II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 116

box 16/3
10. Das Vermagchtnig
J. K. Im Deutschen Theater bereitete gestern
(Sonnabendi das sturk miit Freunden des Amtore
durchsetzte Publikum dem neuen dreinttigen Schan
spiel Arthur Schnitlere: „Das Vermächt
niß“ einen sehr lebhaften Erfolg. Der leise
Widerspruch, der sich bemeelber machte, galt wohl
hauptsächlich dem Ueberschwang der Beifallspender.
die sich in lauten Zeichen der Zustimmung ge#
nicht genug thun konnten und von den Schwächen
nicht aber die interessaneste Person ###
des Werkes keine Annun zu haben schienen. D
Stückes,
#ist vielmehr das wackere Ober¬
Fichter nahm natürlich in Petion noch jedemlt
haupt dee Familie der Herr Professorder
die Hüldigungen entgegen.
Nationalökonomie Adolf Losatti, ein alter
Schnitzler ist ein stärkes und vornehmes Talent.
Poseur, der sich selbst und den Andern Komödie
das hat er auch in diesem neuen Schauspiel be¬
vorspielt, an dem jedes Wort und jedes Gefühle
wiesen Wieder ist's eine „Verhältniß=Komödie:
necht und dessen einzige wahre Empfindung des
aber der Verfasser ha###s verstanden, auch diesem
Egoicus ist.—
er für und wider Töni¬
von unseren Modernen so arg gemißbrauchten
redet,wwie
##er esie bulderals „Vater“ iebt
Thema eine neue Seite abzugewinnen. Er schilderi
und bald darauf herzlos verstößt, wie er
uns das „Verhältniß“
als ein Vermächtniß
den Tod des Sohnes und des Enkels aufs
an die Familie des beireffenden Fünglings. Vier
imut
das bildet die interessantesten“
Jahre hat der juinge Dr. für. Losatti hinter dem
Momente und den hauptsächlichsten Inhalt des
Rücken seiner höchst ehrenwertben Familie ein
Stückes. Daraus erhällt wohl zur Genüge, in
simiges Famikienkehen wit seinem Fräulein Frau
wescher Art Schnitzler seinen in den Grundzügen
und dem Bülchen geführt. Da verunglückt er
so sturk dramatischen Stoff behandelt. Daruuter
eines Toges mit dem Pferd# und wird sterbend
leidet auch die Glaubwürdigkeit der Handlung.
ins Haus seiner Eltern gebrocht. Von Todesahnen
Die volle und skrupellose Hingabe der Familien¬
ergrissen, gesteht er alles, dringt darauf, daß man
mitglieder an Toni erscheint ebenso bedenklich wie
die Geliebte und ihr Kindlein hole, und nimmt den
der rasche und brutale Umschlag in den Ei
Eltern das Versprechen ab. Mutter uund Sohn¬
wiedungen der Personen und die schleunige, lieb¬
dauernd in ihr Haus nehmen und für sie songen#lne Verabschiedung des Mädchens, das sich
zu wollen, als gehöre sie zur Fomilie. Man#
hen
erst durch seinen längeren Aufenthalt
füllt den Wunsch des Sterbenden, und im nächsten
iin Hause
als
gut und würdig erwiesen.
Akt sehen wir die arme Toni und ihr von allen! Betrachtst man aber das Schauspiel Schnitzlers
verhätscheltes Kind gewissermaßen als Mittel=Pani seinen Werth als dramarisches Stimmungs¬
pemkt der trauernden Famtlie Aber noch hat
bild, auf Gehalt an warmer Emspfindung und
Toni Schlimmeres zu erdulden. Auch sh# Rind
schönen Worten dann wird mun den gestern
wird ihr genomme und durch dessen Tod
#eivendeten Beifall einigermaßen begreiflich finden.
wendet
ih Geschick. Alles,wasn
Mit vornehm obgetönter Reglistik= schildert der
Gerechtigteitsgotühl. Milde und Edelmuth# si in
Autor Menschen und Dinge gerude in den kleinsten ?
den Familienmitgliedern regt, wird durch der
und intimsten Zügen ungemein scharz und
Wortführer der Odposition, den geschraubr#
lebensvoll,und einige Charaktere, so be¬
moralischen Hausarzi, in Grund und Boden ge¬
sonders der alte Herr Peofessor, sind in ihrer
rodet, und so giebt man schließlich zu, daß dieser
breiten, brächtig Iüahncirten Ausgestaltung wahre ?
wadkere Hern dem um Geliebten und Sohn trauernden
Meisterwerke dramatischer Charakteristif.
Die
Mädchen gerade heraus sagt, daß es das Hau¬
Sprache ist schlicht und natürlich, wird aber ie¬
verlassen müsse. Durch allerlei froundliche
##le absichtlich trivial und hält sich von der
Redensurten und materielle Versprechungen sücht¬
#ntaten Effetthascherei des modernen Naturalis¬
mmn dann der Behauernswerthen die bittere
##### völlig fern. Wer im Theater uur echte
Pilleetwäs
versüßen, aber Toni
Stimmung und treffliche Reden sucht und empfind¬
versteht, wie das im Grunde gemeint ist. Ver¬
same Frauen, die gern weinen — der wird in
zweifelt verläßt sie das Haus, und aus einem
dem „Vermächtniß“ Schnitzlers mit seiner tiefen
zurückgelassenen Zettel geht hervor, daß sie bestimme
Sontimentalität und seinem warmen Empfiden¬
entschlossen sei, dem Geliebten und ihrem Kinde
ein wahrhäft erhebendes Drama erblicken.
in den Tod zu folgen. Dem Hausarzt aber bringt
Schauspielerisch brachte der gestrige Abend dem
sein herzlöses Handeln keinen Segen, antrüstet und
Deutschen Theater wieder reiche Ehren. An erster
erkältetwendel die älteste Tochter des Hauses, Tonis¬
Stelle mnter den Darstellern ist diesmal Herr
wartte Fürsprecherin, sich von ihm und schlief
Reicher zu nennen, der die wunderbar

mit vielen warmherzigen und trefflichen Worten
zeichnete Figur des Professors dem Dichter meister¬
über das an Tou begangene Unrecht das Schau¬
haft nashcharakterisirte und die Gestalt zum
spiel ab.
#urigen Helden des Stückes machte. Frau
Schnitzler haf
er Handtung, die
Lehisian weinte und schluchzte als unglückselige¬
dur in großen Zügen andentete, ein Thema
Tom nelt hingebender Leidenschaft, Herr Ritmer
geschlügen) das wohl den Vort
#starb als ihr Geliebter eines sehr natürlichen
stroßen und bedeutsanten Bühiennen
den konnte.
Lodes. Den Noral predigenden Hausarzt stellte
Aiter der Sroff
Handon kein
Sa# trefflich gelungener Haltung där,
Trauie sondern ein altiges Stimmungs
ein, eine enragirte Vertheidigerin
bild geworden. Die Slung der vom Sohn
## Fräul. Dumont mit warmem Ton
der Famiealsmöchtniß hinterlassenen #
hafter Beredtsamkeit. Zwei empfindsame
Geliebten und ihre Angdes
dieser eigenartige
###eien fanden in den Damen Sarrow und
Vorwurf ga Schnitzter sicht die Gelegenheit
# sehr geeignete Vertreterinnen, ein kecker
einebewegten dramatischen
wicktung
Gymnastast in Frl. Elsinger eine recht muntere¬
nahm sie nur als Auregung #ntergrund iu 1 Vertreterin In den übrigen hervortretenden Rollen
breiter Stimmungsmalerei und ziefdeingender¬
zeichneten Frau Pöllnitz, sowie die Herrn von
Tharaktesstik einiger Figuren. Toni, die leidet Winierstein und Reinhärdt aus.
und buldet, ist wohl die eigentlic Heldin, (Fortsetzung von Kunst und Wissenschaftt im 3. Beiblatt.)