II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 100

10. Das Vernaechtnis
leute Gallerloberrtage sPruce—
yse=Sömmerda und Generalsekretär
Berlin.

Akt erwartet man im Familienkreis die Heimkehr des ältesten
Sohnes vom Volkswirtschaftsprofessor und Wiener Reichsrats¬
abgeordneten (natürlich von der Linken) Adolf Losatti.
Während Dr. jur. Hugo auf sich warten läßt, entwickelt
sich ein ganz stimmungsvolles Backfischgespräch zwischen seiner
Schwester und Kusine; letztere, Agnes genannt, liebt
ihn und fragt unschuldig=neugierig, ob sie „Chancen“
Da erscheint er, aber im Wagen gesahren
habe.
und in Decken — er ist beim Rennen gestürzt.
Er fühlt, daß es mit ihm zu Ende geht; er offenbart den
Eltern, daß er eine Geliebte habe, der er treu ergeben sei und
von der er ein vierjähriges Söhnchen hat; er verlangt sie
noch einmal zu sehen, und stirbt, nachdem er deren Schutz
„Vermächtnis“ hinter¬
und Pflege seiner Familie als
lassen hat. Wie die Auseinandersetzung mit dieser Aufgabe,
nachenfander die erst weiblich natürlich empfindende Mutter,
dann den konventionell opportunistischen Vater, dann die ideal
schwärmende Lieblingsschwester u. s. w. bis zu deren stillen. Ver¬
lobten, dem Hausarzt und bösen Prinzip des Stückes, trifft, das
ist ausgezeichnet dargestellt. Der Akt ist zu Ende; auch das Stück
könnte zu Ende sein; und daß nach diesem Höhepunkt die gespannte
Frage „Was nun?“ dauernd interessant beantwortet wird, das
muß man der Technik des Dichters zum Ruhme anrechnen. Der
zweite Akt zeigt uns die Erfüllung des „Vermächtnisses“. Die
Geliehte und das Kind des Sohnes werden in die Familie auf¬
genoh#len; selbst der Herr Professor stakt als Gemütsmensch
der Bühne herum und scheut selbst gesellschaftliche
Bromillierungen nicht. Dann stirbt aber plötzlich das
von allen als „Vermächtnis“, gehätschelte Kind, und
nun siegt im dritten Akt der „böse Geist“. Entgegen den
Versprechungen am Totenbett treibt man die hinterbliebene,
als Tochter und Schwester aufgenommene Geliebte des Sohnes
unter Anbietung einer Rente — „natürlich“ — aus dem
Hause; und keiner hat schließlich die Schuld. Selbst die junge
Tanke und Freundin des Verstorbenen kann ihre unabhängigeren
Entschließungen nicht durchsetzen, da ihre Tochter, die
ja den Verstorbenen liebte, einer Aufnahme in das mütterliche
Haus einen natürlichen Widerstand entgegensetzt. Natürlich
ist überhaupt sehr viel an der mißlingenden Lösung des höchst
unnatürlichen Vermächtnisses, das der Sohn niemals hinterlassen
box 16/3
Das wäre ein volliger formeller S
5
der Dreyfuspartei. Eine ostentative Demonstrat gegen
S
h
durfte, wenn er selbst nicht den Mut gehabt hatte, seine Geliebte
an
zu seiner Frau zu machen. Die Halb= und Unwahrheit der
lich
modernen Stücke beruht ja immer auf der Halb= und Un¬
des
wahrheit seiner Probleme. Daß das Theaterpublikum
zär:
dadurch zu schiefen Anschauungen erzogen und ent¬
meil
nervt, entmännlicht wird, ist auch bei diesem Stück zu
du
beklagen. Auch Wärme zu erzeugen vermag es darum nicht.
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Gespielt wurde recht gut. Emanuel Reicher spielte den
viel
Professor sehr charakteristisch, hin und wieder etwas
schlei
übertreibend, mit orientalischem Accent, als ob
Ehre
im Wiener Reichsrat zu der Mauthnergruppe gehörtes
wied
er erhielt dafür aber zweimal Zischen bei offener Bühne, wa;
freilich ebenso stark den Dichter traf. Frl. von Pöllnitz als
zeichs
Frau Professor, Luise D umont als junge Tante, und auch
Mil
Dora Lur, Lotti Sarrow u. s. w. bis zum vierjährigen
seiner
Franzl hinab spielten gut; ebenso Oskar Sauer als
Klaue
Arzt. Die Regie Emil Lessings war recht
freilich
gut. Einzelheiten mögen uns entgangen sein, weil die Direktion
moden
unaufmerksam genug gewesen war, uns in die 19. Reihe zu
unchh
plazieren. Der Dichter wurde nach jedem Akt lebhaft gerufen.
.
alle
h
* Bartel Turaser, das körnige Proletarierdrama
Heler
des jungen Brünner Dichters Philipp Langmann, ist
Stück¬
den Berlinern keine völlige Neuheit mehr: Bereits im Dezember
mißreife
vorigen Jahres fand es im „Lessingtheater“ seine erste, bei¬
Dicht
fallreiche Aufführung. Aber auf die Dauer ist es dem unge¬
hobelten Jungen aus dem Böhmerland in dem vornehmen,
erklusiven Hause an der Kronprinzenbrücke doch wohl un¬
h in2
heimlich geworden; still hat er sich inzwischen von dem
zwele
glatten Parkett der hier immer ausgesprochener gepflegten
Opern
wienerisch= sybaritischen Lebemännerkunst hinweggeschlichen,
bereits
um fern im Osten, wo das „Schillertheater“
dieses
Berlins bürgerliche Bescheidenheit zu frugalerem Mahle lädt,
Weltruf
ein neues Leben zu beginnen. Und wenn der Knabe
gefunden.
selbst auf dieser Wanderung auch nicht reifer geworden
mit 6000.
nun hat das Mantelkind dort wenigstens eine
ohne And
Stätte, wo es sich heimisch fühlen, und einen Tisch, unter
mit einen
den es, ohne schamrot zu werden, seine Füße strecken darf.
Zudem ist der Zeitpunkt der Wiederbelebung gar nicht so übel bandelt;