II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 47

box 16/2
10. Das Vermaechtnis
Gyu
schließlich dreht sich der Spieß gegen den Dichter selber loren, nun wird sie auch von der Familie ihres Geliebten
Jeuikketon.
um, er beweist genau das Gegentheil von dem, was er im Stich gelassen oder vielmehr hinausgebissen. Es
beweisen will. Die Handlung des „Vermächtnisses“ ist, in bleibt ihr nichts übrig — da sie nicht schlecht ist und
aller Kürze erzählt, die folgende:
Wiener Theater.
nur aus Liebe zu Hugo gefehlt hat — den Tod in den
Hugo Losatti, der leichtlebige Sohn eines reichen
Wellen der Donan zu suchen.
Der Première des neuesten Stückes von Art LuWiener Professors der Nationalökonomie, hat seit vier
Soweit die Handlung des Stückes, wenn man
Schuitzler: „Das Vermächtniß“ sah „ganz Jahren ein Verhältniß mit dem hübschen Mädel aus der
eine Folge von Katastrophen, die jenscits des mensch¬
Wien“ mit der lebhaftesten Spannung entgegen. Der
Vorstadt Toni Weber; er lebt mit ihr in „freier Liebe“,
lichen Willens liegen, eine dramatische Handlung nennen
Abend des 30. November vereinigte im Burgtheater
sie haben schon ein Kind von vier Jahren. Da fällt
kann. Man sieht, Schnitzler hat die Fortsetzung seiner
Alles, was sich nur für Literatur interessirt, Alt und
Hugo auf einem Spazierritt im Prater so unglücklich
„Liebelei“ geschrieben, die ihn, und mit gutem Rechte,
Jung, denn Schnitzler ist derzeit der einzige „Jung¬
vom Pferd, daß er daran sterben muß. Aber in den
berühmt machte. Aber „Das Vermächtniß“ hat nicht die
wiener“, der sich hüben und drüben Sympathien gesichert letzten Minuten, in denen wir ihn mit dem Tode ringend
elementare Kraft der „Liebelei“, weil es dem neuen
hat, den auch die reservirtesten Conservativen als ein sehen, beschwört er Vater und Mutter und Schwester,
Stücke an der zwingenden Logik in der Tendenz man¬
echtes dichterisches Talent anerkennen, wenn sie auch die gute, schöne aber unselbstständige Toni und das
gelt, die Schnitzler versicht. Er will zeigen, daß „die
nicht Alles gontiren dürften, was Schnitzler's Muse zu Kind zumal nicht zu verlassen, sie zu sich zu nehmen und Gesellschaft“ feige, heuchlerisch, selbstsüchtig, hochmüthig,
Tage gefördert hat. Der Erfolg war, wie ich schon gr= zu beschützen. Kaum ist ihm das versprochen, so stirbt herzlos ist. Das ist keine Neuigkeit; schon viele Dichter
meldet habe, äußerlich gut, denn was das Parterre an
Hugo. Im zweiten Act sehen wir Toni — das bekannte haben das gezeigt, und es ist ebenso wahr, wie es auch
Klatschen und Hervorrufen mochte fehlen lassen, das er¬
„süße Mädel“ Schnitzler's — als Witwe im Elternhause
gute Menschen, hochherzige Charaktere in der Welt so¬
setzten die von jungen Enthusiasten besetzten Galerien
Hugo's einquartiert. Die Familie Losatti hat sich mit der
wohl, wie auch im Schnitzler'schen Stücke gibt. Aber
umso reichlicher. Es ist aber nicht zu leugnen, daß das fatalen Thatsache der wilden Ehe ihres Hugo abgefunden,
wenn er diese sarkastische Zeichnung der schwachen
neue Stück zwar besser als „Freiwild“, aber doch lange respectirt seinen letzten Wunsch, erträgt sogar die un¬
Charaktere, die unsere Salons füllen, dazu benützt, um
nicht so gut, wie die „Liebelei“, ist, deren Erfolg Schnitzler liebenswürdige Haltung der sogenannten Gesellschaft, die
sein Ideal: die freie Liebe und das „süße Mädel“, zu
leider nicht wieder erreichte. Er ist inzwischen ein sehr sich von den Losattis zurückzieht, weil sie durch ihr Ver¬
feiern und zu verklären, so wendet sich unser Gefühl
gewandter Theatermann geworden, er weiß auch bei halten nachträglich eine wilde Ehe zu legitimiren scheinen,schließlich gegen den Dichter und den von ihm selig
einem Minimum von Handlung zu fesseln, er führt einen] und Toni scheint sich so weit einleben zu können, obwohlgesprochenen Helden Hugo Losatti. Denn man sagte sich
sehr hübschen Dialog, charakterisirt geistreich und mit man es an verletzenden Randglossen und Anzüglichkeiten am Schluße: eben darum, weil man schon vor vielen,
vornehmer Discretion, er weiß die Scene mit Contrast=doch nicht ganz fehlen läßt. Hugo's Kind wächst seinen vielen Jahren die Erkenntniß von der Selbstsucht der
figuren zu beleben und arbeitet seine Essecte sehr ge=f Großeltern an's Herz, und das versöhnt schließlich Alle. Familie, von der Bosheit der Menschen, von der Ge¬
scheidt herans, mögen sie auch weitaus mehr rhetorischer
Aber dieses Kind stirbt nun auch seinem Vater nach und brechlichkeit des einzelnen Menschenlebens gewonnen
als dichterischer Art sein. Aber man sagt sich: schade um
dessen Geliebte bleibt allein in der Familie zurück. Dal hatte, wurde das Institut der Ehe geschaffen. Durch
so viel Können! Es wird einem unhaltbaren Gedankenlsteigern sich die Gegensätze. Toni hat wegen ihrer wilden strenge Gesetze sollten das Weib und das Kind vor der
geopfert. Der Kern des „Vermächtnisses“ ist fanl und Ehe mit Hugo schon die Liebe ihres eigenen Vaters ver=] Gemeinheit der Welt geschützt werden und vor den un¬