II, Theaterstücke 11, (Reigen, 1), Reigen: Frankreich, Seite 109

11. Reigen
box 1972
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Daily Hail, London,
20. 2.1935
vom:

Viennese Wallz
I deubt if Arthur Schnitzler's erotie and
tiresome" Reigen“ is worth the carnest fuss
made over it by the admirable Pitoeffs—and
what they can do incidentally with Sain:
Joan. a couple of curtains and a few pards of
garden-railing is nobody’s business—at the
Arts Theatre the other evening.
Td rather sec them do Schnitzier’s Anatol.
which is so ful of gar ernical wisecracks.
c. g., onc of Anatol’s ex-loves meets him
doing his Christmas shopping serr late on
Christmas Eve.
A hopeless person like pou oucht to be¬
gin thinking of this in the summer!“ she
says scoldingly.
How the devil do I know in Uie sum¬
mer ihom I skall be moking un 10 at
Christmas?“ asks Anatol, raising his ege¬
brows.
They don't laugh in“ Reigen, they gnaw.

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I. Oesterr.
S1OBSERVER vereret, kons.
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Büro für Zeitungsnachrichten
WIEN I, WOLLZEILE 17
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Neue Freie Presse,
vom 86. F. 1933.
Londoner Theaterbrief.
Von einem gelegentlichen Korrespondenten.
Das glanzvolle Gastspiel der Pitoeffs im Arts
Theatre erreichte seinen Höhepunkt mit der am 17. d.
stattgefundenen Aufführung von Schnitzlers„Reigen“.
Die melancholische Graz# dieses Werkes kam in der fran¬
zösischen Uebersetzung von Suzanne Clauser gut zu¬
Geltung und wurde durch das herrliche Spiel Ludmilla
Pitoeffs, welche die Rollen von der „Schauspielerin“ bis zur
„Dame“ verkörperte, zu einem seltenen Genuß gesteigert.
Auch M. Pitoeff war in der Rolle des Grafen vorzüglich,
ebenso Luis Salou als junger Mann, dem man die
burleske Verführung durch die Dame von Welt willig
glaubte. Das Werk wurde mit starker Einfühlung auf¬
genommen und gewürdigt, nicht als literarisches Experiment,
sondern als Kunstwerk. „Die Buntheit, die Schnitzler in
diesen Episoden der Lust, des Besitzes und der Enttäuschung
aufleuchten läßt, ist wahrhaft tief und original“, schrieb ein
Kritiker.
Wenige Tage zuvor hatten die Pitoeffs Strind¬
bergs „Mademoiselle Julie“ gespielt. Es ist
interessant zu sehen, wie die konservativen und so überaus
„normalen“ Londoner darauf reagierten. Die verhängnisvolle
Intensität der Gedanken und jeelischen Schwingungen in
Strindbergs Stücken greift in den Augen vieler Zuseher so
weit über das hinaus, was sie in ihrem gewöhnlichen
Menschenverstand für Natur halten, daß sie, die Zuseher, mit
Neue Freie Presse
Die ganze Londoner Presse lobt sowohl das Stück als auch
die vom Regisseur John Geilgud geleitete Aufführung. Lieb¬
haber des aufregenden Detektivstückes sind bei Anthony
Armstrongs „Ten Minute Alibi“ glänzend ver¬
sorgt. Schnell, klug, aufregend und humorvoll erföllt es alle
Anforderungen, die man an die Gattung stellen kann, der
es angehört.
Im Embassy Theatre hat das berühmte Dialog¬
stück Norman Webbs „The Blue Coast“ eine sehr
erfolgreiche Reprise erfahren. Der Räsonneur Nicholas,
von Balliol Holloway verkörpert, jene angenehme, in England
so beliebte Art von Ironikern, die weise sind und dennoch zu
#n verstehen. Auch die bittersüße Liebesgeschichte des
kleinen Studenten zu seiner Stiefmutter ist so recht nach
englischem Geschmack.
Aber auch an Mißerfolgen kann der Londoner
Theaterberichterstatter nicht vorbeigehen. Es sei hier nur die
Komödie „Oh, hang!“ von Wilfried Walter genannt,
die einen solennen Durchfall erfahren hat, oder das Stück
„Headoncrasb“ von Laurence Miller. So wie die
Kritiker und das Publikum sind auch die Schauspieler vielfach
nicht mit ihrem Schicksal zufrieden. Gar viele wissen ein
trauriges Lied von Gagenrückständen zu singen und es ist
nur allzu begreiflich, daß unlängst die Actors Trade Union,
das ist eine Art Gewerkschaft, den Beschluß gefaßt hat:
„No pay, no play!“
N. 8.