II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 27

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10. Das Vernaechtnis
Bühne bewarb sich darum. Man bereitete ihm da und Kind sind ins Haus gekommen. Die Eltern
Wiener Brief.
und dort eine achtungsvolle Aufnahme. Seine halten correct das gegebene Wort. Mehr nicht. Das

0## — 7. December.
„Liebelei“ wird in der ganzen Welt gegeben und sein Kind wird geliebt, die Mutter des Kindes geduldet.
neuestes Schauspiel „Vermächtniß“ ist wohl seine Mit psychologischer Feinheit hat der Dichter die
ur Schnitzler ist wohl der Begabteste
matischen Jung=Wiens. Lange Jahre hat beste Arbeit. In Berlin gab es einen ebenso herz= Seelenmalerei dramatisch herausgearbeitet. Da reißt
er den blonden jungen Arzt gespöttelt, man haften Erfolg wie vor einigen Tagen am Wiener das Band entzwei, welches die Eliern nur lose an
ehr von der mit absichtlicher Unabsichtlichkeit Burgtheater. Man stellt Schnitzler heute Sudermann die verwitwete Geliebte des Sohnes gebunden hält.
tirne hineinfallenden Locke, als von seinen zunächst. Vielleicht ist er in dieser Reihenfolge nicht Das Kind stirbt. Das ist der zweite Act. Das Kind
en Fähigkeiten. Ich weiß mich zu erinnern, lichtig placirt. Sudermann ist ein größerer Techniker, ist todt, die Gevatterschaft ist aus. Dieses Sprüchlein
verkörpert der dritte Act. Man nimmt keine Rücksicht
Schnitzler ist ein größerer Dichter.
uns vor einigen Jahren in Baden die auf¬
„Das Vermächtniß“ hat vorn und hinten Mängel, mehr auf das unglückliche Frauenzimmer, das sich
Nachricht erzählte, Schnitzler habe lich in
aber es ist eine famose Arbeit und von packender mit einem Male so überflüssig auf der Welt sieht und
e Stirnlocke wegschneiden lassen. Die Sen¬
Wirkung, es ist technisch zu bekriteln, aber dem in den Tod geht. An der Leiche der Märtyrerin erhebt
ing von Mund zu Mund, in einer halben
sich das Gericht über die Eltern des todten Sohnes.
Dichter ist die Anerkennung nicht zu versagen.
wußte man sie in ganz Baden. Und doch
wir es nicht glauben. Schnitzler ohne Stirn= Folgendes ist die Fabel: Ein junger Mann wird Es ist die eigene Tochter. Sie hält den Eltern die
Einson ohne Haarschmuck! Es war ganz und sterbend zu seinen Eltern gebracht. Er hat einen verlogene gesellschaftliche Moral vor, welche sie zur
ht möglich. Die Tochter Julius Bauer's letzten Wunsch. Man wird den Wunsch des Sterbenden grausamen Herzlosigkeit getrieben hat, sie verflucht
Es übernehmen, an ihren eben in Ischl wei= in Ehren halten.. Der junge Mann hat eine Geliebte eine solche Moral; sie ladet den Tod des Mädchens.
Water zu schreiben. Im Namen von ganz und ein Kind. Diese verlassenen zwei Wesen, die auf das Gewissen der Eltern.
Man kann sich darüber moquiren, daß jeder Act
Niemanden haben, wenn er stirbt, mögen die Eltern
Wat sie ihn um Nachricht, ob es wahr sei, ob
mit einem Todesfall abschließt, daß der Zufall immer
ins Haus nehmen, sie gut halten, für sie sorgen. Das
ich sei. Und Bauer antwortete seiner Tochter
ist ein großes Verlangen in den Augen der Menschen, eingreifen muß, um an der Bahre die Handlung vor¬
ungefähr Folgendes:
die sehr an die herkömmliche Moral halten, die sich wärts zu schieben, daß die vorurtheilsfreie Tochter
truhig, bleib ruhig, mein Kind,
vermöge ihrer gesellschaftlichen Position vornehm nicht früher gesprochen hat, aber man muß den Erfolg
hsäufelt in Schnitzler's Locke der Wind.“
nitzler pflegte seine Locke welter und schrieb dünken, die eine große Tochter im Hause haben. Aber gutheißen der sich äußerlich besonders großartig ge¬
Seine Sachen wurden gelesen, das Burg= angesichts des Todes leisten sie das Versprechen. Der gestaltete. Dazu mag auch beigetragen haben, daß der
führte sie allgemach auf, die erste Berline lunge Mann ftirbt. Das ist der erste Act. Geliebte junge Doctor in der Wiener Gesellschaft gern gesehen