II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 190

10. Das Vernaechtnis box 16/3
verunglückt beim Reiten und wird mit zerschmetterten! herve
Gliedern in das Haus der entsetzten Eltern ge¬
Lessir
bracht. Vor dem Sterben gesteht er, daß er eine
Pate
Geliebte und ein Kind hat, und verlangt, als
zurüc
sein Vermächtniß, daß Beide in das Haus der
würd
Eltern aufgenommen werden. Der Voter, ein schwatzen¬
lich d
der alter Narr, will davon nichts wissen, aber die gut¬
Actes
müthige Mutter und die Schwester willigen ein, und
die ei
mit dem Tode des Unglücklichen zieht der unerwartete
beweg
Familienzuwachs in das Haus ein. — Im zweiten Act
Ueber
finden wir die Geliebte des Sohnes. Toni Weber, und
marki
ihr Kind mitten in der Professorenfamilie wieder. Man
behandelt sie freundlich und schonend, aber die ganze
menti
Liebe wendet sich doch ihrem Kinde zu, dem herzigen
an
Bubi. Das Bubi wird als die eigentliche Hinter¬
Thea
lassenschaft des Todten angesehen und die Mutter darf
Albin
so mit nebenbei ihren Theil an dem „Vermächtniß“
Stub
haben. So wäre Alles schön und freundlich, wenn
Adoli
der Dichter nicht auf einen tragischen Conflict hin¬
die B
arbeitete. Für diesen Zweck aber giebt es nur ein
war
Mittel: das Bubi muß weg. Und richtig, mitten im
Regie
zweiten Act wird das Kind urplötzlich krank, ohne
gegal
daß uns ein Mensch gesagt hätte, warum und wieso,
zweit¬
und wenige Minuten später läßt der Autor
sich
das arme Wesen hinter der Scene sterben. — Im
mehr
dritten Act ist dann, wie vorauszusehen war, die
Familie der ganz Verwaisten gegenüber herzlich kühl
und weist ihr unter einem Schwall salbungsvoller
Worte die Thür. Die arme Toni aber geht ins
jedes
Wasser.
dürfe
Wenn wir aus früheren Arbeiten Herrn Arthur
einige
Schnitzler nicht als einen hochbegabten Dramatiker kennen
Wer
würden, aus dieser windschiefen, man kann sagen plumpen
nichts
Arbeit würden wir seine Begabung nicht erkennen.
in A
Stellenweise kam es uns gestern vor, als hätten wir
sicher
iher einen guten Roman vor uns, der für irgend
weiter
eine Gelegenheitsaufführung zurechtdramatisirt wäre.
ihrem
Und zwar von unberufenen Händen dramatisirt. Denn
einer
die Kindlichkeit der dramatischen Mache, das Ungeschick im
Und
scenischen Aufbau ist beleidigend und muß Jedem in
zeigte
die Augen fallen. Die Personen treten auf und gehen
einer
ab, ohne daß wir wissen, warum; ohne irgend welche
der ji
Action, ohne Bewegungsmotiv versammeln sie sich
vor uns, stellen sich um den Souffleurkasten
komm
auf und discurriren unaufhörlich. Wer nur ein
die a
bischen genau aufpaßt, der faßt in den ersten Worten
dientee
des zweiten Actes die Idee des Dichters und
noch
sieht von da ab das Stück klar vor sich
daß
liegen. Er weiß, daß das Kind, das da noch Piani
ganz gesund vor ihm herumläuft, binnen zwanzig
um ei
Minuten sterben muß, daß die Familie zu der Ver¬
werde
lassenen mit jedem Wort kühler werden wird, und das
mit n
einzige Ungewisse bleibt, ob Toni Gift nimmt oder ins
Wasser geht. Von zwei Prämissen ausgehend, hat
Stim
Herr Schnitzler sein Problem mit akademischer
genoff
Exactheit gelöst, er hat eine „elegante Lösung“
imme
geliefert, um ein Wort der Mathematik zu ge¬
sie be
brauchen. Aber das Leben ist weder akademisch,
daß s
noch elegant, noch kennt es dauernd geltende Prä¬
Sing
missen; es geht unruhig auf und ab, schöpft aus
Unfie
tausend Quellen neue Kraft und fluthet breit und
natür
regellos daher. In Schnitzlers Werk ist auch nicht ein
milw
Hauch dieses freien, gesetzlosen Lebens zu spüren, es
in ih
ist ein kalt erklügeltes Problem, das ertödtend lang¬
Elem
weilig anmuthet, trotz mancher Feinheiten des Dialogs,
Sin
trotz der gelungenen Charakteristik, die einen gewiegten
Blai
Literaten verräth.
samm
Daß das Werk gestern Abend nicht langweilig
Gesch¬
wirkte, hat Herr Schnitzler lediglich den Dar¬
an K
stellern des Deutschen Theaters zu verdanken. Fräulein
Inter
Else Lehmann gab das gedrückte, stille Weh
folgt
der Rolle der Toni Weber mit erschütternder Schlicht¬
der m
heit wieder. In der Figur des alten Professors kari¬
lich 1
kirte Herr Reicher vielleicht stellenweise etwas zu viel,
läßt.
aber im Ganzen faßte er diese lebensfähigste Rolle
Beseel
des Stückes richtig auf. Die Damen Pöllnitz,
Kuni
Dumont, Sarrow, Lux, die Herren Sauer
nicht
und Rittner hatten in mehr oder minder farblosen
Intell
Rollen zu wirken und gaben dem Stück Leben und
den 2
Wahrscheinlichkeit.
Evoli
V. A.
deeses
nicht
Philipp Langmanns dreiactiges Schauspiel
regen
„Bartel Turaser“ das im December vorigen Jahres
das
zuerst im Lessing=Theater zur Aufführung gelangte
zulöse
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