II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 175

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10. Das Vernaechinis
ptstapelplatz fürzarte Kindchen Franz auch das Zeitliche segnet, die Weisen, den Text und die Herren Verfasser! Interesse an den scenischen Vorgängen sichtlich
steigert. Herr Schnitzler hat' in seinem Stucke
nachgrade schon auswendig, so daß die ganze bis
u. Allein schon steigert sich die Schwierigkeit für Toni Weber im
gewisse Seiten des in vielen gesellschaftlichen
Hause Losattis bis zur Unleidlichkeit. Tas arme
ins Kleinste ausgeführte Seelenmalerei schon be¬
ndis. Der Be¬
Kreisen unserer Zeit weit verbreieten Empfin¬
Weib soll, namentlich auf das Betreiben jenes
denklich langweilig zu werden beeinnt. Geläugnet
Wahl. Soll er
dens angeschlagen, und er hat dadurch einen
Doctors hin, aus dem Hause geschickt werden. Ein
soll indessen auch nicht werden, daß sich die Ge¬
Muster, oder soll
starken Widerhall unter den Zuhörern hervorzu¬
Versuch, den die Schwägerin Losatiis, eine ver¬
sammtkünstlerschaft des Deutschen Theaters auf
ntscheiden? Aus
rufen vermocht. Wir haben es somit in diesem
wittwete Frau Winter, macht, um Toni bei sich
diese sogenannte naturwahre Spielweise ganz
reist man sich die
„Vermächtniß“ mit einem Bühnenstücke zu thun,
meisterlich versteht, wenngleich es den verehrlichen
aufzunehmen, scheitert an dem Widerstande der
und folgt Herrn
dessen scenischer Aufbau, dessen scenische Entwick¬
Tochter eben dieser Wittwe. Im dritten Acte
Herrschaften nicht schaden könnte, wenn sie mit
ichter des famosen
lung kaum eine Spannung hervorbringt, dessen
der Verwendung der Pausen beim Sprechen er¬
geht Toni ins Wasser, der Dr. Schmidt aber erhält
Liebelei“. Dieser
Personen jedoch, um ihrer selbst willen, ein nicht
heblich sparsamer umgingen. Mit diesen Sprech¬
durch die über sein Benehmen gegenuber der
Wie ganz besondere
geringes Interesse erregen. Herr Schnitzler
pausen auf der Buhne verhält es sich genau so,
armen Tomi auf das Aeußerste empörte Franziska,
lichen Elementen
nimmt in diesem seinem neuesten Bühnenwerk den
wie mit den Gedankenstrichen beim =Schreiben.
die Schwester des verunglückten Hu#o, den Lauf¬
E bühnengemäß zu
Anlauf zu einem Satiriker. Es ist ihm blutiger
Mit Vorsicht und mit Discretion angewendet
paß. In jedem Acte eine Leiche, im zweiten sogar
genannten „süßen
Ernst mit seiner Behandlung eines ganz be¬
kann solch ein Gedankenstrich eine außer¬
eine Kindesleiche — und doch keine dramatisch
und die zu ihnen
stimmten socialen Stoff ebietes. Die Heldin des
ordentliche Wirkung hervorbringen. Allein der
entwickelte, das heißt keine mit Nothwendigkeit von
guten Häusern.
Stücks, die Geliebte des verunglückten Professor¬
verschwenderische Gebrauch derartiger Kunstgriffe
der bloßen Auf¬
innen heraus entwickelte Handlung. War es denn
sohnes, betrachtet sich gar nicht als die Schuldige
nothwendig, daß der vierjährige „Bubi“ an einer
stumpft ihre Wirkung ab und fordert gradezu
auf seinen Inhalt
gegenüber der herkömmlichen gesellschaftlichen
unheilbaren allgemeinen Schwäche starb? An und
unsere Spottlust heraus. Wer in Gedankenstrichen
de mit Sicherheit
Sitte. Sie erscheint nicht einen Augenblick als
herumwühlt oder in Kunstpausen sich überbietet,
für sich nicht. Allein das arme Würmchen mußte
Arthur Schnitzler
die „Gefallene“; ihr im freien Liebesbunde er¬
der bezeugt nur Eines, daß er wirklich keine Ge¬
zu Grunde gehen, weil Herr Schnitzler auf diese
emindeste Ueber¬
zeugtes Kind gilt von voruherein gar nicht als mit
Weise Gelegenheit fand, die Erhärmlichkeit danken und keine Empfindun en hat. Es wäre
halver einen Blick
dem Stigma der „unehelichen“ Geburt behaftet.
der Gesinnung eines durchaus hoblen und denn, man käme dahin, in der erzwungenen Wort¬
mneuesten Stück
Es ist als selbstverständlich „legimitirt“ in die
losigkeit den eigentlichen kunstlerischen Empfindungs¬
inigen Tagen auf
albernen Professors und eines schurkischen Arztes
Familie des Professors ausgenommen, und die
ausdruck gelten zu lassen.
uns zu demonstriren. Ist das aber in Wahrheit
rt wurde, dann
Mutter dieses überzarten Geschöpfchens spricht es
Aber es läßt sich anderseits nicht in Abrede
ein verständliches Motiv für den Tod eines un¬
, daß sich die Ge¬
denn auch ganz unumwunden aus: „was unter¬
schuldigen Kindes? Sieht man von diesen em¬
stellen, daß man den scenischen Vorgängen, die,
ihr Kind Fronz
scheidet mich denn von den Andern — hätte ihm
pfindlichen Mängeln in der Anlage des Stückes
vom bühnentechnischen Standpunkte aus betrachtet,
der Dr. jur. Hugo
eine Frau denn ein höheres Glück bereiten können
gar nichts Spannendes haben können, weil man
und von der Dürftigkeit der dramatischen Fort¬
Wohnung gebracht
als ich?“ Man sieht, daß es dem Dichter ganz
ja Alles mit der größten Bestimmtheit vorherzu¬
bewegung ab, dann kann man dem Dichter die
Mutter seine pre¬
verteufelt ernst ist um seine Problemsbehandlung.
ahnen vermog, dennoch mit einer gewissen inneren
Anerkennung nicht versagen, daß die in dem Stücke
ibst dem naibsten
Daß alle Betheiligten die unbedingte Richtigkeit
Antheilnahme folgt. Der Grund liegt unseres
##iletenden Personen mit einer, man möcte
Zweifels und 1er
der Beweggründe dieser Toni Weber anerkennen,
Dafürhaltens in dem Umstande, daß von den ein¬
### pholog, aphiichen Lebenstreue wiedergegeben
Site Problem selbst
daß sie aber andersens aus ihren herkömmlichen s.
zelnen Personen im Stück gelegemlich Fragen ge¬
sind. Auch die satirischen Womente, wie soiche
In diesem Um¬
Gesellschaftsanschauungen nicht herauskommen
streift werden, die so zu sagen innerhalb des
sich in den Figuren des Professors und des Arzees
fürhaltens der
können, eben weil diese Betheiligten zu den Alltags¬
moralischen Gesichtsfeldes unserer Zeitgenossen
Stückes. Dieser
zeigen, entbehren der Wirkung auf den Zuhörer
philistern gehören, und daß aus diesem Mißver¬
liegen. Namentlich dürste es unter den Zu¬
nicht. Aber wan kommt beim besten Willen nicht
ng auf die Ent¬
hältniß zwischen Empfindung und folgerechtem
schauerinnen eine sehr große Anzahl geben, die in
über die Armseligkeit in der Erfindung hinaus.
Problems soll nun
Hande“; für die berlagenswerthe Toni Weber nur
ihren inneren Empfindungen vielfach mit d##en
Es ist zu wenig dramatische Bewegtheit und zu
iche Breite ersetzt
der einzige Ausweg offen bleibt, darin liegt unseres
übereinstimmen, welchen die weitaus interessanteste
viel Stimmungsmolerei, zu viel Beobachtungs¬
rgänge innerhalb
Dafürhaltens die bittere Satire auf gewisse gesell¬
Frau im Stücke, nämlich die verwittwete Frau
kram. Herr Arthur Schnitzler verfügt nur
ugo Losatti veran¬
schaftliche Zustände. Diese Absicht, ein grelles
Emma Winter, einen oftmals bis zur schärfsten
über eine äuserst geringe Zahl Modelle. Er be¬
er und ihr Kind
satirisches Schlaglicht auf die landläufige gesell¬
Rücksichtslosigkeit gehenden Ausdruck verleiht.
wegt sich in einem zu engen Gesellschaftskreise, es
e des Professors
schaftliche Moral oder besser gesagt, auf die land¬
Diese vollreise Wittwe mit ihren klugen, offenen
ist daher unausbleiblich, daß seine Typen immer
ie Familie erfullt
läufige gesellschaftliche Heuchelei und auf die unter
Augen, der anständigen Gesinnung und jener un¬
von Neuem in seinen Stücken uderkehren. Das
den gegebene Ver¬
dem Gewande crassester Selbstsucht sich versteckende
befangenen Auffassung menschlicher Verhältnisse,
muß schließlich auch den Geduldigsten ermüden.
eine Tante Hugos
sogenannte äußerliche Wohlanständigkeit — re¬
Von dieser Eintönigkeit in dem dichterischen Proceß die das Eriebniß von Lebenserfahrung und
erze verzweiselten
spectability, wie die Engländer sagen — fallen zu
muß ganz naturgemäß auch der Tarsteller beein= nüchterner Ueberlegung zu sein pflegt, kann als ein
Nur der Haus¬
lassen, hat der Dichter vollständig erreicht. Der
Typus für die in manchen Frauenkreisen sich durch¬
flußt werden. Es sind immer wieder in der
Schwiegersohn des
dramatische Aufbau ist indessen in vielen Hinsichten
dringende Anschauungen gelten. Es spinnen sich
Hauptsache dieselben Menschen und die gleichen
seinem moralischen
verfehlt, denn er ermangelt der innerlichen Noth¬
allerhand Empfindungsfären zwischen dieser Frau
Situationen. Alles wird zuletzt in diesen ver¬
ß die ehemalige
auf der Bühne und den Frauen im Zuschauer¬
wendigkeit in der Entwicklung. Herr Schnitzler
meintlich „naturwahren“ Stücken schablonenhaft
de in der Familie
hat dem Zufall zu vielen Spielraum innerhalb der
unden hat. Als — die Sprache der handelnden Personen ebenso räume. Das merken a#er auch die Männer, und
zweiten Actes das wie die stilvolle Zimmereinrichtungen. Man kennt daher kommt es, daß sich das psychologische dramatischen Construction offengehalten. Das
#er ist stets ein Fehler, man ag im Uebrigen
eden Anhängern der alten oder der neuesten
Torischen Richtung zählen.