II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 255

gebracht wird. Er fühlt das Nahen des Sensenstern.
mannes und hat nur noch eine Sorge, die Zu¬
kunft seiner Geliebten und ihres Kindes dadurch
zu sichern, daß er sich deren Aufnahme in die
Familie sterbend von seinen Eltern versprechen
läßt. Das ist das „Vermächtniß.“ Man versucht
es im Hause Losakti zu halten. Toni Weber ist¬
im zweiten Acie im Hause Losatti; allein sie
fühlt es, daß sie da nur eine Geduldete ist, und
doch fürchtet sie fortzugehen; denn draußen ist
sie allein mit ihren Gedanken, einsam inmitten
der großen Siast. Ihre Empfindung hat tiefen
Grund. Denn, wie sehr auch Hugo's Mutter
und seine Schwester Franzi ihr geneigt sind, es
liegt etwas Fremdes zwischen ihr und dem Hause,
insbesondere zwischen ihr und Hugos Vater, der
nur widerstrebend ihrer Aufnahme ins Haus zu¬
gestimmt, und namentlich zwischen ihr und Franzis
Bräutigam, Dr. Schmidt, einem Egoisten, dem
in seiner Selbstsucht menschlich reines Empfinden
völlig fehlt und der nur die Härte der gesell¬
schaftlichen Moral predigt. Der Tod des Kindes,
das Toni Weber mit ins Haus gebracht, zerreißt
bald das letzte Band zwischen ihr und der Familie,
in welcher die Gegenwart der verwaisten Mutter,
die doch kkeine Witwe ist, drückend empfunden
wird, nachdem man merkt, wie sich die Freunde
zurückziehen und die gesellschaftlichen Beziehungen
lockern. Noch hält man jedoch an dem „Vermächtnisse“.
fest. Man will Toni nicht ins Elend stoßen, man
will für sie sorgen, aber dem Hause soll sie ferne
bleiben. Toni begreift leicht die dießbezügl in
Andeutungen. Was soll sie noch im Leben? Sie
sucht den Tod, während Franzi, die Alles be¬
reift und darum Alles verzeiht, sich in seelischer
lufwallung von ihrem Bräutigam und seiner
harten Moral lossagt. Das festgefügte Stück mit
seiner interessanten Handlung und der trefflichen,
scharf individualisirenden Characteristik ergriff

sichtlich die Hörer, die erst nach den Actschlussen
ihren Gefühlen durch rauschenden Beifall Aus¬
druck gaben. Die größte Wirkung übt allerdings
der prächtig aufgebaute erste Act, der mächtig
erschüttert. Die schwächere Wirkung der folgenden
Acte war auf unserer Bühne auch durch das
gelockerte Zusammenspiel in demselben verschuldet,
und die Schlußwirkung versagte, weil es Frl.
Wolf, welche als Vertheidigerin natürlichen
Empfindens erscheinen soll, gerade hier an flam¬
mendem Ausdrucke fehlen ließ. Die Wiedergabe
des Stückes war eine nicht in allen Theilen
gleichmäßig gute. Frl. Husz, die Repräsentantin
der Toni Weber erschien zu gedrückt und weiner¬
anz gegen die Absicht des Dichters, der diese
zwar in einfachen Linien, aber als selbst¬
en, energischen Character hinstellt, der die
hme ins Losatti'sche Haus nicht als Almosen,
n als ein Recht beansprucht und erst nach
hrener Enttäuschung zusammenbricht. Es lag
ihrer Toni zu viel Müdigkeit un
Gebrech¬
it, zu viel alternde Verdrie
s Liebe unerklärlich macht. Ein
enen das Herz aufschrie, gelan
refflich. Aus der Reihe der übr
rag## l. Hohenau hervor der
sich wieder glänzend.
araeters=kar
M#findungsreichthum
e. Die Rolle
des

inus
Wemn Friedheim in
den“ besden ersten¬
1 schöner Geltung ge¬
bracht, während im
nActe Gedächtnißlücken
den Eindruck beeinträchtigten. Sonst wären noch
die Herren Reiter (Schmidt), Wolfram und
Willhain (Hugo), der die Sterbescene, die
stark auf der Schneide steht, mit großer Zurück¬
haltung spielte, sowie die Damen Wolf, Hils¬
bach und Luy und die kl. Schmidt als Lulu
zu nennen. Fr. Luy sprach nur zu leise und es
fehlte der innige Ausdruck mütterlichen Fühlens.
Das Publikum schien an dem tiefen Ernste des
Stückes weniger Gefallen zu finden, als an den
leichten Reizungen, an die es sich gewöhnt hat.
Du I# #
und nordamerikanische Zeitschriften.
1232
bemerkt. Einige Puschkiniana beschließen den er¬
wähnenswerten Inhalt des Heftes.
etzten
Petersburg.
A. von Engelhardt.
Wir
den
micht
Rumänten.
Jubi¬
Als Einführung zu einer in Aussicht genommenen
ldem
Uebersetzung des Dramas „Einsame Menschen“ giebt
fbar¬
Eleonora Stratilescu in den „Convorbiriliterare“
gung
eine eingehende Analyse der Dramen Gerharts Haupt¬
die
mann, besonders der „Weber“ und der Versunkenen
Glocke“; zum Schluß zieht sie einen Vergleich zwischen
Die
Hauptmann und Ibsen: „Hauptmann ist ein humaner
lche
Philauthrop, der für jede Menschenseele Interesse
Volk
empfindet, daher vermagen seine Dramen auch so viel
jifen
Sympathie zu erwecken; Ibsens Dramen dagegen treffen
Lu߬
den Hörer zerschmetternd wie Hammerschläge, seine Ge¬
jand
stalten wirken mit einer Macht und Größe jenseits von
1d
Sympathie und Mitleid.“ — Begeisterte Worte der Be¬
wunderung widmet Calypso Demetrescu der rumä¬
nischen Volkspoesie, vor allem der „Doina“, in deren
melodischen Weisen voll süßer Wehmut, innigen Natur¬
empfindens die Seele des Rumänenvolkes ihren reinsten
Ausdruck findet. Anders urteilt Al. Antemireann
in der „Floare albastra“. Er spricht über die Gleich¬
gültigkeit des Publikums der Volkspoesie gegenüber,
die plötzlich an die Stelle der früheren Begeisterung
getreten ist, die durch die Sammlungen von Alexandri,
en
Creanga, Ispirescu u. a. geweckt und genährt worden
war, und führt diese Gleichgültigkeit auf den Mangel
künstlerischen Wertes in jenen Dichtungen zurück. In
derselben Zeitschrift tritt sodann ein kurzer Artikel der
Anschauung entgegen, daß die mohammedanische Frau
in äußerster Unbildung dahinvegetiere, und zählt eine
ganze Reihe von berühmten Frauen bei den Mohamme¬
dauern von früher Vergangenheit bis zur Neuzeit auf,
die sich in Kunst, Litteratur und Wissenschaft hervor¬
ragende Namen erworben haben. — Den Dichtungen
Richards Dehmel widmet Bogdan=Duica eine Be¬
sprechung voll Lobes und Bewunderung, während J.
Duscian in Kürze Arthur Schnitzlers „Vermächtnis“ —
betrachtet, dem durch das Neue in ihm, das Gepräge
der Persönlichkeit des Dichters, die gleiche Bedeutung
für die deutsche Bühne zukomme wie Rostands „Cyrano
de Bergerac“ für die französische. Ueber Möbius' Arbeit,
„Ueber das Pathologische bei Goethe“ plaudert Maria
Rzewska. Unter den poctischen Beiträgen finden sich
gute Uebersetzungen heinischer Lieder.
im- o
e