II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 46

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10. Das Verngechtnis
oder jener nichts bekommen hat, verrathen die Wiener Sohn der wohlhabenden Familie der erst zu
traurigen Mienen der verbittert einherschreitenden leben beginnt und das Wiener Mädchen aus dem Wiener
Ritter der Einbildung, daß auch die erhaltenen
Volke, das eine voll aufgeblühte Schönheit, die Mauer¬
Grade Mißstimmung erregt haben. Wenn Jemand
überblühend, dem jungen Mann entgegennickt, sind
den Franz Josephs-Orden erhielt, war er betrübt
die Helden der Schnitzlerschen kleinen Dramen,
darüber, daß ihm die eiserne Krone nicht geworden, die Schnitzler hat den starken Zug des Wiener sentimen¬
eisernen Ritter hatten den Leopolds-Orden erhofft oder
taten Frauenlebens in seine Stücke aufgenommen,
das Comthur-Kreuz des Franz Josephs=Ordens; kurz,
ihnen aber etwas Frivolität aus den Pariser Aureiz¬
man sah manche Glückliche aber auch sehr viel Unglück= stücken aufgepfropft. Mit Unrecht. Wir werden nieden
liche. Kurze Zeit nach dem Ordensregen durcheilte die
Esprit der Franzosen erreichen und immer sentimental
Stadt die Kunde es werde zu Weihnachten ein
bleiben. Wienerisches Wesen wird immer Wienerisch
Nachtrag, ein Supplement, und zwar ein ziemlich
sein. In Schnitzlers neuestem Stücke, einem größeren,
ausgiebiger erfolgen, und viele Mienen heiterten
schwereren, den ganzen Abend füllenden Werke, ist
sich auf. Wie wir hören ohne Grund. Mit den Orden
unser Dichter in etwas höhere Regionen empor¬
in Massen ist es vorläufig zu Ende und das ist gut.
gestiegen und hat sich weiter ausgedehnt und aus¬
Der Ehrgeiz drohte und droht noch eine Krankheit
gebreitet. Er, der sonst ziemlich objectiv die Welt
zu werden in Oesterreich. Nicht die Ehre, sondern
betrachtet, sie giebt wie sie ist, oder wenigstens wie
das Ehrenzeichen ist heute das Ziel fast aller die mit
er sie sieht oder zu sehen glaubt, verließ den be¬
dem Staatswohl in irgend einer, wenn auch noch so
obachtenden Standpunct und spielte sich auf den
entfernten Verbindung sehen.
Sittenrichter hinaus. Er proclamirt am Schlusse
Damit der Kreis der Streber noch vergrößert
seines Dramas die Lehre, daß die Eltern und Geschwister
werde, hat man diesmal auch die Frauen in den
eines durch einen Sturz vom Pferde verunglückten jungen
Wittbewerb gezogen. Es ist in letzter Zeit ein
Wiener, der seit Jahren hindurch ein Verhältniß
Elisabeth=Orden für Damen gegründet worden,
mit einem „süßen Mädel“ gehabt hat, eine Ver¬
welche sich große Verdienste in humanitairer Beziehung
bindung, welche durch ein kränkliches Kind gekrönt
erworben haben. In diese wurde der Same der
wurde, die Pflicht haben, die verlassene Halb=Wittwe
Ehrsucht gelegt was später nach dem Ordenschneefalle
und den nachgelassenen Knaben zu sich zu nehmen,
manche Klage über unverdiente Zurücksetzung
aufzuziehen, für ihn zu sorgen und dieselben zu #e#
erweckte.
handeln als ob es sich um eine verarmte unschuldig
Auch an kleinen Irrthümern hat es nicht gefehlt, leidende Wittwe handelte. Mit dem Psychologen
welche eine große Anzahl im Keime erstickter Recla=] Schnitzler kann man vielleicht bis zu einem gewissen
mationen nach sich zogen. Mau hat in mehreren Punkte gehen, dem Realisten aber muß man: „Um
Fälten=vereienstvollen Leuten ihre Tanfnamen nicht Vergebung Freund!“ zurufen „so stehen die Sachen
gelassen und es soll sogar der Fall vorgekommen nicht!“ Das Recht auf Liebe, wie wir es neunen
sein, daß ein um den Staat verdienter Mann, der
können, besteht nur insoweit, als durch die Ge¬
bereits vor acht Jahren den Franz=Josephs=Orven
währung derselben nicht Unglück in den Kreis ge¬
erhalten hat, diesmal wieder mit derselben Decoration
bracht wird, der Einen aufnehmen soll. Vater,
geschmückt worden ist. Die Beamten und Ange= Mutter und Schwester können nicht leicht einem
stellten der obersten Hofämter sind in den Besitz einer
auf dem Sterbebette liegenden Sohne die Bitte
eigenen schönen Denkmünze gelanet. Auch in diesen ausschlagen, die nachgelassene Halb=Wittwe und deren
Kreisen giebt es Klagen, die unserer Ansicht nach Kind in il en Kreis aufzunehmen. Aber sie begehen
berechtigt sind. Die k. k. Hofschauspieler und Hof= eine Ungerechtigkeit gegen sich selbst, wenn sie es
schauspielerinnen, welche wie andere Hofbeamte wirklich thun. Die liebevolle Aufnahme in der Fa¬
angestellt sind, haben, wie wir glauben, volles An= milie wird unbedingt früher oder später zur Lieblosig¬
Wiener Briefe.rh mit den übrigen Hofbediensteten auch in Bezugt keit führen und damit eine ganze Reihe von Unglück¬
W. A. Das Kaiser=Jubiläum ist vorüber.
Es
auf die Auszeichnungen auf gleichen Fuß gestellt zu lichen schaffen. Ein Professor und Abgeordneter,
hat ziemlich viel Glückliche, aber noch mehr Unglück¬
werden. Sie wollen nun an entscheidender Stelle welcher mit tausend Fäden in der Gesellschaft
liche gemacht. Der Ausdruck, den man gewöhnlich einreichen, damit die Knopflöcher der Männer, und wurzelt, seine Frau desgleichen und gar erst die
in solchen Augenblicken gebraucht, indem man von das Stück Seide, welches von der Achsel zur Brust Tochter, die einen Bräutigam besitzt, werden in die
einem Ordensregen spricht, ist diesmal gerechtfertigt der Damen reicht, mit bunten Bändern und peinlichste Situation gerathen, wenn sie das
gewesen. Es war ein förmlicher Wolkenbruch, der glänzenden Medaillen ziere. Die Schauspieler! Mädchen aus dem Volke, das Mutter ist, in ihrem
sich über ganz Oesterreich ergossen hat. Viertausend sprechen nicht laut, aber sie wünschen laut. Sie Hause auf gleich und gleich beherbergen. Hier ist
und so viele höherer und niedrigerer Grade von glauben ihre Wünsche werden in Erfüllung gehen.weniger, mehr, hier ist Versorgung außer dem Hause
Orden, Großkreuze, Comthur- und Ritterkreuze, Ver¬
Bleiben wir beim Theater und zwar bei den Hof- der Eitern und Geschwister und ein Quantum von
dienstkreuze, Titel aller Art von der Excellenz bis theatern. Im Burgtheater wurde ein neues Liebe und Sorgfalt so groß, als man es nur auf¬
zum einfachen kais. Rathe berab und dazu drei Trauerspiel des Wiener Schriftstellers Arthur
bringen kann, der richtige Weg.
Millionen Denkmünzen für das Militair an rothen, Schninler aufgeführt, betitelt „Das Vermächtniß“
Gespielt wird das Stück im Burg=Theater vor¬
für das Civil an weiß -rothen moiré- antique-] Schnißler ist der begabteste der jüngeren Wiener trefflich. Herr Hartmann der viele Jahre hindurch
Bändern haben die Welt beglückt. So sollte Theater=Autoren=Schule. Er begann mit kleinen in natürlichen Stücken durch seine Unnatürlichkeit
man glauben. Dem ist aber nicht so. Nicht alle
einactigen Stücken, die bereits im Keime alle seine eine Unbeliebtheit errungen hatte, welche im Wiener
welche etwas erhofften oder erwünfchten, sind mehr
Vorzüge, seine Physiognomie, Mundart, Denkungs= Burg=Theater fast beispiellos zu neunen war, hatte
oder minder nach dem wirklichen oder eingebildeten weise und Empfindungsmanier enthielten. Er kennt
diesmal einen Deputirten darzustellen, welcher sich
Bredienste sichtbar begnadet worden. Der Ideal=den Wiener Jüngling und das Wiener Mädchen,
affectirter Weise als um das Wohl seiner Neben¬
staat, inwelchem jeder Mensch mit dem Rechte, bevor sie in den Stand der Ehe treten, er kennt die
menschen sorgender Volksvertreter ausspielt und dabei
einen Orden ze bekommen, geboren wird, ist
Dinge um welche sich ihre Phantasie, Gedankenwelt
von dem kleinlichsten Ehrgeiz geleitet wird. Die
glücklicherweise noch nicht erfunden, denn dann näre
und Begierden bewegen. Lieben und geliebt werden, Ambition dieses Volksmannes stimmte nun mit jener
die Auszeichnung keine Belohnung mehr und es glücklich sein und glücklich machen, unglücklich sein des Darstellers so außerordentlich zusammen, daß
müssen neue Mittel und Wege gesucht werden, um und unglücklich machen, das ist der Inhalt der kleinen durch das Zusammenklappen beider Figurinen ein
hrgeizige zu befriedigen. Aber nicht nur, daß dieser Stücke, die Stücke aus dem Wiener Leben sind. De## vollendetes Bild g### deu wurde. Mehr erreichen.
n—Maungeht-i-Sen-Alicht
um Herrn Hartmann sortan dieses Fach zur aus¬
schleßlichen Benutzung anzuvertrauen.
Im Opern=Theater hat das Werk eines Oester¬
reichers, des Mannheimer Capellmeisters Herrng
Rezniczek recht gut gefallen. Es ist betitelt!
„Ponna Diana“. Das gleichnamige Lustspiel bildet
die Quelle. Die philosophisch gebildete Donna Diana
musikalisch zur Vernunft zu bringen, war eine schwere
##nfgabe und sie ist dem Componisten auch nicht ge¬
lungen, aber der Mann kennt das Orchester und¬
weß mit ihm siegreiche Schlachten zu schlagen, was
nicht Wunder nimmt, da er Capellmeister in der
österreichischen Armee gewesen ist.