II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 140

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Sonnabend im „Deutschen Theater“ aufgeführt] freundlichsten Theilnahme würdig. Und so schließt sie bald
wurde, stellt sich Arthur Schnitzler noch entschiedener,
Freundschaft mit der Tochter und den Verwandten des
als mit seinen früheren Arbeiten, auf die Seite der
Hauses, unter denen besonders die Schwägerin ein
Zeitfragen=Dichter; sein Drama empfängt seine eigent¬
Typus gereifter, überlegener Menschlichkeit ist. Er¬
liche und innerste Bedeutung durch die Tendenz. Diese
leichtert wird diese allgemeine Verbrüderung und Ver¬
Tendenz bringt Schnitzler im großen Ganzen mit durch¬
schwisterung durch das Dasein des Kindes, in dem ja
aus künstlerischen Mitteln zur Darstellung, aber so stark
„das Blut“ des Verstorbenen fließt, und das selbst den
ist diese Kunst denn doch nicht, um der
Professor mit der „unerquicklichen" Lage versöhnt. Nur
Einer, der mit zum Hause zählt, der Hausarzt, der um
Tendenz das Gepräge einer gewissen Aufdringlich¬
die Hand der Tochter wirbt, beehrt die Fremde mit in¬
keit zu nehmen. In einer bestimmten Richtung be¬
brünstiger Feindschaft. Er hat sich aus den dürftigsten
deutet aber gerade die Schärfe und Entschiedenheit,
mit der Schnitzler diesmal sein Thema durchführt, einen
Verhältnissen heraufgearbeitet, und gerade deshalb ver¬
Fortschritt in der Entwicklung des Dichters. Bisher
tritt er die Grundsätze der Gesellschaft, in die
war Schnitzler, besonders in seinen Novellen, zu sehr
er mühevoll Eingang gefunden, mit äußerster
Wiener, d. h. es kam in seinen Dichtungen gerade
Es ergehi ihm, wie dem gemeinen
Strenge.
das am meisten zur Geltung, was der Wiener Kunst,
Soldaten, der besonders arg geschuriegelt wurde;
deren höchster und typischer Vertreter Grillparzer ist, an
sobald er Unteroffizier wird, wird er seinerseits
zum unerbittlichen Despoten. Lange wühlt der edle
Schwächen anhaftet. Wer diese Kunst auch nur ober¬
Doktor umsonst gegen den Eindringling. Aber da stirbt
flächlich betrachtet, wird als ihre kennzeichnenden Merk¬
das Kind, und dieser Tod lockert, wenigstens für den
male leicht die Lust an feiner Sinnlichkeit, an weichen,
Professor und die Professorin, das Band, das sie mit
zerfließenden Formen entdecken; der Zug ins Weibliche,
der Fremden verknüpft, mehr, als sie selbst sich ein¬
Schwelgende, leichtes Blut und wenig Mark, mehr
als „Aktivität“, das Alles
gestehen mögen. Ohne Schwierigkeit überredet der
„Rezeptivität“
stärker
Die Gemüthlichkeit tritt
Doktor jetzt die Beiden, daß sie das Vermächtniß des
unverkennbar.
Sohnes hinreichend erfüllt hätten; er habe seinem
hervor, als das Geistige, das Intime, Zarte, Stille
Kinde ein Heim schaffen wollen; nun dieses kein Heim
mehr, als das Heroische, und wenn in den niederen
mehr nöthig habe, falle jede Nöthigung fort, der
Gründen der Literatur sich leicht etwas Trottelhaftes
Fremden länger die Rechte einer Tochter zuzugestehen.
einmischt, so in den höheren oft eine gewisse Müdigkeit,
So entschließt man sich denn, die Verlassene mit Geld ab¬
eine Abspannung, die aber gern mit ihrer etwas kränk¬
zufinden und aus dem Hause zu entfernen. Sie aber wird
lichen Weise kokettirt. Ein solches Kokettiren mit deka¬
gerade jetzt durch diese Lieblosigkeit doppelt schwer ge¬
denten Stimmungen kommt auch in Schnitzlers früheren
troffen, denn sie bedarf in ihrer Vereinsamung mehr
Schöpfungen nur zu oft zum Vorschein. All sein Sinnen
als je der Theilnahme und ihr ganzes Empfinden
und Dichten drehte sich bislang um ein einziges Thema,
klammert sich an die Räume, wo sie Alles, was sie
um das sinnliche Verhältniß zwischen Mann und Weib,
liebte, in den Sarg hat legen sehen. Die Trennung
das aber durchweg mehr Liebelei, als Liebe war und
ist ihr unerträglich und so macht sie ihrem Leben ein
zumeist jenseits aller Ethik blieb. Auf den ersten
Ende. Der edle Doktor kommt aber um den Lohn
Blick könnte es scheinen, als ob Schnitzler
seiner Anstrengungen. Empört über seine Herzlosigkeit
auch in seinem jüngsten Drama von dem alten Thema
sagt sich die Tochter des Hauses, die er bereits Braut
nicht loskäme: Von der „Freien Liebe“ singt auch das
nennen durfte, für immer von ihm los. Mit dem
neueste Lied. Aber es handelt sich diesmal um Liebe
Worte: Wir haben sie (die Fremde) geduldet, aber wir
auf beiden Seiten, nicht um Liebelei, das sinnliche
hätten mehr thun, menschlich gut zu ihr sein
Element ist ganz bei Seite geschoben und eine tiefe
müssen — klingt das Drama ergreifend und be¬
Innerlichkeit an die Stelle getreten. Mit einer Herb¬
Seinen künstlerischen Werth empfängt
deutsam aus.
heit, die nahe an Erbitterung streift, führt der Dichter
das Werk vorwiegend durch die Charakteristik; besonders
sein Thema durch er nimmt energisch Partei, er offen¬
die beiden Männer, der Professor und der Doktor, sind
bart rückhaltlos sein Herz, während er früher seinen
meisterhaft gezeichnet. Eine Schwäche der Arbeit ist,
Gestalten und Stoffen entweder mit einer Art von
wie schon hervorgehoben, die Aufdringlichkeit der
ironischer Blasirtheit gegenüberstand oder sie allzu
Tendenz; sie verschuldet es auch, daß das Drama fast
empfindsam und wehmüthig behandelte. Schnitzler
ge¬
durchweg peinlich, mehr kraß als tragisch wirkt. Erst
wie es scheint, an Männlichkeit
ist,
im letzten Augenblick werden wir über das bloß Trost¬
wachsen, sein Schaffen ist nicht mehr so knochenlos,
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lose hinweggehoben. Trotz jener Peinlichkeit aber war
wie es in einzelnen seiner Novellen sich zeigt
die Aufnahme des Werks eine fast begeisterte zu nennen;
„wilde" Liebschaft, auf der das Drama sich aufbaut,
der Beifall hatte etwas von der Art einer sozialethischen
spielt sich nicht, wie sonst bei Schnitzler, vor unseren
Kundgebung. Dauerhaft sind freilich solche theatralischen
Augen ab; sie ragt nur noch als Erinnerung in das
Eindrücke nicht; dieselben Leute, die sich mit kräftigem
Stück hinein. Gleich von Beginn an hat diese Liebe
Händeklatschen gegen die „gesellschaftlichen Vorurtheile“.
alles Irdische abgestreift und sich zur Treue verklärt.
ereifern, so lange die Theatervorstellung währt, werden eine
Das erleichtert die Wirkung der Tendenz aufs Publikum,
Stunde später im Leben, wenn sich die Gelegenheit
verschiebt sie und verflacht sie aber auch ein wenig.
bietet, jene Vorurtheile selbst rücksichtslos bethätigen.
Mit einem Todesereigniß hebt das Drama an, gipfelt
Und es kann auch gar nicht anders sein. Was beweist
es und schließt es. Jeder der drei Akte führt an ein
schließlich ein einzelner Fall, besonders wenn er aufs
Grab, und so ist es kein Wunder, daß durch das
Künstlichste zurechtgestutzt ist? ... Zu der erschütternden
ganze Werk die beklemmende Stimmung geht, die über
Wirkung des Stückes trug die Darstellung ihr redlich
ein Trauerhaus gebreitet erscheint. Kaum hat sich die
Theil bei. Das „Deutsche Theater“ bot wieder einmal
Szene eröffnet, so werden wir an ein Sterbebett ge¬
eine Aufführung, die harmonisch, ausgeglichen in jedem
leitet. Der Sohn des Hauses, ein Liebling aller
Zuge, als Ganzes einfach das Zeugniß „vollendet“
Welt, seiner Familie, seiner Freunde und nicht
verdient. Rittner hatte nur die Aufgabe zu sterben,
zuletzt der Frauen hat sich durch einen Sturz
aber er starb musterhaft. Else Lehmann ist in
vom Pferde derartige Verletzungen zugezogen, daß
der Rolle des freiliebenden Mädchens schon eine
alle ärztliche Hilfe vergeblich erscheint. Der Sterbende
Art „Spezialität“ geworden; sie ist ganz Hin¬
ergiebt sich mit Gleichmuth in sein Geschick, soweit es
gebung, ganz „Seele“ in jedem Zuge. Lotti
nur seine eigene Person betrifft. Aber der Tod ist ihm
Sarrow, spart ihre Kraft etwas einseitig für
deshalb entsetzlich, weil er eine Geliebte und ein Kind
die Hauptmomente auf, in der Zwischenzeit giebt sie sich
hinterläßt, die an ihm den einzigen Lebenshalt verlieren.
eigentlich zu schlicht und einfach; aber da, wo sie ihr
Daher beschwört er mit den letzten Worten, die er noch
ganzes Können entfaltet, wirkt sie stets groß und
hervorzustoßen vermag, die Mutter, die sich trostlosen
bedeutend. Die Gestalten des Professors und des
Herzens über ihn beugt, jene beiden Verlassenen in ihr
Doktors verkörperten Reicher und Sauer ebenso
Haus zu nehmen. Die alte Frau, obwohl sie alle Vor¬
unübertrefflich wie bewundernswerth; das Bild, das
urtheile ihrer Gesellschaftsklasse theilt, hat doch in
Reicher gab, war als Ganzes aus einem Guß und in
diesem Augenblick kein anderes Empfinden, als das rein
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