II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 48

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10. Das Vernaechtnis
berechenbaren Zufällen des Lebens. Gerade hier erweist den Vater Hugos, einen innerlich unsicheren Character, Beamten der Ortsgruppe des Rothen Kreuzes, Abord¬
es sich, wie unrecht dieser Hugo Losatti gehandelt hat, einen jener Männer, die sich nur nach dem „On dit“nungen der Vereine u. s. w. beiwohnten. Vor der
als er ein Weib an sich fesselte, ein Kind in die Welt richten, mit großer Meisterschaft; gerade die satirischen
Kirche hatten das Schützencorps, die Vetera nvereine
setzte, ohne bei Zeiten für einen starken Schutz seiner Pointen dieser Rolle arbeitete er glücklich heraus. Ueber= und Feuerwehrvereine, in der Kirche der Katholische
Geliebten und seines Kindes — auf Tod und Leben — haupt muß Schnitzler dem Burgtheater dankbar für die Vell##erein Aufstellung genommen. Nach Schluß des
zu sorgen. Wenn nun der Dichter dies nicht einsieht,
gesammte Darstellung sein.
Gottesdienstes defilirten die Vereine, worauf sich die
sich nur daran erfreut, der „Gesellschaft“ Hiebe zu ver¬
Nun noch eine nicht uninteressante Mittheilung aus Abordnungen der verschiedenen Corporationen zum Be¬
setzen, seinen todten Helden aber zu vertheidigen, so denkt
dem Deutschen Volkstheater. Girardi geht auf dem zirkshauptmann begaben, um ihre Glückwünsche für den
er schief, weichlich, parteiisch, und wie viel Kunst theatra- eingeschlagenen Wege der vornehmen Charactercomödie] Laiser zu übermitteln. Abends fand im isr. Tempel
lischer Beredtsamkeit er auch auswenden mag: er bleibt] mit aller Euergie vorwärts. Gestern (1. Decbr.) spielte ein Festgottesdienst statt, bei welchem der Rabbiner eine
doch im Unrecht! Und man bedauert herzlich, daß dem er den „Eingebildeten Kranken“ in Molières un¬
der Feier des Tages augepaßte Predigt hielt. Zur
so ist, daß sich Schnitzler nicht aus seiner garconhaften
vergänglicher Posse. Wer das vor zehn, nein, auch nur
Feier sanden sich ein: der Bezirkshauptmann mit meh¬
Moral zukeinem verstäudigeren Standpunkte erheben
vor fünf Jahren dem Alleinherscher im tollen Reich der
reren Beamten, der Steuerinspector, Vertreter des Be¬
kann. Denn er ist der begabteste der jungen Wiener
Operette zugetraut hätte! Man hätte ihn wohl ausge= zirksgerichtes, Bürgermeister Kremling, Abgeordneter von
Dichter, voller Esprit, reich an Gemüth, mit hochgebil= lacht! Gestern war die gesammte, hochernste Kritik im Eltz, Dr. R. v. Wottawa, die Directoren der Volks¬
detem Kunstverstand. Schnitzler muß hinaus aus der
Voikstheater, die sich auf die Wieden nur an ganz be= und Bürgerschule u. s. w. Die Stadt war reich be¬
Anatol=Sphäre, wenn er das erfüllen soll, wozu er be¬
sonders auserwählten Tagen zu verirren pflegte, und flaggt.
rufen ist: der Wiener Dramatiker zu werden, an dem
lauschte mit hoch emporgezogenen Brauen dem Spiele
Lobositz, 4. December. Am 2. December fand im
wir Alle ohne Vorbehalt unsere Freude haben sollen!
Girardis und seinem geradezu rührenden Demühen, sich
israel. Tempel ein Festgottesdienst statt, zu dem sich
Ob das Stück nach dem Erfolg im Burgtheater
in den classischen Stil der Molidreschen Comödie hinein¬
nahezu sämmtliche Gemeindemitglieder einfanden. Nach
noch seinen Weg über andere Bühnen machen wird?
zuspielen. Nun — in aller Ehrlichkeit sei es gesagt —
Vortrag einiger Psalmen hielt Herr Rabbiner Saar eine
Schwer zu sagen. Der Schwerpunkt des „Vermächt¬
gelacht hat man wohl schon; schließlich kann ein so ge-patriotische Rede. Mit der Absingung der Kaiser=Hymne
nisses“ liegt nicht in den Situationen, sondern in den
wandter Künstler wie Girardi sich in Mancherlei hinein¬
schloß die erhebende Feier.
Gesprächen, die geführt werden. Der erste, meisterlich
finden. Allein, daß man von seinem Spiel eine beson¬
R. Rakonitz, 4. December. Am 2. December
exponirende Act wirkt packend; er erinnerte mich flüch¬
ders denkwürdige Erinnerung mitgenommen hätte, läßt
fanden in der hiesigen Decanalkirche Festmessen statt,
#tig an den ersten Act der „Versunkenen Glocke,“ wo sich doch auch nicht sagen. Lewinsky spielt dieselbe Rolle
welchen das Stadtverordneten=Collegium mit dem
Heinrich von der Gattin Abschied — für immer, wie er im Burgtheater, und ich muß sagen, Girardi hat mir
Bürgermeister, die landesfürstlichen Beamten und zahl¬
meint — nimmt. Schnitzler wirkt noch ergreifender. Der das Bild davon nicht verdunkelt. Wenn er den Wiener
reiche Andächtige beiwohnten. Für die Schuljugend und
zweite Act ist viel schwächer: den dritten sund Schlußact Boden verläßt, dann geht doch auch der größte Reiz die Studentenschaft wurden separate Festgottesdienste
rettete Frau Hohenfels, welche die frische Schwester seiner Kunst verloren, die im Dialect und im Localhumor abgehalten, nach welchen die Directoren der verschiedenen
Hugos darzustellen hat, mit ihrem verständnißvollen und beruht. Erwähnt sei noch, daß Fräulein Retty mit Schulanstalten an die Schulkinder und Studenten patrio¬
hinreißenden Spiel in den letzten Momenten der Hand= dem Stubenmädchen Toinette einen großen und wohl= tische Ansprachen hielten. Nachmittags wurde in der
lung. Ernst Hartmann, der sich in den letzten Jahren verdienten Erfolg hatte. Man kann sich die Schelmereien Synagoge ein feierlicher Gottesdienst abgehalten. Die
mit manierirten Spiel viel Sympathien verscherzte, gab nicht graziöser gespielt denken.
M. N—r.Festrede hielt der hiesige Rabbiner Herr Dr. Neumark,