im Theater an. Und die Wirkung wäre auch im
Neuen Theater an diesem und jenem Abend —
eine
teilweise unglückliche Zusammensetzung von Muckern
und Sittenschwachen im Zuschauerraum vorausgesetzt
skandalös gewesen' wenn nicht die Direktion den
äußerlichen Protest oder Beifallsvaroxismus so gut
wit ausgeschlossen hätte. Dies geschah durch folgende
schon überall in deutschen Landen bekannt gewordene
Zettelbemerkung:
„Um künstlich inszenierten Störungen dieser
Aufführungen vorzubeugen, siebt sich die Direktion
daf
Reigen“=Hetze in Frankfurt. Gegen die Aufführung
kla
von Schnitzlers „Reigen“ am Neuen Theuer in Frankfurt am
Main erläßt die Theatergemeinde des Bühnenvolksbundes enen
ve
öffentlichen Protest, worin sie erklärt, daß sie mit einem Theater,
sch
das ein solches Stück zur Aufführung bringt, nichts mehr zu tun
sa
hoben wolle und künftighin mit der Direktion eines solchen
Theaters keine Vorstellungen mehr vereinbaren werde.
ge
Edmond Rostands künstlerische Vielseitigkeit. Der
Verfasser des „Cyrano de Bergerac“ hätte, wie nur wenigen
bekannt sein wird, auch als Schauspieler Ruhm erlangen können,
un * #k „iA..
„ Lf
eranlaßt, den Besuch sämtlicher Reigen=Aufführun¬
zjen von der Unterzeichnung eines Verpflichtungs¬
cheines ubhängig zu machen, der vor Lösung der
Karte verabfolgt wird.“
Mit verbundenem Munde — im Geiste gesprochen
betritt also der gewöhnliche Sterbliche das Thea¬
er, den abgebrühten Kritiker läßt man ohne Maul¬
orb herumlaufen. Dergestalt blieb der äußere
Skandal verhindert. Haarsträubend anzügliches Ge¬
ächter von den Rängen herunter beweist aber
wischendurch doch, daß unternehmungslüsterne
Zuschauer sich durchaus nicht entblöden, gegen
alle Regeln der Kunst den Wiener Dichter
gründlich seiner zugestandenen Würde zu be¬
rauben und sein an sich unanstößiges Bekennerwerk
zu entweihen.
Was nützt es, daß diese zehn Dialoge von feinstem
osochologischen Gehalte sind? Eben weil der weit¬
aus breiteste Raum der menschlichen Phantasie ver¬
lottert und verwahrlost ist, gehören Schnitzlers zehn
Dialoge über die verschiedenartig verlaufende Aus¬
lösung geschlechtlichen Begehrens nicht vor ein wahl¬
loses Publikum. Ja, bei der ästhetischen Unzuläng¬
lichkeit einzelner Glieder eines Schausvielkörpers ge¬
hören sie augenblicklich noch nicht einmal auf die
öffentliche Bühne. Sie sind Privatangelegenheiten
dessen, der sich damit befaßt. Sie sind von Mensch
zu Mensch und nicht zu unvermeidlich niedrig gerich¬
eten Animierzwecken geschrieben. Das Buch zu ver¬
bieten, wäre deshalb eine widernatürliche Gewalt¬
ätigkeit an unserem längst befreiten deutschen
Schrifttum. Mehr Worte zu verlieren, hieße, ein
erledigtes Thema von vorne zu beginnen.
Gespielt wurde, wie es sich geziemt, ziemlich ein¬
wandfrei von Mensch zu Mensch. Trotzdem feixten
viele „Neubegierige“ ungebührlich, wenn der mensch¬
lichste Augenblick jedesmal bevorstand. Daß sie sich
damit ein klägliches Armutszeugnis in den Augen
des Dichters und der ihm Verwandten ausstellten,
merkten sie nicht. Das ist nicht nur in Frankfurt so
gewesen.
Georg Lengbach, der Vielbeliebte, gastierte.
Robin Robert hatte die Aufführung mit Takt und
Geschmack geleitet. Sie blieb aber trotzdem ein
Fiasko für den größeren Prozentsatz im Publikum,
ohne daß dieser Umstand ihrer magnetischen Kraft
bei den allabendlichen
Wiederholungen Abbruch
täte.
Sellene
Zeitung:
Penzis (T
Ort:
Datum
DE.
Stadtund Land in Osten
Schnißzlers „Reigen“ in Köslin.
Aus Köslin wird berichtet: Auch unsere Stadt
hatte Alden letzten Wochen ihren „Reigenskandal“. Im
Anschlug an die Ankündigung eines Gastspiels der
Thegsterleitung Walden, die den vielumstritte¬
nen „Feigen“ von Schnitzler in Köslin zur Aufführung
bringen wollte, entbrannte eine heftige Jehde in
den Ottszeitungen, die für und gegen die Aufführung
Stellung nahmen; es wurde von verschiedenen Seiten
sogar ein Verbot der Aufführung gefordert.
Dieses unterblieb, weil die gesetzlichen Unterlagen dazu
fehlten. Die Protestbewegung erreichte jedoch, daß das
Lokal, in dem die Aufführung zuerst stattfinden sollte,
der Direktion Walden entzogen wurde.
Die Auseinandersetzungen, die vielfach stark persön¬
lichen und gehässigen Einschlag zeigten, gingen weiter,
als ein anderer Lokalinhaber seinen Saal für die Auf
führung hergab. Schließlich erließen 14 Kösliner
Frauen- und Jugendvereinigungen eine Erklärung gegen
den Besuch der Vorstellung. Die Aufführung hat in¬
zwischen stattgefunden
—
und war ausverkauft.
(VDielleicht hätte der Theatermann kein so gutes Ge¬
schäft gemacht, wenn die allzu ausführliche Erörterung
in der Oeffentlichkeit unterblieben wäre.) Die erste
Aufführung verlief übrigens trotz der Erregung, die ihr
Svoraufging, ohne Störung von außen. Eine Wieder¬
Solung der Aufführung ist bereits angekündigt.