II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1111

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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24

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Ausschnitt aus Nr.
Abendblatt — Morgenblatt.
* Gastspiel Blanche Dergan. Schnitzlers=Reigen“, im Schau¬
spielhaus=Spielplan eigentlich schon zu Ende getanzt, feierte am
Dienstag seine Auferstehung. Blanche Dergan spielt, lacht, tollt zwei
Dialoge, „Der Dichter und die Schauspielerin“ und „Die Schauspiele¬
rin und der Graf“. Ihre künstlerische Blutfülle wäre atemraubend,
wenn man nicht fühlte, daß sich Kunst hier mit Theaterspiel verbindet
und verbündet, um doch zu packen, um Kritik wirbelnd über den
Haufen zu rennen. Unnachahmlich, wie sich stärkste Bewußtheit und
Unbewußtheit zusammenfinden, sei es in Gesellschaft des dramatischen
Dichters in ländlichem Idyll bei Mondenschein und Nachtigallenschlag
oder im lustigen Zwiegespräch mit dem geistig minder begabten Gra¬
fen=Philosophen. Sie tummelt sich wie ein Fisch in sonnenbeschiene¬
nen Meereswellen. Schnitzlers Geist ist ihr goldener Mittelweg, was
p. st.
sie nicht hindert, ihm Eigenes beizufügen und ihren Beruf, Weib und
gensblansin in sein, Ahtlich mu sonvolsteren.
ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BHNLIN SO. 16, PUNGESTR 22-24
Zeitaung: Schleswig-Holsteinische Landesteitung
Adresse. Kiel
19301
Datum:
Stadttheater Neumünster.
„Reigen.“ 10 Dialoge von Dr. A. Schnitzler.
Es war gewiß ein gewagtes Stück der=Direkton gerade dem
Neumünsteraner Publikum den „Reigen“ in der heutigen Zeit
des Sturmlaufens der Reaktion gegen die Republik vorführen
wollen, dehn hnan konnte mit Bestimmtheit annehmen, daß die
Personen, die In sittlicher Hinsicht genug mit sich zu tun haben, in
ihrer Scheinheiigkeit gegen die Aufführung in Protestgeheul aus¬
brechen,würdenk Ein paar jämmerliche Versuche, die Aufführung
durch Zurufe zu stören, erstickten im Keime. Immerhin drückten
diese Vorgänge auf das Spiel der Künstler.
Dr. Arthur Schnitzler ist hauptsächlich als Dramatiker inter¬
essant und wertvoll. Er selbst wird einen Rangunterschied zwischen
seinen Werken schwerlich gelten oder doch die vom äußeren Geschick
beglückteren Kinder nicht im Schatten stehen lassen wollen
hätte er sonst die erzählenden Schriften an die Spitze
erschienenen Gesamtausgabe
Berlin,
der bei S. Fischer,
gestellt? Die 189697 geschriebene Sammlung „Reigen“ ist ein
gewagtes, aber graziöses Spiel von der Komödie der niederen
Liebe. Das Werk enthält 10 Szenen, jede zwischen einer Frau
und einem Mann, und es braucht schon die sichere Gestaltungs¬
kraft und feine Grazie eines Schnitzlers, um bei diesen höch
eindeutigen Situationen und auf diesem schlüpfrigen Boden nicht
sonst
zu entgleisen. Da ist alles flüchtig, flüchtiger noch als alles
in der Welt, zumal bei den Männern, die kurz nach den Mo¬
menten höchsten Liebesgenusses die schmiegsamer, zärtlicher wer¬
denden Frauen fast als etwas Fremdes empfinden. Eine Szene
zwischen einer Dirne und einem Soldaten macht den Anfang, eine
Szene zwischen einem Grafen und dieser selben Dirne macht den
Schluß. Das Werk, dessen Wert vielfach bekämpft ist ist unseres
Erachtens eine literarisch wertvolle Dichtung trotz seines gewag¬
ten Milieus.
Um die Aufführung machte sich besonders Herr Rosbbe¬
len verdient, in dessen Händen die Spielleitung lag. In dezen¬
ter Weise war die Bühne aufgebaut. Nichts konnte das Auge
verletzen, und ihm mag es zu verdanken sein, daß das Publikum
nach und nach in den Bann des Dichters gezogen wurde. Alle
mitwirkenden Künstler setzten ihr Bestes daran, um den inneren
Wert der Dichtung zu erfassen und zum Ausdruck zu bringen.
Sie litten aber sichtlich unter dem Tamtam, der vor der Ver¬
stellung sich vor dem Theater abspielte.

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