II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 84

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10. Das Vernaechtnis
Sinne des Gesetzes vom 30. März 1888, betreffend die
Denn unsere so ängstlich gehüteten jungen Damen dürfen nichts seiner Eltern komme. Das Kind muß sterben — sonst sind Kinder
eton
von der herberen und dennoch aufreizenden Luft athmen, die in der Liebe, besonders wenn sie wie dieses mit aller Sorgfalt um¬
der eigentlichen Welt weht — ein Gymnasiast darf mehr davon geben werden, Kinder junger, vollkräftiger Menschen, die ein¬
wissen, als Franziska Losatti, des todten Hugo Schwester und ander rechtschaffen begehrt haben, in der Regel gesünder und
ichtniß.

Braut seines weiland Lehrers Dr. Ferdinand Schmidt, dem lebensfähiger. Der Arzt Schnitzler, der sich für den Tod Hugos
rSchnitzler. Im Burg= die Fremde im Hause ganz besonders ein Greuel ist. Der Arme bei seiner Wissenschaft manchen feinen Zug geliehen.
rt am 30. November 1898.
in jedem Sinne hat den Reichen unter des Maske deswollte
dies nicht
Es
wissen.

muß sterben,
ordneten und Professors der Freundes immerdar gehaßt; ins Grab hinein neidet er ihm noch damit seine Mutter jeden Halt verliere dort, wo
ist ein Götterliebling. Die
die Freuden, die der insgeheim und doch aus dem Vollen ge= sie der Todte verankert wissen wollte. Aber — warum bleibt
bt und Kind eines reichen
nossen, und ihre Verkörperung in Toni peinigt ihn. Ausrichten sie nachher nur noch eine Stunde in dem Hause, wo sie doch
ine Schwester liebt ihn maß= kann er freilich nichts — denn das Enkelchen lebt, eine ständige nichts mehr zu suchen hat? Stürbe sie Hugo nach — das wär'
werthes Mädchen aus ganz Mahnung des Todten und seines letzten Wunsches und den Groß= ihr Recht: Franzi nach, so wär's noch mehr ihr Recht. Aber, den Tod
nt es als besten Traum, ihm
eltern lieb durch sich wie als lebendige Reliquie. Aber — das suchen, nur weil ihr eine hochmüthige Bande den Stuhl vor
der aller Billigung der
Kind stirbt. Und damit ist Toni Weber's Schicksal besiegelt. die Thüre setzt — das thut Toni Weber nicht. Ueberall
seinigen nicht. Er hat eine Sie ist doppelt heimatlos. Dort, wo sie mit Hugo glücklich ge= begegnen wir Constructionen.
ieser und jener aus seiner wesen, wo das Kind geboren ward und aufwuchs, dort ist sie
Wieder steht ein glänzender erster Act am Eingange des
n spricht nicht darüber. Denn
nicht mehr daheim; hier zeigt man ihr offen, daß sie im Wege Stückes. Es ist eine Exposition von erfreulicher Schlankheit, voll
t. Besonders dann nicht,
stehe, daß man sie nicht einmal den Sommer über mehr als feiner Stimmungsmittel, wie sie nur einer großen Begabung zu¬
er Zeit sein Ende nimmt. Man
Hausgenossin dulden wolle. Sie geht zu Hugo und dem Kinde, fliegen. Aber — die Erfindung selber hält nicht stand; sie
t sich innerhalb der eigenen
nicht ohne ein Werk in ihrem Scheiden noch zu thun. Denn sickert nur noch durch den zweiten Act, sie versiegt im dritten.
WGesellschaftsordnung.
Franziska sagt sich von dem Bräutigam los, der sich der Ver= Die Nebenhandlung mit Dr. Schmidt und Franziska interessirt
chen Hauses geziemt, hat erk lassenen gegenüber als der schlimmste Dränger gezeigt.
nicht genug. Ober, es blitzt häufig von glänzenden und zornigen
erie gedient. Der Dienst ist
Die Frage, die Schnitzler in diesem Stück beschäftigt, ist Worten, die bis zum Schluß ihre Wirkung thun.
arme Teufel können nicht klar, löblich, ja social. Sie lautet: was wird mit ihnen? Mit Eine vortreffliche Figur ist der Abgeordnete
und
ter Reiter, dem die zahmen ihnen, von denen man weiß und nicht spricht? Was soll mit Professor der Nationalökonomie. Es ist ihm wohl aufgefallen,
oereilt ihn die Katastrophe.
ihnen, wenn Derjenige nicht mehr ist, der das Band allein daß Hugo sehr viel Geld braucht. Aber es
und thut einen bösen Fall. lösen konnte, wie er allein es geknüpft? Einzig das Oberhaupt nur billig, daß ein junger und reicher Mann sich
at schwere innere Verletzungen
macht und legitimirt eine Familie: hier aber soll ein in sich vergnüge und wieder seine Freuden bezahle. Und
n Bewußtsein. Die Geliebte
geschlossener Kreis, Hugo's Vermächtniß, eingefügt werden man frägt nicht gerne, wo man mit der Antwort sicherlich nicht
die er sich für immer ver¬
einem anderen, nicht minder in sich gerundeten: Hugos An= zufrieden wäre. Er hätte gar nichts dagegen, wenn sein Sohn
Pal
von dannen nahm. Sie
gehörigen. Das geht nun einmal nicht; und wenn sich die Fa= die Tochter derselben Frau heiraten würde, mit der insgeheim
an die Eltern. Nachdem
milie des Professors Losatti nach dem Tode des Enkelkindes, zu der sittenstrenge Vater ihn eines Verhältnisses verdächtigt. Er
nen auf die Seele gebunden,
dem allein eine unmittelbare Gefühlslinie noch hinleitet, gegen berühmt sich seiner Freiheit und seiner Ueberzeugungstreue — und
Toni Weber wehrt, so haben die Losattis so
Unrecht nicht. Niemand ist von jedem Tratsch, von jedem Augenzwinkern des
er heißt Franzi nach der Was will das süße Mädel in Anatols Hause? Denn es sind lieben Nächsten so abhängig, wie er. Diese Gestalt geschaffen zu
aus. So hat's Hugo gewollt;
wieder diese Schnitzlerischen Typen, nur in der Umkehr des
haben, ist die Legitimation des Stückes und ist für mein Gefühl
m nachhinein. Das führt zu Milieu; nicht der Geliebte kommt zu. Christinen, wie in „Liebelei“
die stärkste Kraftprobe, die Schnitzler bisher erbracht. Und er
gesellschaftliche Stellung soll
sie wird in seine Sphäre übertragen.
hat Vornehmheit des Tones und eine eigenthümliche, sehr liebens¬
der Witwe, die niemals
Auch spielt der Zufall eine gar große Rolle im Gan#en. würdige Anmuth der Form. Hat sie bei löblichem Ernst.
Und — sie ist so gar lieb!
Schnitzler braucht ihn schon, um seine These überhaupt steuen
Ausgenommen wurde das Stück glänzend. Es war schon
sich — und das ist schlimm. zu können. Hugo muß verunglücken, damit Toni ins Haus nach dem ersten Act starker Beifall; er wuchs im zweiten und