II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 173

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10. Das Vermagchtnig
wogen und hat seine Ergießungen, seine Stürme.
eit
erwiderte, in die Höh' springend und lachend: scheinen, daß auch in der Sprache des täglichen
Dann aber ist das Herz auch noch ein Sammel¬
Lebens das Herz eine Bedeutung gewonnen hat,
„Heut' schilist Du mich nicht, daß ich unter dem
nach der es gradezu als ein Schooßkind der Um¬
und Stapelplatz für alle möglichen Dinge. Was
Baum bin, und doch zieht da eine Wolke, daraus
gangssprache erscheint. Ja, es lassen sich unter
hat ein Mensch nicht Alles in sein Herz geschlossen!
ein Blitz fahren könnte.“ Kinderhafter Uebermuth
Zugrundelegung dieses rein linguistischen Stand¬
Maucher trägt das Bild der Geliebten, mancher die
war's, nur ein rosiges Wölkchen stand am Himmel;
punktes That achen für dieses edelste der Organe
Hölle im Herzen. Wie Vieles liegt uns am
nach kurzem Schweigen sagteer: „Solies, Elfrun.“
beweisen, die sogar die mittelst der epochemachenden
Herzen, kommt vom Herzen! Ein Jeder hat schon
nb
Nun schüttelte sie den Kopf: „Wozu? Nur ein
X=Strahlen gewonnenen Resultate auf dem Ge¬
etwas auf dem Herzen gehabt. Vieles ist so
ts=! Einfall von mir war es, was geht mich die Tinte
biete der Anatomie und Pathologie weit hinter sich
de
schwer, daß man meint, es nicht über das Herz
auf dem Blait an? Ich habe Dich wieder, wie
lassen und die daher selbst den beherztesten Physio¬
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bringen zu können; gelingt es dennoch, so fällt ein
eine Ewigkeit ist's mir, daß ich Deine Hand nicht
logen einigermaßen verblüffen durfien.
gehalten —“
Stein vom Herzen.
Wie mannichfach nehmen sich unter dem ange¬
Nach diesen Erörterungen würde sich schließlich
Sie griff nach dieser, setzte hinzu: „Du bist
deuteten Gesichtspunkte zunächst die rein physi¬
die Frage lohnen: „Wo liegt das Herz?“ „In
sonderbar, hast Du mich nicht mehr lieb?“
kalischen Zustände des Herzens aus. Denn abge¬
der Brusthöhle natürlich!“ ruft der Leser herzhaft,
Seine Augen antworteten stumm und sie rief
sehen davon, daß das Herz bald leicht, balb schwer
und ist geneigt, herzlich zu lachen, wenn wir be¬
schalkhaft: „So zeig's mir doch!“ Dazu hob sie
ist, stellt es sich selbst in den verschiedenartigsten
haupten: „Das hängt von den Umständen ab.“
en
sich auf den Zehen und ihre Lippen ihm entgegen,
Viele Dichter haben z. B. behauptet, in den Augen
Aggregatszuständen dar: da giebt es harte, starre,
us
die er nun küßte, aber merkbar wollte er sie nur
liege das Herz. Wir fügen erweiternd hinzu:
steinerne, ja eiserne, auch spröde Herzen. Sie
leis berühren. Doch ausführen konnt' er's nicht,
en
dürften sämmtlich den festen Körpern zuzuzählen
Manche, und nicht die Schlechtesten, tragen ihr
denn sie hielt ihn wie gestern, und ihre Lippen
sein, von denen die weichen Herzen einen allmäh¬
Herz — auf der Zunge; das sind namentlich Die¬
tauchten in die seinen, bis ihr der Athem verging.
lichen Uebergang zu dem feuchten Elemente bilden.
jenigen, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube
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Da ließ sie, nach Lust ringend, ab und lachte:
Dieses ist vertreten durch die überquellenden und
zu machen pflegen. Weniger beneidenswerth sind
„Mein neues Recht lasse ich mir nicht wieder
Diejenigen, denen das Herz in — die Schuhe ge¬
zerschmeizenden Herzen und solche, die zerfließen.
nehmen, das bedenke Tir vorher, eh' ich Deine
Daß das Herz sogar Feuer zu fangen vermag, be¬
follen ist. Das ist zwar schon eine bedenkliche Er¬
Frau werde.“
rz
scheinung für den Pathologen, gegen die die Eng¬
Auch er schöpfte einmal tief Athem, dann wieder= weisen die entsündlichen Herzen, die je nach den
Umständen sich als lodernde, slammende oder
herzigkeit, sowie gewisse Herzensneigungen harm¬
en
holte er: „Nun lies — es geht Dich doch an.“
ch
brennende Herzen offenbaren. Diese Thatsachen
lose Kinderkrankheiten zu nennen sind; was aber
Und sich rasch danach abwendend, ging er zum
führen unmittelbar zur Temperatur des mensch¬
soll man sagen, wenn sich das Herz ganz auserhalb
Hause zurück. Eine kurze Zeit lang hielt er von
hier aus den Blick nach ihr hinüber gerichtet, sie lichen Herzens, die durchaus nicht immer 36—.
des Organismus befindet! Daß dies vorkommt,
beim Lesen zu heobachten. Aber dann setzte er sichs 39 Grad zu betragen braucht. Vielmehr ist auch
beweisen Leute, die ihr Herz zum Schaden ihrer
selbst an unnntze Dinge hängen, oder die eschnöde
in einen Winkel der Stube und bedeckte sein Gesicht! da ein allmählicher Uebergang von den eisigen und
kalten Herzen zu den warmen, heißen, feurigen und
verkaufen, vertauschen oder großmüthig verschenken.
mit der Hand.
un
Und last not least — wie manches junge Mädchen
glühenden Herzen zu verzeichnen.
So saß er wartend, lange, ohne sich zu bemegen.
In physiologischer Beziehung verdient in erster
hat sich durch einen verschmähten Liebhaber in den
un
wohl über eine Stunde. Doch er hatte tein Gefühl
Linie die Thätigkeit des Herzens besondere Be¬
min
Ruf bringen lassen, überhaupt kein Herz zu haben!
der Zeit gehabt, erkannte es erst, als er, die Hand
Du
Vielleicht thut man ihr Unrecht. Ja, wir zweifeln
achtung. Ihr Zweck ist zwar zunächst, den
herabziehend. wahrnahm, um wie viel abendlicher
Kreislauf des Blutes im Organismus zu bewerk¬
nicht, das, wenn der Rechte kommt, es ihr gelingen
ner
es aeworden sei. Noch ein paar Atbemzuge ver¬
stelligen. Was aber tout das rührige, nimmer
wird — ihr Herz zu entdecken.
harrte er in seiner Stellung; danach stand er auf
rastende Herz nicht sonst noch Alles! Es pocht —
und trat vor die Thür. Sein Blick ging nach dem
vor Angst, dürstet — nach der Liebe eines anderen
Host Platz, wo er Elfrun verlassen, aber das Laubdach
Herzens, es schmachtet — vor Sehnsucht, jauchzt
des Baumes breitete sich über eine Leere, sie saß
ge¬
vor Entzücken, hüpft — vor Freude und bricht —
Aus den hauptstädtischen
nicht mehr dort.
vor Kummer. Immer aber klopft und schlägt es
(Fortsetzung folgt.)
— also Vorsicht!
Ghenlen.
Frun
Was ist das Herz? Ein faustgroßer, hohler,
schen
(Nachdruck verboten.)
kegelförmiger Muskel ... sagen die Gelehrten und
ie.
Das Spiel auf unseren weltbedeutenden Brettern
vergessen, daß es noch so manches Andere sein
[Die Sprache des Herzens.
ist im vollsten Gange. Das gesammte theatralische
kann: bald ein Juwel, ein Edelstein, bald ein
Plauderei von Dr. Max Flohr.
Frachtgut, unter dem sich ja wohl auch manches
stilles Kämmerlein, zuweilen ein Buch mit sieben
wirklich dramatische Stück finden dürfte, ist ver¬
(Nachdruck verboten.)
Siegeln, immer ein Meer in der Brust seines Be¬
laden und auf die einzelnen Bühnen vertheilt
sitzers. Denn wie jenes hat es seine Oberfläche,
Wenn man das Herz als den eigentlichen Mittel¬
Schauspieler, Regisseure sind in athemloser
seine Tiefen, seinen Herzensgrund, verborgene
punkt des animalen Lebens den Sitz der Seele ge¬
Spannung und in fieberhafter Thätigkeit — nicht
Schätze hegend. Manche Herzen sollen unergründ¬
die nannt und damit die Welt der Gefühle in die
auf, Brusthöhle verlegt ho“ lo wird es erklärlich er= lich sein. Wie das Meer vermag das Herz zu minder aber auch die gesammte literarische Kritik.