II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 219

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10. Das Verngechtnig
21. Februar.
1399.
Beilage zur Bohemia Nr. 52.
Ausihe wole man an die Redaetlon, Amzeigen an die Administration und Bezgelber an die Bepedleion der „Bohenlat senden.

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junges Leben genossen und zuletzt in einer wilden Ehe
ganzen Wesen die Engherzigkeit gesellschaftlicher Vor¬
Cheater.
die sein Gemüthsleben erweckte, eine höhere Befriedi¬
urtheile vertritt, ihr aber durch die Festigkeit und
gung gewonnen. Wie diese Ehe in das festumgreuzte
Consequenz seines Auftretens imponirt. Schmidt ist
*. Neues deutsches Theater. (Zum ersten
Leben der Familie Losatti eindringt und zugleich ein
einer jener Parvenues der Selbstbeherrschung, die den
Male „Das Vermächtnis," Schauspiel von Arthur
Scheinzustand der Befriedigung in die Stimmung
Menschen der freien Selbstbethätigung mit finsterer
Schnitzler.) Wie in „Liebelei“ handelt es sich in
jähen Unglückes umschlägt, das bildet den Inhalt des
Voreingenommenheit gegenüberstehen. Er prahlt mit
dem neuen Schauspiel von Arthur Schnitzler um
ersten Actes, der die Charaktere und Verhältnisse mit
der Armuth, aus der er sich emporgearbeitet hat, ist
ein „kleines füßes Mädchen,“ das in seiner Einfalt
großer Kunst exponirt, spannt und an die Nerven
eine Protze der Entsagungskraft, die er nicht in
ganz unbewußt zum weiblichen Heroismus empor¬
greift, aber von dem Vorwurf, die Pein einer Sterbe¬
Milde und in liebevoller Absicht bethätigt, sondern
wächst, wie in „Freiwild“ um die Härte der Gesell¬
scene über das Erforderniß der künstlerischen Absicht
als ein Vorrecht der Unbarmherzigkeit gegen alle
schaft, die der Natur entfremdet ist und gegen Men¬
hinaus zu verlängern, nicht freizusprechen ist. Die
lebensfrohen und lebensdurstigen Menschen geltend
schen, die ihren geraden Ausnahmsweg zum Glücke
jungen Familienmitglieder sind eben fröhlich damit
macht. Er ist zugleich eine Parallel= und Contrast¬
finden, nicht gerecht zu sein vermag. Aber der Kampf¬
beschäftigt, vom Fenster aus das Straßengewühle zu
figur im Verhältniß zu Losatti: nämlich voll Respect
platz ist diesmal ein neuer. Die Conflicte spielen sich
verfolgen und auf die vom Prater heimkehrenden
vor den conventionellen Forderungen der Gesellschaft,
vom Anfang bis zum Ende in den vier Wänden des
Wagen, die einander zu überholen suchen, zu wetten
aber frei von der sophistischen Heuchelei des Libera¬
vornehmen Bürgerhauses ab, im innersten Bereiche
— da grwahren sie einen Straßenauflauf, eine Panik,
lismus und immer bereit, die letzten Consequenzen
der Familie, deren Rechte und Pflichten, deren Nei¬
die sich bis zu ihrem Hause fortsetzt, und erkennen in
eines starren Vorurtheils zu ziehen. In einer
gungen und Abneigungen von den verschieden#
der Gestalt, die man auf eine Bahre bettet und für
Seitenlinie der Familie finden wir noch wesentliche
Standpuncten aus beleuchtet werden. Die Sippe zelzt
die die Menge eine Gasse bildet, ihren nächsten Ange¬
Ergänzungen dieser feingegliederten Scala von Lebens¬
sich uns zuerst im Gleichgewicht, ja im Sonnenschein
hörigen, den Bewohner des Zimmers, in dem sie sich
anschauungen. Emma Winter (Frl. Baumgart), die
eines trügerischen Glückes, der indes etwas Stechendes
so harmloser Fröhlichkeit hingaben. Hugo ist während
verwitwete Schwägerin der Frau Losatti, steht etwa
hat, das den Zuschauer von feinerer Witterung die
eines Spazierritts gestürzt und unter die Hufe des
auf demselben Standpuncte wie die Haustochter Franzi,
Nähe des Unwetters ahnen läßt. Nicht Alle, die diesem
Pferdes gerathen; bewußtlos wird er hereingebracht,
nur reifer und ruhiger, überlegener und bewußter.
Hause angehören, fühlen sich auf dessen Boden zu¬
und sein Erwachen bedeutet nur das letzte Auf¬
Früh um ihr Lebens= und Liebesglück gebracht, hat sie
hause. Das Oberhaupt der Familie — wir nehmen in
flackern der Lebensgeister. Er fühlt die Nähe des
— im Gegensatz zu Dr. Schmidt — aus der schmerz¬
der Charakteristik der Personen die spätere Entwick¬
Todes, begehrt, mit der Mutter allein gelassen zu
lichen Erfahrung die Milde gegen Andere geschöpft,
lung vorweg — ist der Professor der Nationalökonomie
werden, und drängt ihr mit der Hast des Man¬
fühlt sie sich erhaben über jede conventionelle Täu¬
und Abgeordnete Losatti (Herr Schmidt), ein seichter
nes, der nur über Minuten verfügt, das Ver¬
schung und schätzt den Kern der individuellen Empfin¬
Redekünstler und Poseur, der den zur Schau getragenen
sprechen ab, seine Geliebte und sein Kind ins Haus,
dung höher als alle wechselnden Formen des gesell¬
Freisinn mit dem kleinlichsten Respect vor der Aeußer¬
zu nehmen and in die Rechte der nächsten Familien¬
schaftlichen Lebens. Ihre Tochter Agnes (Frl. Urfus)
lichkeit der Gesellschaft verbindet, ein Mann, der sich
mitglieder einzusetzen. Selbstverständlich sagt die ge¬
ist ein unreifes, ganz von einer Empfindung be¬
in das Bewußtsein seiner Vortrefflichkeit einwiegt und
peinigte Mutter, die von den Verhältnisse bisher keine
herrschtes Wefen. Sie liebt ihren Vetter, den Sohn
dabei in jeder Lebenslage nur an sich und seine
Ahnung hatte, Alles zu, und auch der Vater, der
des Hauses Losatti, liebt ihn so heftig und hingebungs¬
Scheinwürde denkt, ein Komödiant der nohlen Em¬
anfangs mit dem Optimismus seichter Naturen, die
voll, daß es sie schon glücklich macht, in seinem Dunst¬
pfindungen, der jedes echte Gefühl in seiner abscheu¬
Gefahr in Abrede stellen möchte und sich einige übel¬
kreise zu athmen, und dabei doch so keusch und zag¬
lichen Wortgewandtheit hinwegschwätzt. Seine Frau
haft, daß er ihre Neigung kaum bemerkt, und daß sie
launige Ermahmungen selbst am Sterbebette des
(Frl. Ehrhardt), die tiefer und reiner empfindet, ist
Sohne“ nicht versagen kann, findet sich in das Un¬
sich damit begnügt, ihre schrankenlose Zuneigung und
schwach und gutmüthig genug, an die Bedeutung
die Wallungen ihrer Eifersucht der Schwester des
vermeidliche, und setzt sich selbst in Bewegung, um
dieses Gatten zu glauben. Franzi, die Tochter des
Geliebten anzuvertrauen. Zu solcher Eifersucht ist Anlaß
das Mädchen, das vor den Hausleuten für eine Wär
Hauses (Frl. Erl) ist ein im besseren Wortsinne mo¬
in Hülle und Fülle gegeben. Dr. Hugo Losatti (Herr
terin ausgegeben wird, und den Knaben aus der nahen
dernes Geschöpf, aus innerem Bedürfniß heraus rein
Jobn) — der männliche Held des Stückes, der zwar
Wohnung zu holen. Der rasch herbeigerufene Dr.
und mädcheuhaft, aber freisinnig, ehrlich und duldsam
Schmidt wehrt sich vergeblich als Hausarzt und künf¬
berufen ist, im ersten Acte zu sterben, dessen Gestalt
in der früherworbenen Reife ihrer Anschauungen¬
aber einen schweren Schatten auf das ganze Schau¬
tiger Schwiegersohn gegen diese Aufregungen und
Nach dem Gesetze von der Anziehungskraft der Con¬
spiel wirft — hat nach Art verwöhnter Haussöhne,
unpassenden Vorgänge. Toni Weber (Frl. Immisch),
traste interessirt sie sich lebhaft für den Hausarzt Dr.
Ferdinand Schmidt (Herr v. Wymetal), der in seinem denen die Duldsamkeit der Eltern entgegenkommt, sein] — so heißt die Geliebte, der der sterbende junge Lo¬