II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 85

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10. Das Vernaechtnis
Lung ich war über diese W
zwar nach dem dritten sehr heftig. Schnitzler mußte oft er=baß ein Genosse unseres fröhlicheleichestitng
scheinen; und sowohl seine Begabung wie seine ganz erstaunliche wir seit langen Jahren aus den Augen verloren hatten, on der
wärtet hatte, im ersten Auge
Bühnentechnik verdienen doch auch jede Anerkennung. Eine Ge= Straße weg hilf= und obdachlos in ein städtisches Hospital ge¬
„Ich habe mir darauf
schicklichkeit, die über alle Grundmängel einer Arbeit hinwegtäuscht,
bracht worden war, wo er nach wenigen Stunden starb. An und gründlich überlegt. Ihr
die jede Peinlichkeit verwischt, für die es kaum mehr eine Begrenzung
„Entkräftung“ erklärten die diensthabenden Aerzte, während ein dings ein Feind der Eh
junger Mediciner ungeschminkt seiner Ueberzeugung Ausdruck gab:
des Stoffes zu geben scheint, weil der Bühnenkenner den Dichter
lich anders.
„Ach was, an Entkräftung? Man sollte es nur ruhig eingestehen,
niemals im Stiche läßt und ihm eine Ausflucht zeigt, wo kein
Es war geradezu mein
der arme Teufel ist verhungert, weiter nichts!“
Ausweg mehr ist, eine solche Geschicklichkeit ist nur einer von
Weib fürs ganze Leben an
Haus aus reichen und ernst arbeitenden Begabung erreichbar und
Ein bitteres Trauergefühl lastete auf uns.
Freundin, eine Beratherin, di
ein Ruhmesmittel an sich. Ueberdies hat Schnitzler die Gabe,
„Dieses furchtbare Paris!“ wiederholte der Maler. „Wieviel Runzeln von der Stirne stre#
ohne in die Schablonen zu gerathen, den Schauspielern dankbare
Brot einzugraber sucht. Ab
Menschenleben hat es nicht schon vor der Zeit zugrunde
und ihren Fähigkeiten gemäße Rollen zu geben. So
gerichtet!“
so jung die Ehefesseln zu ne
wurde denn vortrefflich gespielt. Der Grundton, in der
gern hatte.... Vorurtheile
Er seufzte und sagte dann: „Mir ist neulich auch eine arge
letzter Zeit nicht immer festgehalten, war diesmal einheitlich und
wäre mir im Grunde ebens
Geschichte passirt, ich will sie Euch mittheilen.“
richtig. Herr Hartmann gab meines Wissens zum erstenmale
wesen. Nun, es sollte nicht
Und er erzählte.
einen Großvater auf der Bühne; es mag ihm nicht leicht geworden
zu, eben weil sie anständig
„Ihr wißt, ich halte nicht viel von der Tugend der meisten
sein, und zu Beginn gerieth's nicht immer. Im Verlaufe des Abends
gewaltig.
aber ward's besser und besser, und sein Professor Losatti mag sich Evastöchter. Um so mehr aber respectire ich eine anständige Frau,
Ich brachte gegen sie
sehen lassen. Der Franziska gab Frau Hohenfels sehr mächtige wenn ich schon einmal das Glück habe, einer solchen auf meinem
Anwendung, deren wir Männ
Töne; sie schwollen im dritten Act zu so erschütternder Eindringlichkeit, Lebenswege zu begegnen. Also vor sechs Jahren war das der
es gilt einem hilflosen Mädch
wie sie nicht leicht Eine vermag. Fräulein Medelsky gab die Fall. Ich hatte mir soeben ein kleines Atelier gemiethet und malte
versuchte es nicht, sie in eine
ziemlich belanglose Rolle der Agnes, die Hugo geliebt; Fräulein aufs Leben los. Man hatte mir allgemein so lange vorgeredet,
schwor ihr auch nicht, ich wi
Bleibtreu ihre Mutter; dem Dr. Ferdinand Schmidt lieh daß ein großes. Talent in mir stecke, bis ich schließlich selbst
sie mich nicht erhöre u.
Herr Devrient seine stählerne Insolenz, Frau Schratt daran glaubte.
zählung, Ihr kennt ja dieses
der Toni Weber viel Anmuth und eine rührende, schüchterne
Kinder, dieser Muth, der mich damals beseelte! Er ist
wendig wie ich.
Verzweiflung, Fräulein Metzl als Lulu muß mit unbezahlbar. Neben mir, um zur Sache zu kommen, wohnte eine
Nach einigen Monaten
Ehren genannt sein. Herr Paulsen scheint ein kleine Arbeiterin, ein allerliebstes Geschöpfchen von achtzehn
und sah die kleine Julie lang
verwendbarer Darsteller, wenn auch ein wenig zu ungelenk für Jahren, mit Namen Julie. Ich sprach von Zeit zu Zeit einige
gestanden, aus einem etwas
einen wienerischen Lebejüngling. Die eine Scene des Hugo Worte mit ihr, wie es unter armen Schluckern und Nachbarn
Hause fort. Mit zwanzig I#
spielte Herr Treßler mit erschütternder Wahrheit; es ging auf Brauch ist. Da erfuhr ich denn, ihre Mutter, mit der sie bisher
besonders bei diesem intimen
den Nerv, dies schreckliche Sterben; Frau Schmittlein aber zusammengelebt hätte, sei vor wenigen Wochen gestorben. In der
Maler mit unseren Modellen
als seine Mutter zeigte, was das Burgtheater an: hat und That trug die Kleine tiefe Trauer. Ich bemühte mich um ihre
schämte mich, eines dieser
wessen es sich von ihrer reichen und eigenthüml en Begabung
Gunst, denn erstens war ich damals auch allein und hatte oft
zwischen zwei Küssen in ein
J. David.
noch versehen darf.
nichts zu essen. Wenn man aber Hunger und gar keine Lebens¬
brechen; was müßte sich dann
freude hat und zwanzig Jahre zählt, verlangt man vom Dasein
denken? Diese Vorstellung
wenigstens ein Fünkchen Liebe oder zumindestens zwanglosen Ver¬
*
Am Scheidewege. Nachdruck verboten. kehr mit einer jungen Genossin, der einem die trüben Gedanten
„Dieses furchtbare Paris!“. sagte Gaston Duchamps an und die leidigen Sorgen der Alltäglichkeit wenn nicht ganz, so
Vor ganz kurzer Zeit h
zeitweilig vergessen läßt.
jenem regnerischen, kalten und düstern Novembernachmittage, als doch
wieder getroffen. Ah, dieses
Als ich Julie davon sprach, antwortete sie mir sehr ruhig:
wir in einer Ecke seines Ateliers in der Rue de Martyrs am
Kaminfeuer saßen und uns wärmten. Wir hatten eben erfahren, „Wollen Sie mich heiraten, Herr Gaston?“ Ich gestehe Euch