II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1049

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11. Reigen
& & Seidel
4 für Zeitungsausschintte
O. 43, Georgenkirchplatz 21
Zehung:
Ori:
Datum
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Schnitzlers „Reigen“ im Bürgerpark=Krietern.
Die zehn Szenen des Schnitzlerschen „Reigens“ scheinbar
noch immer von Breslau verbannt, zeigten sich gestern im Krie
ternex Bürgerpark einem verständigen Theaterpublikum, das is
Aut##ilen. Droschken und überfüllten Straßenbahnen zu dem
hartiankä#pften Ereignis in die ländliche Stille hinausrollte. Zu¬
nächst n Wort über das Stück:
Mit Zertheit, sachlich, keck und kühn hat Schnitzler in
diesen zehn Bildern entwürdigtes Liebesleben gezeichnet: die Ge¬
meinheit der seelenlosen Hingabe, den Ekel nach verflackerter Kör¬
perlust, die Brutalität der Gier, die Lustlosigkeit der Lust, die
Schamlosigkeit bezahlter Preisgabe, mit einem Wort, das ganze
roh und plump zerstörte Heiligtum der Geschlechtsliebe, die nicht
im Seelischen wurzelt: sondern nur im Trieb und in der Lust,
nur im Rausch, nur in Gier; Seele zeigt sich erst nach dem phy¬
sichen Vorgang, und da man sie vor ihm nicht brauchte, zertrat, sie
verächtete, klingt leise ihr Klagen auf in der Ernüch¬
terung, leise und vergeblich. Sehr richtig hat die 6. Zivilkammer
des Landgerichts III. in Berlin in ihrem Urteil über den
„Reigen“ folgendes gesagt:
„Die körperliche Vereinigung sollte stets lediglich der
natürliche Ausfluß innigster, seelischer Gemeinschaft sein.
Ein
Verfall dieser Auffassung hat leider in weitesten Schich¬
ten Platz gegriffen. Diesen Kreisen wird durch diese Auf¬
führung die ganze Jämmerlichkeit des in ihrer Mitte
mehr und mehr einreißenden sittlichen Tiefstandes nachdrücklichst
vorgeführt. Es wird gezeigt, wie durch einen unedlen und un¬
vollkommenen Genuß des Augenblicks gedankenlos und würde¬
los zu Boden getreten wird, was der Menschheit das Heiligste
sein sollte.
Diese Entwürdigung des Geschlechtsverkehrs zur Alltäg¬
lichkeit, zur Laune, zum Leichtsinn, zum Abenteuer, dies Fehlen
jeder großen, tiefen, sittlich begründeten echten, edlen Leiden¬
schaft wirken erschütternd, weil sie auf richtiger Beobachtung
beruhen.
Das Gericht kommt dann zu dem Schluß, daß die Aufführung
des „Reigens“ eine „sittliche Tat“ sei.
Kein reifer Mensch kann an diesem ernsten Werke Anstoß
nehmen. Der Zuschauer wird, je nach seiner Veranlagung, in der
Tat erschüttert sein, oder
enttäuscht und gelangweilt.
Ein
Teil des Publikums schien auch gestern enttäuscht und gelangweilt
#r loin
Das kann aber in diesem Falle seine Gründe in der
Aufführung haben, die unter bedauernswerten Mängeln litt.
Man sollte derart delikate Dinge, bei denen eine Nuance in
Ton und Gebärde alles verderben kann, nur von den
feinsten, vornehmsten und klügsten Darstellern spielen lassen. Und
man sollte sie nicht der Weite eines unkünstlerischen Raumes aus¬
etzen und nicht den Unzulänglichkeiten einer in Hast improvi¬
ierten Bühne, auf der jede Illusion zum Teufel geht. Beiden
Forderungen wurde man nicht gerecht. Die Bilder erlitten da¬
durch zum Teil in jeder Beziehung Verluste, die ihnen alle Wir¬
kung nahmen. Sehr fein war eigentlich nur die letzte Szene,
Graf und Dirne, von Karl Morvilius und Elvira Bach¬
Clemens fein abgetönt, dargestellt. Dagegen wirkten die
Schauspielerinnen Elisabeth von Trachten und Maria Neu¬
kirchen, jene durch ihre trompetende Stimme und Affektiertheit.
diese durch blöde Theaterei, sehr schlecht. Die Herren hielten sich
gut, besonders seien noch Fritz Kampers und Hans Eggerth
erwähnt. Hoffentlich wird in den kommenden Vorstellungen da¬
für gesorgt, daß man nicht durch den Zwischenvorhang sehen
kann, daß das Beit nicht zusammenbricht (was natürlich schallende
Heiterkeit erregte und Schnitzler einen Augenblick in die Gosse
zu ziehen schien) und daß die Katzenmusik entweder wegbleibt
oder durch wirkliche Musik ersetzt wird.
gth.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Eitung
Zeitung:
Ort:
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Datum:
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Schnitzlers „Reigen“ in Krietern
27s hai Kriekern sich wohl nicht träumen lassen, daß es dazu
beifen sei, in der Theatergeschichte Breslaus eine bedeutsame
Rolle zu spielen; aber nun hat es — noch gerabe zur rechten Zeit
— sich den Ruhm erworben, einem vielumstrittenen Werke zum
Bühnenlichte, das man ihm so lange verwehrt hatte, und für das
es ursprünglich nicht geschaffen war, verholfen zu haben. Es
durfte nicht länger gezögert werden, denn nachbem die Acht auf¬
gehoben, die man auf Schnitzlers „Reigen“ gelegt, war man nicht
mehr auf Krietern als Theaterstadt angewiesen; bereits. hat ja
eine im Weichbilde Breslaus gelegene Schauanstalt, in der nicht
gerade der höchsten Kunst ein Altar errichtet ist, eine Aufführung
der Schnitzlerschen Szenenfolge angekündigt, und wie verlautet,
bereitet noch ein anderes, der Bühnen=Kleinkunst dienendes
Theater eine szenische Wiederaabe der erotischen Duette vor. Wir
haben also einen Reigen von „Reigen“=Aufführungen zu er¬
warten. Wer sich aber nicht beherrschen kann, darf den Ausflug
nach Krietern nicht scheuen. Zu ihm hatten sich am Dienstag
zahlreiche Theaterfreunde entschlossen, zum guten Teil aus Gesell¬
schaftskreisen, denen der Wea zum Bürgerpark nicht vertraut ist.
Der Saal war dicht, wenn auch nicht ganz lückenlos gefüllt, und
die Erwartung, etwas Außerordentliches von der Bühne her und
womöglich auch vor der Bühne zu erleben, war groß. Denn
ohne das verehrliche Publikum kränken zu wollen, glaube ich doch
annehmen zu müssen, daß die durch die früheren Verbote und die
Nachrichten von Skandalen an ändern Orten geweckte Sensations¬
lust mehr als rein tünstlerisches Bedürfnis an diesem abendlichen
Massenausflug nach Krietern beteiligt ist. Aber sollte es nicht
vielen von diesen Sensationslüsternen nach dem Genuß zu Mute
gewesen sein, wie den Helden der Schnitzlerschen Dialoge nach der
schamhaften, vielsagenden Gedankenstrich =Reihe, die
das
Unsagbare und Undarstellbare bezeichnet? So viel Lärm porher
der „Reigen“ entfesselt, so
verblüssend ruhig verlief die Auf¬
führung des „Reigen“. Wer in der Hoffnung gekommen war,
Anstoß nchmen zu können
— die die Sicherung der Unternehmer
bezweckende kuriose Verpflichtung, die ihm die Eintrittskarte auf¬
erlegte, hemmte ihn der Aufführung gegenüber keines¬
begs
—, süb sich enttäuscht. Weder Protest noch Jubel wurde ent¬
esselt; mick fast peinlich wirkender Gleichmütigkeit, jedenfalls mit
nur stillor Interessiertheit, ließ das Publikum diese Schnitzler¬
chen Dialoge an sich vorüberzieben, und wenn es die Hände
rührte, so geschah es nur, um seiner Ungeduld wegen der Ver¬
zögerung des Beginns oder seiner Freude über belebende, nich
vom Dichter und der Spielleitung gewollte Nuancen Ausdruck zu
geben. Es gab nämlich zu den „Fällen“ in den zehn Szenen noch¬
ein paar Zwischenfälle, verschuldet durch das wichtigste und zu¬
mneist unerläßliche Requisit des „Reigens“: das Bett. Sei es, daß
es aus sittlicher Entrüstung Sabotage treiben wollte, sei es, daß
es sich allzu starken Zumutungen ausgesetzt fühlte, es brach ein¬
mal hinter dem nicht nach, sondern vor dem Akte fallenden Vor¬
hange einmal bei offener Szene zusammen — und hier war es,
wo die heitere Beifallslust des Publikums sich in stürmischer Be¬
geisterung entlud und in freudiger Ausnützung einer so will¬
kommenen Anxegung bedenkenles auf einige Schnitzlersche
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