II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 6

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10. Das Vermaechtnis
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Ausschnit:
De.
Nr.
„OBSERV.
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v00 K /11. 7r.

Theater, Kunst, Musik und Literatur.
Wien, 1. Dezember.
Hofburgtheater.
as Vermächtniß", Schauspiel in drei Akten von Arthur
Hofburgtheater zum ersten Male
Schnitzler. — Im
aufgeführt am 30. November.)
Am Burgtheater ist wieder einmal das literarische
„Jung=Wien“ durch seinen begabtesten Vertreter, Dr. Arthur
Schnitzler, zu Worte gekommen und das „Casé Grien¬
steidl“ hallt wieder von dem Lobe des jungen Dramatikers,
der bereits mit seinem Schauspiele „Liebelei“ an unserem
Hof-Schanspielhause einen Erfolg davongetragen hat.
Wer aber erwartet hatte, daß Arthur Schnitzter in seinem
jüngsten Werke, das den Titel „Das Vermächtniß“
führt, ein neues Thema behandeln oder zum mindesten
einige neue Saiten seines Talentes anschlagen werde, der
sieht sich durch das „Vermächtniß“ vollkommen entläuscht.
Dieses, in drei überlange Sterbe=Akte zerfallende Stück ist
nichts Anderes als eine recht breitspurig vorgetragene
Variation der „Liebelei“ und die These, die der Autor
seinem Problem zu Grunde legt, ist gleichfalls nichts
weniger als neu und erscheint gerade in der Foim, wie
sie Herr Schnitzler aufwirst, unlösbar. Dazu gesellt sich
noch die Armuth in der Efindung einer interessanten
Handlung, die eigentlich über die Exposition nicht hinaus¬
kommt und von da ab in Dialogen und Stimmungsmalerei
untergeht. Ohre den Zufuck, daß in jedem Akte der, Tod
als treibender Motor auftritt, würde auf der Bühne nur
endloses Gerede herrschen; aber auch so wirkt das Sterben
der Hauptfiguren des Stückes nichts weniger als tragisch.
Für
Wieder ist es das „suß: Mädel“, für dessen Geschick
inclusive
100
Schnitzler unsere Theilnahme aufruft. Der Sohn einer wohl¬
Porto.
200
habenden und angesehenen Familie, deren Haupt Professor
Zahlbar
der Nationalökonomie und Abgeordneter ist, hat ohne Wissen
500
im Voraus
der Eltern ein Verhältniß mit einem Mädchen aus dem
„ 1000
Volke angeknüpft, welcher Liebesbund bereits mehrere Jahre
Im
währt und dem ein Knäblein entsprossen ist. Eines Tages itte ist das
Abonnem
wird der jugendliche Vater, der im Prater durch einen steht es den
Abonnen
Sturz vom Pferde verunglückt ist, sterbend ins Elternhaus adern.
gebracht. In seiner letzten Stunde legt er den Seinen das
Schicksal seiner Geliebten und seines Kindes, die er zu sich
rufen läßt, ans Herz. Er stirbt und hinterläßt Toni und
den kleinen Franzi seiner Familie als Vermächtniß. Die
Frauen des Hauses ehren das Andenken des geliebten Heim¬
gegangenen, indem sie Toni und ihr Kind in die Familie
aufnehmen und sie wie vollwerthige Glieder derselben zu be¬
handeln suchen. Der Professor jedoch, ein moderner Phra¬
seur und Poseur, schwankt in seinen Ansichten und Empfin¬
dungen sehr bedenklich. Er will den Großmüthigen spielen
und sich dafür bewundern lassen. Die „Welt“ aber, d. h.
der Kreis von Bekannten, den man so zu benennen liebt,
findet es anstößig, daß ein gefallenes Mädchen die Rechte
einer legitimen Witwe in Anspruch nimmt und eingeräumt
erhält. Die Gesellschaft zieht sich somit vom Hause des
Professors zurück, was diesen alsbald zu einer anderen
Moralauschauung bringt, in welcher er von einem jungen
Arzte, der um die Hand der Tochter des Professors wirbt,
auf das nachdrücklichste unterstützt wird.
Der kleine Franzi het jedoch die Herzen der Frauen ganz
gewonnen und jeder Hinweis auf Gesellschaft und Sitte
prallt deshalb bei ihnen wirkungslos ab. Da stirbt aber
auch das Kind und nun verändert sich die Situation jäh¬
lings. Das Kind erschien der Familie wohl als ein zu
respektirendes Bermächtniß, anders aber ist es mit Toni,
die doch nichts Anderes als die Geliebte des Sohnes ge¬
wesen war und die dieser wohl kaum geheiratet haben würde,
auch wenn er am Leben geblieben wäre. Sie gehört, nachdem
sie auch ein weiter Abstand in der Bildung von der Familie
des Proffessors trenut, nicht zu dieser und ihr wird nun
der Standpunkt klar gemacht, daß es für sie am besten sei,
das Haus, das ihr eine Heimstätte geboten, wieder zu ver¬
lassen, wogegen man natürlich für ihre materielle Existenz
Sorge tragen werde.
Was thut nun Toni? Sie geht in den Tod, vermuthlich
in's Wasser und dieser Abschluß des Stückes wirft die besten
des Autors über den Haufen. Ist Toni unseres