II, Theaterstücke 11, (Reigen, 1), Reigen: Frankreich, Seite 95

11. Reigen
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Ausschnitt aus:
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vom:
23.0
Die Theatersaison beginnt
Vonunserem ständigen Berichterstatter
in Paris
+ Paris, 20. Oktober
Es ist in diesen Wochen nicht ganz einfach, dem Tempo
folgen, mit dem die zahlreichen Pariser
zu
Theater eine neue dramatische Produktion dem Publi¬
kum vorstellen. Es gibt nur wenige Abende im Monat
Oktober ohne Premiere irgendwo huben oder drüben der
Seine. Die staatlichen oder staatlich subventionierten
Operbühnen sind im Rückstand mit ihrem Winter¬
programm, denn sie werden renoviert oder reorganisiert.
Das Interesse liegt im Augenblick wohl auf der Opera
Comique, wo ein neuer Direktor, Gheusi, ein neues
Orchester und eine stabile Truppe zusammenstellt und in
kurzer Zeit mit einer neuen Carmen=Einstudierung vor
das Publikum treten will.
Aber das typische Pariserische und Französische ist nun
doch das Schauspiel, das Lustspiel, das seinen
Ehrgeiz darin sieht, mit einem Höchstmaß von Witz und
Aktualität dem Publikum einen angenehmen Abend zu
verschaffen. Und die Kunst des gesprochenen leichten
Feuilletons des Lebens wird immerhin auf 30 Theatern
versucht und gepflegt.
Was die Pariser Bühnen bieten, ist wieder sehr mannig¬
faltig und hinsichtlich der Qualität sehr verschiedenartig zu
bewerten. Von den gegenwärtig gespielten Operetten
macht einstweilen das „Weiße Rössl“ von sich reden,
das man ins Französische übertragen hat und mit einem
unbestreitbaren Publikumserfolg im Théätre Mogador auf¬
führt. Man hat uns berichtet, daß das Stück in London
in englischer Uebertragung auch ein künstlerischer Erfolg
gewesen ist. Das trifft nun in Paris kaum in dem Maße
zu, denn es ist sehr schwer, die Personen des Weißen
Rössels ins Französische zu übersetzen, wo der Ueber¬
arbeiter Marseillaiser mit ihrem rollenden R nach Tirol
verfrachten muß, um den dialektischen Effekten des deut¬
schen Stückes in etwa nachzukommen. Die sprachlichen und
völkischen Eigenarten, mit denen die Literatur wesenseinig
ist, setzen eben mancher Uebertragung unüberwindliche
Hindernisse entgegen.
Um bei den Infiltrationen aus der deutschen Bühnen¬
schmeichelhaftes Bild von
kunst in die französische zu bleiben, auch Schnitz
Geschäfts= und Boulevard=Prei
„Reigen“ debütiert in Paris. Die Trup#s=Pitdenl
Amerika sieht die Auflageziffe
hat damit die Aufmerksamkeit auf das Théätre de
ken. Er beauftragt die Reda
l'Avenue gelenkt. Die unverwüstliche, unternehmungs¬
geschichte wieder aufzufrischen,
lustige kleine Frau Ludmilla Pitoeff, eine Mutter von acht
Townsend, geb. Vorheese, ihre
Kindern, spielt sämtliche weiblichen Hauptrollen des Stückes
Gras darüber gewachsen, die
und beweist damit ihr blendendes Talent. Nevenbei sei
lebte mit ihrem zweiten Gatte
bemerkt, daß die naturalistische Kunstrichtung, der die
glückliche Ehe. Die Veröffent
Schnitzlersche Produktion angehört, in Paris in den 90er
Frau beginnt gerade in dem
Jahren in dem Théätre Libre de St. Antoine eine Pfleg¬
Tochter verheiraten will. Da
stätte gefunden hat. Nicht ohne Mißstimmung stellt der
dem Spiel. Mit jeder For#
Intransigeant dieser Tage fest, daß die besten gegenwärtig
erfolgt ein fürchterlicher Schla
in Paris gezeigten Stücke. aus dem Ausland kommen. In
Familie. Die Schwiegereltern
diesen Tagen wird nämlich ein weiteres deutsches Stück auf
zurück. Das Drama endet mä
der Bühne des Theaters de l'Deupre in Szene gehen:
und Mutter, die in den letzte
„Kapriolen“ von Alexander Lernet=Holenia,
des Spiel des Verschweigens
das Reinhardt mit Erfolg inszeniert hat und das nun auch
haben, um ihr Glück nicht zu
in Paris mit Spannung erwartet wird.
Während sich dieses Dram
Neben diesen deutschen Stücken, steht ein amerika¬
hastige, nachrichtenhungrige,
nisches Stück im Vordergrund zu Beginn der Saison.
tion mit Redaktionskonferenz
Es ist ein Dreiakter von Louis Weitzenkorn: „Sonderaus¬
Instinkten einer sensationslü
gabe“. Die Uebersetzung und die französische Adaption hat
Bühne, die ausgerechnet von
der Rechtsanwalt Henri Torres übernommen, ein Mann,
lichen und einer Kaugummi k4
der sich auch um den Austausch von Stücken zwischen
sorgt wird. Die Hauptfigure
Deutschland und Frankreich bemüht hat. Das Stück wird
ragend, Hinchcliffe, der Verle
im Theater des Ambassadeurs gespielt und zu der Erstauf¬
dall, der Chefredakteur (Hen
führung waren Herriot und zahlreiche Mitglieder des
Kabinetts erschienen. Das Stück entwirft ein sehr wenig ] Ipsodod (Paul Asselin) und