II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 214

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10. Das Vernaechtnis

Kne koneser Sewisheit bestehen iüdessen sehr starte Zweifel. bausen des neuen Babnhofs thätigen Maurer mußten sich ohne
enso Herr v. Witte hat eine offene Hand nur für russische und Besinnen flüchten, um dem sie bedrohenden eisigen Bade zu
wohl auch ausländische Zeitungen, welche speciell seine entrinnen. Die Zerstörung der begonnenen Bauten war
gen tragen sein würde und daß allein in den Schulen des geschwelgt, tritt schwer und ernüchternd das Grau der
348 Deutschen Reichs jährlich über 16,000 Schüler Unterricht Thedrie zur Seite. Eine spitzfindige Spekulation giebt den
ier in seiner Kunst erhalten, obwohl der größte deutsche Staat, Grundton an. Der Poet von früher ist zum Tendenz¬
Er Preußen, sich ihr noch verschließt? Wer hätte ferner ge= dramatiker geworden und vor den Aufdringlichkeiten der
von ihm gepredigten Gesellschaftslehre suchen die graziösen
imdacht, daß die Stenographie noch ein Rüstzeug im Kampfe
Elemente seiner Kunst ihr Heil in der Flucht. Er begnügt
zen ums Dasein auch für das weibliche Geschlecht werden
sich nicht damit, schlicht und wahr nach dem Leben zu
en=würde?
zeichnen und durch die Treue seiner Gestaltungskraft über¬
Freilich hat dieser Siegeslauf der Stenographie auch
die
zeugend zu wirken, sondern schwingt sich auf zu einer Art
rat, noch eine weitere Folge gehabt, das Entstehen zahlreicher
socialreformatorischer That und sucht in ausschweifender
eten anderer Stenographie=Systeme. Aber während diese zum
Redseligkeit für seine neuen Moraltheorieen Propaganda
hig= Teil umwälzenden Wandlungen unterlagen, hat sich die
zu machen Und diese bedeuten in ihren letzten Zielen
nen Schöpfung Gabelsbergers einheitlich weiter entwickelt und
nichts mehr und nichts weniger als den Umsturz der
nd= steht nach Verbreitung und Leistungsfähigkeit auch heute
Familie, jener durch Religion und Sitte geheiligten
des noch obenan. So dürfen am 50. Gedenktage seines
Institution, die in ihrem geschlossenen Gefüge seit Jahr¬
lbst Todes stine Jünger von ihm sagen:
tausenden zum Fundament unserer gesamten Staats= und
O Du, so schlicht und so bescheiden,
Ar¬
Gesellschaftsordnung geworden. Soll sie auf die Dauer
Wie Dein gesamtes Wirken war,
iten
widerstandsfähig und uns als Kulturelement erhalten
ber
Daß heut Dein Aug' sich könnte welden
bleiben, so muß sie sich gegen Ueberläufer aus
Am Anblick Deiner Jüngerschar!
Der
Der Anblick würde Dir versüßen
Im
sentwinig von ieder sintichen Gemetaschaf ui ür aus.
its¬
All Deiner Kämpfe bitt'res Müh'n;
geschlossen haben. Das mag hart, das mag beklagenswert
ach
Vergieb, daß wir so spät Dich grüßen
sein, ist aber einfach ein Gebot der selbsterhaltenden
en,
Mit Kränzen, die Dein Grab umblüh'n.
Notwendigkeit. Schnitzler ist im „Vermächtnis“ anderer
ich
Ansicht. Er fordert für die Maitresse des Sohnes wie für
und
deren Kind klipp und klar einen Platz im Kreise der Familie.
no¬
Kleines Feuilleton.
Und um dieser Forderung einen erhöhten Nachdruck zu
gein
verleihen, formuliert er sie aus dem Munde eines Sterbenden,
Frankfurt a. M., 3. Jannar.
an
macht er sie zum „Vermächtnis“ eines Toten, der eine
= Schauspielhaus. Zum ersten Male: „Das
noch[Vermächtnis.“ Schauspiel in drei Akten von Arthur ganze Reihe von Jahren hindurch die Freuden eines
illegitimen Genusses skrupellos durchgekostet, ohne auch
hilde Schnitzler. — Der Wiener Poet, der mit seiner „Liebelei“
nur einen Augenblick auf den Gedanken zu kommen, die
sich auch die Sympathieen des deutschen Nordens erobert,
im
Mutter seines Kindes auch vor der Gesellschaft zu seinem
fühlt sich am wohlsten an der Seite jener „süßen kleinen
bind,
Weibe zu machen und damit stolz sich zu jenem Mute zu
sohn Mädels“, die abseits der Gesellschaft ein vergängliches
bekennen, den er beim Scheiden aus einem lustig verlebten
Glück gefunden und der Welt zum Trotz ein Stückchen
s im
Dasein von den ihm Hinterbliebenen seige verlangt.
Sonnenschein für ihre kleine Armseligkeit haschen und
heitet
Glaubt Schnitzler denn allen Ernstes an die Möglichkeit
halten wollen. Sein Herz fühlt mit den Gefallenen und
einer Erfüllung solch billigen Wünschens? Oder gelüstete
für ihr sündiges Lieben hat sein Mund ein verzeihendes
e der
es ihn nur, Unmöglichkeiten des Lebens auf der Bühne
ver=Lächeln. So gewannen wir ihn lieb, den Mann, der uns
gestalten? Das wäre ein Mangel an
beweiskräftig zu
so manches verstehen gelehrt und in harten Herzen das
ß sie
sittlichem Ernste, der mit künstlerischem Unvermögen Hand
der,“ Mitleid für die Enterbten des Glückes zu erwecken
in Hand ginge. Denn sein neues Theaterstück ist ebenso
gewußt. Gewiß, die Kunst Schnitzlers wurzelt auf
1 den
dem Boden eines dekadenten Empfindens und die morsch im technischen Aufbau, wie hinfällig in seiner social¬
einen
revolutionären Tendenz. Ein Minimum von Handlung wird zu
allen ihren
einer bürgerliche Korrektheit wird nicht zu
einem den Abend füllenden Schauspiele auseinander gezerrt,
Aber sie
rift Offenbarungen Ja und Amen sagen.
geschwätzig geben die einzelnen Personen ihre Weisheit
itung erscheint gepaart mit so viel Grazie und Anmut,
zum besten und mit einer selbst von den Anhäugern der
lt er, daß selbst ein prinzipiell gegnerischer Standvunkt
alten Schule verpönten Absichtlichkeit werden die Vertreter
sich ihren Reizen gefangen giebt und wenn auch wieder¬
6 der
des überlieferten Sittlichkeitsbegriffes in den schwärzesten
künste strebend seine schroff ablehnende Haltung aufgiebt. Das
Farben gezeichnet, während die Wortführer der von
galt dem Dichter der „Liebelei“ und jener fein abgetönten
er die
Schnitzler marktschreierisch angepriesenen Zukunftsmoral
und Bluetten, die der Genußfreude und Lebfrische des Wiener¬
als wahre Musterexemplare von Herzensgüte und Opfer¬
n der stums zum liebenswürdigsten Ausdrucke verhalfen. Anders
freudigkeit erscheinen. Herr Schnitzler möge sich die
hat, das Urteil über den Verfasser der Novität des gestrigen
Eltern suchen, die gleich willfährig wie die von ihm ver¬
ergers Abends. Das „Vermächtnis“, das für den Dramatiker
lästerten Bourgeoistypen wenigstens den Versuch machen, die
abels= Schnitzler eine Etappe nach vorwärts bedeuten sollte, hat
unnatürlichen Wünsche ihres toten Sohnes zur Ausführung
zwei den Autor um ein Erhebliches hinter seinen ersten Arbeiten
zu bringen. Also die Maitresse des Verstorbenen findet
nst inl zurückbleiben lassen. Der wohligen Luft des Wiener¬
bei den Eltern das Heim, das ihr weit früher der Sohn hätte
tums, die seine früheren Schöpfungen schmeichlerisch um¬
daß
geben sollen. Sie wird die Frcundin der Tochter des Hauses
spielte, hat sich ein herber Zug gesellt; das Weiche seiner
1200
und ihr Kind der verhätschelte Liebling der Familie.
künstlerischen Gestaltung hat sich zur Härte gewandelt und
raphie
über= den blühenden Farben des Lebens, in denen er ebedem! Als aber dieses Kind aus wenig bekannten Gründen
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