II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1107

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11. Reigen
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Schauburg
Freitag, 5. Mai: „Der Reigen“.
Ueber Wert oder Unwert, über die Bühnenberechtigung dieser
Dialoge bedarf es kaum vieler Worte mehr. Darüber hat der kritische
Kollege schon gelegentlich der Erstaufführung in Krietern sein Urteil
gesprochen. Aber man darf an die in der Schauburg gebotene Vor
stellung nicht mit den Kriterien von Krietern herantreten. Ich gestehe
offen, daß ich ihr mit einiger Skepsis entgegensah, aber ebenso frei¬
mütig bekenne ich, daß Darstellung und Regie jedes Bedenken, jo
sicher auch die Vorurteile Vieler verscheucht haben. Die ersten
Szenen spiegelten sich freilich noch in der trühen Lache eines anima
lischen Naturalismus, dann jedoch traten die scharfe Beobachtungs¬
gabe, der Geist und der schlagfertige Witz Schnitzlers so glänzend zu
Tage, daß man an dem in dieser Form gebotenen Werke sein Ver¬
gnügen haben konnte. Man muß freilich die Wiener und namentlich
die Wienerinnen genauer kennen, um voll zu wündigen, wie sicher
Dichter und Darsteller Ton und Typen der Donaustadt hier getroffen
haben. Unter den Damen war es vor allem Poldi Müller, die
das süße Wiener Mädel allerliebst und lebenstreu herunterplauschte
Neben ihr schwelgte Jutta
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Gewiß, ein echtes „Weayer Bluat!“
Versen in der hochtrabenden Tonart wie in den rätselvoll
wechselnden Stimmungen der stets den Effekt berechnenden Tragödin
Pikant und herzig, mit einem reizenden slawischen Anflug spielte
Sybill Smolowa die junge Frau. Olga Fuchs ließ als
Dirne ebenso alle girrenden Verführungskünste der Gasse spielen, wie
sie das Wesen des an das „Geschäft“ gewohnten Lasters traf. Trude
Norgard endlich war ein Stubenmädel, dem weder ein Soldat
noch ein Zimmerherr hätte widerstehen können. Von den Herren
gefiel mir am besten Gustav Heppner als gräflicher Offizier.
Man kann diesen halb blasierten, halb noch von feudalen Umgangs¬
Den „Ehe¬
formen beengten Typ kaum überzeugender gestalten.
mann“ spielte Walter Tautz mit der gebührenden Mischung von
Phlegma und Verliebtheit, den jungen Herrn Hans Tillo mit den
üblichen Allüren leicht aufzureizender Jugend. Kurt Mikulski
blieb dem „Dichter“ einiges schuldig: vor allem einen gewissen Hauch
von Genialität. Der wenig dankbaren Rolle des nur vom Sinnen¬
trieb erfüllten Soldaten entledigte sich Fritz Horn mit korrekter
Gewandtheit. Das Zusammenspiel unter der Leitung des Herrn
Hubert Reusch war recht flott und die Bühnenbilder des Herrn
S. Linden wirkten oft wie eine Ueberraschung, um so mehr, als der
Szenenwechsel mit löblicher Geschwindigkeit vor sich ging. Zu alle¬
dem hatte Forster=Larrinaga eine Begleitmusik geschrieben
die mir in ihrer getragenen, sast wehmütigen Art nicht ganz zu dem
heiteren Grundton der Szenen zu stimmen schien. Das Publikum
verhielt sich anfangs reserviert, gab aber in der späteren Folge seinem
Vergnügen oft durch ein diskretes Lachen Ausdruck. Zu einem lauten
Beifall kam es nicht, vielleicht weil man sich genierte, vielleicht auch,
weil man nach den gewaltigen vorhergegangenen Anfeindungen
Pikanteres erwartet hatte. Und doch zeigt das Werk nichts
Schlimmeres, als was wir im Drama, im Schauspiel, ja in der Oper
unzählige Male erleben oder uns vorstellen' mußten, nur daß hier
der erotische Akt — keineswegs aber aus frivoler Absicht — in zehn¬
facher Häufung erscheint. Aller Voraussicht nach dürfte der „Reigen“
dank der Regie und der Hingabe (bitte, das Wort in diesem Falle
nicht mißzuverstehen) aller Darsteller, ein Zauberreigen werden der
immer weitere Kreise um sich schlingt. Das wäre gerade keine
künstlerische Notwendigkeit, aber sicherlich auch kein Unglück!
Birek
Mongolenschlacht=Feftspiele in Wahlstatt
Aus Liegnitz wird uns geschrieben: Von den sanften Höhen
südöstlich von Liegnitz blicken die beiden Türme des einstigen Klosters
zu Wahlstatt weit ins schlesische Land hinein. Hier ist die Stätte,
wo vor langen Zeiten, am 9. April 1241, Herzog Heinrich von
Liegnitz mit seiner wackern Schar schlesischer Ritter und Berg
knappen die mongolische Flut aufhielt, die damals ganz Mittel¬
europa zu überschwemmen drohten, wie es lange vor ihnen die Hunnen
getan hatten. Als „Mongolenschlacht bei Wahlstatt“ hat dies Gescheh¬
nis eine dauernde Stätte in der deutschen Geschichte gefunden. Herzog
Heinrich starb den Heldentod, seinen abgeschlagenen Kopf warfen die
Mongolen in den benachbarten Koischwitzer See, auf dessen Grunde er
der Sage nach heute noch liegen soll. Die Schlacht nahm auch einen
ür die deutschen Helden nicht eben erfreulichen Ausgang, aber sie
wurde in Sicht des für damalige Verhältnisse ungemein stark be¬
festigten Liegnitz geschlagen, vor dessen Stärke die Mongolen solchen
Respekt bekamen, daß sie sich wieder nach Osten zurückzogen. Zur Er¬
nnerung daran wird seit Jahrhunderten nach Ostern in Wahlstatt der
„Kriegssonntag“ gefeiert, ein Valksfest, das von der Umgebung
tets lebhaften Zustrom hat. Jetzt hat sich ein Ausschuß gebildet, der
in dem Wäldchen zwischen Wahlstatt und Janis ein Festspiel auf¬
führen will. Es heißt „Die Mongolenschlacht“ und ist von
Konrad Urban geschrieben, einem jüngeren Liegnitzer Schrift¬
steller, dessen Feder uns schon eine Anzahl wertvoller Erscheinungen
auf dem Gebiete der schlesischen Heimatdichtung geschenkt hat, darunter
den historischen Roman „Bolkoburg und Schweinhaus“ und das vor
kurzem in Liegnitz aufgeführte historische Lustspiel „Hans von
Schweinichen“. Das Festspiel soll vom 4. bis 11. Juni täglich aufge¬
führt werden, zum ersten Male am Nachmittag des Pfingstsonntags.
Wahlstatt ist weiteren Kreisen auch dadurch bekannt, daß das einstige
Kloster bis nach dem Weltkriege als Kadettenhaus gedient hat. Hier
war einst auch Hindenburg Kadett. Das Schloßgut ist eine Be¬
sitzung der Fürstlich Blücherschen Familie.
L. R.