II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 136

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10. Das Vermaechtnis
Hennecnite Schirant „Der Herr Sektetar; der neueste Einatter von Nach einer ungewöhnlich schweren Fahrt ist Ende vorigen vorläufig in Omdur#
Alexander Bisson „Ein wilder Hase“ am Sonnabend in Szene gehen.] Monats in Philadelphia eine deutsche Bark eingelaufen. Die Blatte wurde darauf
im besonderen sagen: Seid gütig, ihr bürgerlichen Menschen, gegen
Das Vermächtnis.
das Kind muß aus
die Gefallene, die der Segen einer aufrichtigen Liebe, das Glück
enthüllt sich diese G
Deutsches Theater. Sonnabend, zum ersten Male: „Das
der Mutterschaft entsündigt hat! Schnitzler will die Gefallene der Liebe gestellt w
Vermächtnis“ Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
nicht mit einem Glorienschein umgeben; er will ihr
restlos als eine läche
Regie: Herr Lessing.
nur ein bescheidenes Plätzchen erringen in der bürger¬
das Schmerzenskind
Von der Höhe einer seinen, weichen Menschen= und Lebens¬
lichen Gesellschaft, er will sie ehrlich machen. Er will sagen: es giebt
Mutter her. Das W#
barstellung ist Artyur Schnitzler zum Theater hinabgestiegen. Er hat
in diesem Punkte keine bürgerliche Moral, es giebt hier nur Gefühls¬
jener kalte Moralego
trotz der Herbheit des Gegenstandes beim Publikum einen sehr starken
und Gemülsfragen. Treibt dann eure Hartnäckigkeit solch ein armes
er wird von seiner
und in seiner Art auch verdienten Erfolg gefunden; und das will viel
Ding ins Elend, so habt ihr eine Schuld auf dem Gewissen und ihr
langt, da es zu spch
sagen: Hätte ein schwächer gebildeter Techniker diesen Stoff vorgetragen,
seid Heuchler! Diese Tendenz war es, was dem Publikum so
scheinlich in den Tod
der zwei Tote und einen Selbstmordskandidaten ergiebt, die Leute
wohlgethan und nach den vielen Disharmonien des Stoffs schließlich
Familie verkündet dar
hätten vielleicht vorzeitig das Theater verlassen.
noch eine gewisse innere Befriedigung verschafft hat.
Herr Reicher,
Schnitzler hat, obwohl er seine Vertrautheit mit Ibsen und den
Die Gefallene ist nicht sehr stark charakterisirt; es wird viel von
Erfolg entgegenhalten
Ibsenianern ziemlich stark, allerdings nur im äußerlichen Sinne
ihr ausgesagt; in ihrem Wirkungskreis, ihrem Milieu wird sie uns
komischen Vater ganz
bekundet, diesmal im Wesentlichen ein Stück so recht nach der Kunst
nirgends gezeigt. Sie ist eigentlich bloß Versuchsobjekt; in
licherweise hat Schnitz
der Franzosen geschrieben. Das Stück hat nämlich didaktischen
malheureuser Verfassung nur sieht man sie. Das Mädchen wird als
noch immer Sympath
Geist, eine offen zur Schau getragene Moral, und ist recht rührsam
ein Muster unehelicher Treue geschildert; ihr Freund, dem sie ein Kind
alten Narren, der Lac
und in der Charakterzeichnung schematisch. Was ich vermisse, das
geboren, ist in der goldenen Wiener Lebejugend ein seltener Vogel.
mahnt, wenn er sich
ist die schöne intensive Herzenswärme Schnitzlers, die in „Liebelei“
Er hat nicht nur reelle Absichten; auch im Tode noch will er sie als
hat er aber ganz
dem Hörer so erquicklich einging; statt ihrer eine fliegende Hitze.
seine Ehefrau und ihr Kind als sein legitimes Kind gehalten wissen.
Vielleicht auch hat El
Was ich weiter vermisse, das sind die naiv gefundenen, anhaltenden
Sein Sterben füllt den ganzen ersten Akt aus, der gut studiert ist
ganz auf die bei##
Stimmungen, die in „Liebelei“ Akt für Akt uns brachte; statt ihrer
nach der Wirklichkeit und, wie der zweite Akt von „Musotte,“ als ein
himmlischen Moment:
die Spannung, die freilich da und dort der Stimmung täuschend
apartes Theaterstück gegeben werden könnte. Psychologisch ist er ohne
eine lächelnde Antwo
ähnlich sieht (weil der, der das Stück geschrieben, seine Künstlernatur
Belang für das Kommende.
Thränen nicht erwehr
nicht verleugnen wird), am Ende aber bleibt doch nur ein Konstruirtes.
Wie werden sich die Eltern mit diesem Vermächtnis“ abfinden,
war erschütternd;
„Das Vermächtnis“ also mutet an wie ein Stück französischen
welche Rolle wird das Mädchen im Vaterhause ihres Geliebten spielen?
Louise Dumont re
Geistes. Ich denke da weniger an Dumas und Sardou als etwa an Becque und
Das Kind wird eine Rolle spielen, sie aber gar keine oder höchstens
Preis eine unschuldig
seine „Raben“ oder an die Verfasser der „Dummen.“ Mit diesen
die Rolle des notwendigen Uebels. Die Frau des Hauses ist gütig
seichte Schwadronen#
Franzosen hat auch Schnitzler eine starke Dosis von Sozialsatire
und schwach, der Vater eine Mischung von Rohheit und Gutmütigkeit,
konnte
gewiß
gemein. Es wird nicht nur eine „Moral“ ausgesprochen, es wird
von Selbstsucht und Noblesse,
ein
Phrasenmacher und
Moralisten den Me¬
auch eine Lebenserscheinung an dem Maßstab der giltigen bürgerlichen
Philister
ein Geschöpf aus britter oder vierter Hand,
Dialektik, ein Prinziv
Moral gemessen, und höhnisch wird dann ausgerufen: Seht wie
ein bischen Hjalmar Ekdal, ein bischen Jordan. Die Tochter
die hinausblickt über
kläglich kurz ist dieser Maßstab!
ist ein Wesen, das zur freien Lebensauffassung möchte, aber zwischen
immer lebhafter ihr f
Die Moral vom „Vermächtnis“ heißt: Seid gütig! Schnitzler
den ängstlichen Eltern und ihrem Bräutigam, einem harten, ent¬
des „Vermächtnisses,
stellt hier mit Nachdruck ein Ibsenideal auf, das Prinzip der reinen
schiedenen Moralvirtuosen, hilflos dasteht. Auch eine Schwägerin
stimmungsvoll, zart, e
Güte, das Prinzip r Tante Julla in „Hedda Gabler.“
Er zieht kommt ins Haus, eine sogenannte aufgeklärte Frau und Raisonneurin.
Und man erhielt einen
sein sittliches Facit aus einem wohlkonstruirten Sinzelfall, und will! Das Kind, das ernste, bleiche, nie lächelnde Kind, wird geliebt, und Mensch wohl durchs i
checlauureiert