II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 141

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Fortschritt in der Entwicklung des Dichters. Bisher
tritt er die Grundsätze der Gesellschaft, in die
war Schnitzler, besonders in seinen Novellen, zu sehr
er mühevoll Eingang gefunden, mit äußerster
Wiener, d. h. es kam in seinen Dichtungen gerade
Strenge.
Es ergeht ihm, wie dem gemeinen
das am meisten zur Geltung, was der Wiener Kunst,
Soldaten, der beinders arg geschuriegelt wurde;
deren höchster und typischer Vertreter Grillparzer ist, an
sobald er Unteroffizier wird, wird er seinerseits
Schwächen anhaftet. Wer diese Kunst auch nur ober¬
zum unerbittlichen Despoten. Lange wühlt der edle
flächlich betrachtet, wird als ihre kennzeichnenden Merk¬
Doktor umsonst gegen den Eindringling. Aber da stirbt
male leicht die Lust an seiner Sinnlichkeit, an weichen,
das Kind, und dieser Tod lockert, wenigstens für den
zerfließenden Formen entdecken; der Zug ins Weibliche,
Professor und die Professorin, das Band, das sie mit
Schwelgende, leichtes Blut und wenig Mark, mehr
der Fremden verknüpft, mehr, als sie selbst sich ein¬
„Rezeptivität“
als „Aktivität“, das Alles ist
gestehen mögen. Ohne Schwierigkeit überredet der
unverkennbar.
Die Gemüthlichkeit tritt stärker
Doktor jetzt die Beiden, daß sie das Vermächtniß des
hervor, als das Geistige, das Intime, Zarte, Stille
Sohnes hinreichend erfüllt hätten; er habe seinem
mehr, als das Heroische, und wenn in den niederen
Kinde ein Heim schaffen wollen; nun dieses kein Heim
Gründen der Literatur sich leicht etwas Trottelhaftes
mehr nöthig habe, falle jede Nöthigung fort, der
einmischt, so in den höheren oft eine gewisse Müdigkeit,
Fremden länger die Rechte einer Tochter zuzugestehen.
eine Abspannung, die aber gern mit ihrer etwas kränk¬
So entschließt man sich denn, die Verlassene mit Geld ab¬
lichen Weise kokettirt. Ein solches Kokettiren mit deka¬
zufinden und aus dem Hause zu entfernen. Sie aber wird
denten Stimmungen kommt auch in Schnitzlers früheren
gerade jetzt durch diese Lieblosigkeit doppelt schwer ge¬
Schöpfungen nur zu oft zum Vorschein. All sein Sinnen
troffen, denn sie bedarf in ihrer Vereinsamung mehr
und Dichten drehte sich bislang um ein einziges Thema,
als je der Theilnahme und ihr ganzes Empfinden
um das sinnliche Verhältniß zwischen Mann und Weib,
klammert sich an die Räume, wo sie Alles was sie
das aber durchweg mehr Liebelei, als Liebe war und
liebte, in den Sarg hat legen sehen. Die Trennung
zumeist jenseits aller Ethik blieb. Auf den ersten
ist ihr unerträglich und so macht sie ihrem Leben ein
Blick könnte es scheinen, als
ob Schnitzler
Ende.
Der edle Doktor kommt aber um den Lohn
auch in seinem jüngsten Drama von dem alten Thema
seiner Anstrengungen. Empört über seine Herzlosigkeit
nicht loskäme: Von der „Freien Liebe“ singt auch das
sagt sich die Tochter des Hauses, die er bereits Braut
neueste Lied. Aber es handelt sich diesmal um Liebe
nennen durfte, für immer von ihm los. Mit dem
auf beiden Seiten, nicht um Liebelei, das sinnliche
Worte: Wir haben sie (die Fremde) geduldet, aber wir
Element ist ganz bei Seite geschoben und eine tiese
hätten mehr thun, menschlich gut zu ihr sein
Innerlichkeit an die Stelle getreten. Mit einer Herb¬
müssen — klingt das Drama ergreifend und be¬
heit, die nahe an Erbitterung streift, führt der Dichter
deutsam aus. Seinen künstlerischen Werth empfängt
sein Thema durch er nimmt energisch Partei, er offen¬
das Werk vorwiegend durch die Charakteristik; besonders
bart rückhaltlos sein Herz, während er früher seinen
die beiden Männer, der Professor und der Doktor, sind
Gestalten und Stoffen entweder mit einer Art von
meisterhaft gezeichnet. Eine Schwäche der Arbeit ist,
ironischer Blasirtheit gegenüberstand oder sie allzu
wie schon hervorgehoben, die Aufdringlichkeit der
empfindsam und wehmüthig behandelte. Schnitzter
Tendenz; sie verschuldet es auch, daß das Drama fast
ist,
wie es scheint. an Männlichkeit
ge¬
durchweg peinlich, mehr kraß als tragisch wirkt. Erst
wachsen, sein Schaffen isi nicht mehr so knochenlos,
im letzten Augenblick werden wir über das bloß Trost¬
wie es in einzelnen seiner Novellen sich zeigt ... Die
lose hinweggehoben. Trotz jener Peinlichkeit aber war
wilde" Liebschaft, auf der das Drama sich aufbaut,
die Aufnahme des Werks eine fast begeisterte zu nennen;
spielt sich nicht, wie sonst bei Schnitzler, vor unseren
der Beifall hatte etwas von der Art einer sozialethischen
Augen ab; sie ragt nur noch als Erinnerung in das
Kundgebung. Dauerhaft sind freilich solche theatralischen
Stück hinein. Gleich von Beginn an hat diese Liebe
Eindrücke nicht; dieselben Leute, die sich mit kräftigem
alles Irdische abgestreift und sich zur Treue verklärt.
Händeklatschen gegen die „gesellschaftlichen Vorurtheile“.
Das erleichtert die Wirkung der Tendenz aufs Publikum,
ereifern, so lange die Theatervorstellung währt, werden eine
verschiebt sie und verflacht sie aber auch ein wenig.
Stunde später im Leben, wenn sich die Gelegenheit
Mit einem Todesereigniß hebt das Drama an, gipfelt
bietet, jene Vorurtheile selbst rücksichtslos bethätigen.
es und schließt es. Jeder der drei Akte führt an ein
Und es kann auch gar nicht anders sein. Was beweist
Grab, und so ist es kein Wunder, daß durch das
schließlich ein einzelner Fall, besonders wenn er aufs
ganze Werk die beklemmende Stimmung geht, die über
Künstüchste zurechtgestutzt ist? ... Zu der erschütternden
ein Trauerhaus gebreitet erscheint. Kaum hat sich die
Wirkung des Stückes trug die Darstellung ihr redlich
Szene eröffnet, so werden wir an ein Sterbebett ge¬
Theil bei. Das „Deutsche Theater“ bot wieder einmal
leitet. Der Sohn des Hauses, ein Liebling aller
eine Aufführung, die harmonisch, ausgeglichen in jedem
Welt, seiner Familie, seiner Freunde und nicht
Zuge, als Ganzes einfach das Zeugniß „vollendet“
zuletzt der Frauen, hat sich durch einen Sturz
verdient. Rittner hatte nur die Aufgabe zu sterben,
vom Pferde derartige Verletzungen zugezogen, daß
aber er starb musterhaft. Else Lehmann ist in
alle ärztliche Hilfe vergeblich erscheint. Der Sterbende
der Rolle des freiliebenden Mädchens schon eine
ergiebt sich mit Gleichmuth in sein Geschick, soweit es
Art „Spezialität“ geworden;
sie ist ganz Hin¬
nur seine eigene Person betrifft. Aber der Tod ist ihm
gebung, ganz „Seele“ in jedem Zuge. Lotti
deshalb entsetzlich, weil er eine Geliebte und ein Kind
Sarrow spart ihre Kraft etwas einseitig für
hinterläßt, die an ihm den einzigen Lebenshalt verlieren.
die Hauptmomente auf, in der Zwischenzeit giebt sie sich
Daher beschwört er mit den letzten Worten, die er noch
eigentlich zu schlicht und einfach; aber da, wo sie ihr
hervorzustoßen vermag, die Mutter, die sich trostlosen
ganzes Können entfaltet, wirkt sie stets groß und
Herzens über ihn beugt, jene beiden Verlassenen in ihr
bedeutend. Die Gestalten des Professors und des
Haus zu nehmen. Die alte Frau, obwohl sie alle Vor¬
Doktors verkörperten Reicher und Sauer ebenso
urtheile ihrer Gesellschaftsklasse theilt, hat doch in
unübertrefflich wie bewundernswerth; das Bild, das
diesem Augenblick kein anderes Empfinden, als das rein
Reicher gab, war als Ganzes aus einem Guß und in
mütterliche, ihrem Sohn das Sterben leicht zu machen,
den Einzelheiten überraschend reich an allerlei kleinen
und so verspricht sie ihm, seinen Wunsch zu erfüllen.
Lebenszügen. In den Nebenrollen leisteten Winter¬
Viel schwerer findet sich der Vater, der hochangesehene
stein und Dora Lux Vortreffliches; die Letztere, die
Professor der Nationalökonomie und Reichsraths¬
im „Neuen Theater“ wenig zur Geltung kam, scheint
abgeordnete, bereit, dem Sohn zu willfahren. Auch
sich durch die bedeutendere Umgebung alsbald zu regem
im Angesichte des Todes bleibt er der Egoist,
Wetteifer angespornt zu fühlen. Würdig und angemessen
der Alles dem Behagen seines Ichs unterordnet. Be¬
spielte Frau von Pöllnitz die Mutter, eine Rolle, die
kümmert jammert er: Was wird die „Gesellschaft“
künstlerisch nichts Eigenartiges bietet.
zu dem Unerhörten sagen? werden Hinzens und Kunzens
Heinrich Hart.
nicht sofort den Umgang mit uns aufgeben? und wie
können wir unserer Tochter, dem heranreifenden Mädchen,
Allerlei.
den täglichen Verkehr mit jener — Person zumuthen?
* Im Oktoberheft der „Deutschen Revue“ erzählt Ilka
Aber schließlich fügt er sich doch dem festen Willen
Horovitz=Barnay einige kleine Züge aus ihren Er¬
seiner Frau und er versteht es, sich diese Nachgiebigkeit
innerungen an Brahms.
Der Meister konnte
Virtuosen und Virtuosinnen absolut nicht leiden; vor den
sofort mit einigen Phrasen von liberaler Weltanschauung,
„entsetzlichen Pianistinnen“ nahm er Reißaus, wenn sie ihm
die jedes Vorurtheil überwinden müsse, als heroische
vorspielen wollten, und nur die eine Klara Schumann ließ
Thatanzurechnen. Die ganze Sache verläuft denn auch weit
er als „vernünftiges Frauenzimmer“ gelten. Er konnte
weniger aufregend, als der Professor befürchtete. Der
Virtuosen gegenüber sehr unangenehm werden. So fragte er
Sohn stirbt, seine Geliebte und sein Kind werden Haus¬
eine junge Pianistin, die ihn um Rath anging, ob
genossen. Die Fremde ist aber alles andere, als eine
sie in Wien konzertiren sollte: „Sind Sie schon ganz
leichtsinnige Sünderin, sie erscheint in jeder Hinsicht der vorbereitet?" — „Gewiß, lieber Meister. Darf ich etwas
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