II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 83

box 16//2
10. Das Vermaechtnis
Sinne des Gesetzes vom
Denn unsere so ängstlich gehüteten jungen Damen dürfen nichts seiner Eltern komme. Das Ki
von der herberen und dennoch aufreizenden Luft athmen, die in der Liebe, besonders wenn sie
Wlehenilletangs
der eigentlichen Welt weht — ein Gymnasiast darf mehr davon geben werden, Kinder junger,
wissen, als Franziska Losatti, des todten Hugo Schwester und ander rechtschaffen begehrt hab
Gl Das Vermächtniß.

Braut seines weiland Lehrers Dr. Ferdinand Schmidt, dem lebensfähiger. Der Arzt Sch
Schauspiel in drei Acten von Arthur Schnitzler. Im Burg= die Fremde im Hause ganz besonders ein Greuel ist. Der Arme bei seiner Wissenschaft
theater zum erstenmale aufgeführt am 30. Novemher 1898.
jedem Sinne hat den Reichen unter des Maske des
woll
dies nicht
Hugo Losatti, Sohn des Abgeordneten und Professors der Freundes immerdar gehaßt; ins Grab hinein neidet er ihm noch damit seine Mutter jed
Nationalökonomie Adolf Losatti, ist ein Götterliebling. Die die Freuden, die der insgeheim und doch aus dem Vollen ge=sie der Todte verankert wissen
Herzen fliegen ihm zu; er ist begabt und Kind eines reichen
nossen, und ihre Verkörperung in Toni peinigt ihn. Ausrichtens sie nachher nur noch eine St
Hauses. Die Eltern beten ihn an; seine Schwester liebt ihn ma߬
kann er freilich nichts — denn das Enkelchen lebt, eine ständige nichts mehr zu suchen hate
los; ein hübsches, reiches, begehrenswerthes Mädchen aus ganz
Mahnung des Todten und seines letzten Wunsches und den Groß= ihr Recht: Franzi nach, so wär'
der gleichen Gesellschaftsschichte träumt es als besten Traum, ihm
eltern lieb durch sich wie als lebendige Reliquie. Aber — das suchen, nur weil ihr eine ho
fürs Leben anzugehören. Ein Wunsch, der aller Billigung der
Kind stirbt. Und damit ist Toni Weber's Schicksal besiegelt, die Thüre setzt
das th
Angehörigen sicher ist — nur der seinigen nicht. Er hat eine
Sie ist doppelt heimatlos. Dort, wo sie mit Hugo glücklich ge= begegnen wir Constructionen.
Geliebte und mit ihr ein Kind; dieser und jener aus seiner
wesen, wo das Kind geboren ward und aufwuchs, dort ist sie
Wieder steht ein glänze
Familie ahnt etwas davon, aber man spricht nicht darüber. Denn
nicht mehr daheim; hier zeigt man ihr offen, daß sie im Wege Stückes. Es ist eine Exposition
Selbstverständliches beredet man nicht. Besonders dann nicht,
stehe, daß man sie nicht einmal den Sommer über mehr als feiner Stimmungsmittel, wie
wenn es ebenso selbstverständlich zu seiner Zeit sein Ende nimmt. Man
Hausgenossin dulden wolle. Sie geht zu Hugo und dem Kinde,
fliegen. Aber — die Erf
amüsirt sich außerhalb, man vermählt sich innerhalb der eigenen
nicht ohne ein Werk in ihrem Scheiden noch zu thun. Denn fickert nur noch durch den zwe
Sphäre. Das ist ein Stück unserer Gesellschaftsordnung.
Franziska sagt sich von dem Bräutigam los, der sich der Ver= Die Nebenhandlung mit Dr.#
Wie es dem Sohne eines solchen Hauses geziemt, hat er lassenen gegenüber als der schlimmste Dränger gezeigt.
nicht genug. Wber, es blitzt
sein Freiwilligenjahr bei der Cavallerie gedient. Der Dienst ist
Die Frage, die Schnitzler in diesem Stück beschäftigt, ist Worten, die bis
zum
da leichter, die Uniform fesch, und arme Teusel können nicht
klar, löblich, ja social. Sie lautet: was wird mit ihnen? Mit Eine vortreffliche
Figur
mitthun. Seither ist er passionirter Reiter, dem die zahmen
ihnen, von denen man weiß und nicht spricht? Was soll mit Professor der Nationalökonomi
Schulgäule nicht mehr genügen. So ereilt ihn die Katastrophe.
ihnen, wenn Derjenige nicht mehr ist, der das Band allein daß Hugo sehr viel
Im Prater stürzt er vom Rosse und thut einen bösen Fall. lösen konnte, wie er allein es geknüpft? Einzig das Oberhaupt nur billig, daß ein ju
Sterbend bringt man ihn heim; er hat schwere innere Verletzungen
macht und legitimirt eine Familie: hier aber soll ein in sich vergnüge und wieder
erduldet, ist aber noch bei vollem Bewußtsein. Die Geliebte
geschlossener Kreis, Hugo's Vermächtniß, eingefügt werden man frägt nicht gerne, wo ma
möcht er noch sehen; die Geliebte, die er sich für immer ver¬
einem anderen, nicht minder in sich gerundeten: Hugos An= zufrieden wäre. Er hätte gar
binden wollte, da ihn das Schicksal von dannen nahm. Sie
gehörigen. Das geht nun einmal nicht; und wenn sich die Fa= die Tochter derselben Frau hei
und das Kind sind sein Vermächtniß an die Eltern. Nachdem
milie des Professors Losatti nach dem Tode des Enkelkindes, zu der sittenstrenge Vater ihn ein
er ihnen die Fürsorge für die Seinen auf die Seele gebunden,
dem allein eine unmittelbare Gefühlslinie noch hinleitet, gegen berühmt sich seiner Freiheit un
stirbt er.
Toni Weber wehrt, so haben die Losattis so Unrecht nicht.
Niemand ist von jedem Tratsch
Toni Weber mit dem Kleinen — er heißt Franzi nach der Was will das süße Mädel in Anatols Hause? Denn es sind lieben Nächsten so abhängig,
geliebten Schwester — kommt ins Haus. So hat's Hugo gewollt; wieder diese Schnitzlerischen Typen, nur in der Umkehr des
haben, ist die Legitimation des
keine Abfindung, eine Anerkennung im nachhinein. Das führt zu Milieu; nicht der Geliebte kommt zu Christinen, wie in „Liebelei“
die stärkste Kraftprobe, die S
manchen Ungelegenheiten. Welche gesellschaftliche Stellung soll
sie wird in seine Sphäre übertragen.
hat Vornehmheit des Tones un
man dem Mädchen, das Mutter ist, der Witwe, die niemals
Auch spielt der Zufall eine gar große Rolle im Ganzen.
würdige Anmuth der Form. H
vermählt war, eigentlich zuweisen? Und — sie ist so gar lieb! Schnitzler braucht ihn schon, um seine These überhaupt stellen
Aufgenommen wurde das
Sie bringt eine freiere Luft mit sich — und das ist schlimm. zu können. Hugo muß verunglücken, damit Toni ins Haus nach dem ersten Act starker Be