II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 265

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10. Das Vernaechtnis
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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Ausschnitt
„OBSERYER“
Nr. 74
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I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
„OBSERNER“
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
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— Filiale in Budapest: „Figyelö“-
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
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Jedrnschache fercee
essehmt ms: Candentergeeche Un“e, vom¬'
1000
von: □#7ges Kerticze
Württemberg.
Stuttgart, Samstag 17. Januar.
Gestorben: 16. Jan. zu Cannstatt Charles Terrot, 71 J.a.
9 [K. Wilhelmatheater.] In der 2. Vorstellung für
die Mitglieder des württ. Goethebundes wurde am
Theater und Konzerte.
gestrigen Freitag zum erstenmale A. Schnitzlers dreiaktiges Schauspiel
* Kgl. Wilhelmatheater. Die zweite Vorstellung für die
„Das Vermächtnis“ gegeben. Wenn das Werk die Zuschauer
Mitglieder des Goethebundes brachte Das Vermächtnis“,
nicht gerade sondernlich ergriff, lag das in den natürlichen Ver¬
Schauspiel in drei Akten von A. Schnitzler. Drei Akte und drei
hältnissen begründet. Der Dichter weiß in diesem Werke die
Todesfälle, in jedem Akt ein Toter und Tränen genug. Wie in
Höhe nicht zu behaupten, die er in seinem tragischen Idyll
„Liebelei“, so gibt auch hier der Verfasser ein Stück Wienerleben,
„Liebelei“ eingenommen, er führt uns in eine dumpfe und
voll heller Lichter neben den tiefsten Schatten. Der lebensfrohe Dr.
schwüle Atmosfäre ein, in die des erschlaffenden und seinen!
jun. Hugo Losatti tut einen unglücklichen Sturz vom Pferde. Es
lezten Halt verlierenden Willens, in der es einen Raum für
bleibt ihm nur noch so viel Zeit übrig, um den Seinigen das Ge¬
Für
50 tragische Größe nicht mehr gibt. Ekel, vor dem Stück Dasein,
ständnis abzulegen, daß er einen vierjährigen Sohn hinterläßt. Er
100
das sie umgibt, aber nicht im Kampf um ihre sittliche Existenz, Ir
fleht sie an, daß sie diesen mitsamt dessen Mutter zu sich nehmen.
20
Sie geben ihm das Versprechen und (Alfred Hugo Gerasch) stirbt.
fährt seine Heldin in den Tod. Toni Weber, ein Mädchen jus.
50

Für
Dem A
#wollen zwar jetzt Bedenken kommen, weshalb dieser „#
aus dem Volk, ist samt ihrem Söhnchen von ihrem sterbenden
„ 100
Sohn, der seine Eltern für gut und weitherzig genug hält, um ihnen
Geliebten den Eltern des leztern als treuestes Vermächtnis
das
mit einer solchen Zumutung kommen zu können, ihnen nicht längstir
den
hinterlassen worden, und das Elternpaar schickt sich anfangs an,
Abonne:
sein Vertrauen geschenkt hat, doch halten wir uns nicht damit auf, zus.
den Willen des Verstorbenen pietätvoll zu erfüllen. Allein die
Abonne
denn es fesselt uns zu sehr, zu sehen, wie Schnitzler an den ver¬
bessere Regung hält bei den schwachen Leuten nicht an; solange
schiedenen Gesellschaftstypen zeigt, auf welche Weise sie sich diesem das
das Enkelchen lebt, geht es leidlich; sobald aber der kleinesi dle
Abe Fall gegenüber benehmen, hier im Erfassen und Wiedergeben der den
Franz die Augen geschlossen hat, beginnt das natürliche Em=sen¬
Inhalt:
Ab einzelnen Charaktere sowohl, wie im Ausmalen von Gesamtstimmungen
ing")
blät
pfinden, dem Zwange der gesellschaftlichen Konvention zu pliche
zeigt er sich auch als Meister und zieht uns derart in seinen Bann,
wodur
weichen. Einer nach dem andern fällt von der armen! Mit¬
daß wir es im ersten Augenblick ganz übersehen, wie wir im Grunde) die
Leben
Toni ab, und wenn schließlich nur noch die Schwester des
en¬
lul genommen hinerzangen werden, Arthur Schmhler übt den Trc,
theilur
Geliebten als die Einzige übrig bleibt, deren Treue sich bis über
#ng“)
daß er unliebsame Personen Wahrheiten aussprechen läßt, die uns
den Tod hinaus bewährt, macht das den Eindruck, als erhalte
fliche
N9 nun plötzlich falsch erscheinen, weil sie falsch angewendet werden,
der Dichter sie bei ihrer alten Gesinnung, nur um eine Persön¬
und umgekehrt wieder macht er wahre Engel an Unschuld
lichkeit zu haben, die seiner Dichtung das tendenziöse Schlu߬
th
und Reinheit aus Gestalten, die doch immerhin Menschen
wort sprechen kann. Der Eindruck des Schauspiels ist über¬
sind, wenn auch keine so
schuldigen, wie s
den
wiegend unerfreulich in ethischer wie ästhetischer Beziehung.
Augen der Gesellschaft erscheinen mögen. Er bleibt uns also nach
Wenn es nicht unter einem Mangel an Handlung leidet, so
zwei Seiten hin die Wabrheit schuldig, trot der gerühmten Wahr¬
wird es in seiner künstlerischen Wirkung doch stark dadurch beein=
hattigkeit des Naturalismus Nachdem nun die Eltern ihr Vermächt¬
nis angetreten und die damit zusammenhängenden Opfer auf sich ge¬
trächtigt, daß auf der Bühne fast nur diejenigen Momente der
nommen haben, stirbt das Kind. Die Toni Weber aber, seine Mutter
Handlung erscheinen, die sich in lyrischen Stimmungsgehalt
(Emmy Remolt), jetzt noch bei sich zu behalten, widerstrebt ihnen.
umsezen lassen. Ueber die Aufführung kann durchgehends nur
Toni jedoch, einsam und verzweifelt, gibt sich den Tod. Der Haupt¬
Gutes gesagt werden; der einzige Mangel, an dem sie litt,
reiz des Ganzen liegt in seiner einheitlichen Stimmung und in der
war der, daß sie ein Werk, das so urwienerisch wie möglich
Mannigsaltigkeit der einzelnen Figuren. Da ist das angehende Braut¬
ist, so ganz und gar unwienerisch erscheinen ließ. Frau Remoltl
paar Dr. Schmidt (Hugo Jessen und Franziska (Dora Lux), das
markirte als Toni Weber wenigstens den süddeutschen Dialekt,
den Weg von Herz zu Hergze nicht finden kann, weil er ein kalter
wie sie denn überhaupt die Rolle in jeder Weise gut durch¬
Tugendprotz ist und sie noch nicht weiß, was Liebe heißt. Als sie
führte. Auch die übrigen Mitwirkenden verdienten Lob, so
es aber erkennt, hat sie den richtigen Wertmesser gefunden und be¬
Frau Schurich als Frau Professor Losatti, Hr. Gerasch als
kreit sich von der ihr drohenden Fessel. Dann das andere Paar, die
Huge Losatti, Frl. Lux als Francisca, Frl. Rossi als Emma
Eltern Losatti: er tadellos
der Welt, ein Selbstsüchtling durch
Winter, Frl. Künniger als Agnes, Hr. Alsen als Gustav
und durch, sie eine lieben zutmütige Frau, ohne tiefgebende Be¬
Brandes und Hr. Jessen in der unsympathischen Rolle des
dürfnisse (Wilh. Schmidt=H## er und Amel. Schurich). In Agnes
Dr. Schmidt. Hr. Schmidt=Häßler konnte als Prof.
(Martha Künniger) das junge harmlose Geschöpf, das zum erstenmal
einen Blick in die Tiefen des Lebens tut und dadurch erschüttert wird;
Losatti nicht ganz der Versuchung widerstehen, einzelne Züge
in Emma Winter (Alex. Rossi) die reife Frau voll Lebenserfahrung
seiner Rolle, die nur auf karakteristische Wirkung berechnet sind.
und Güte; in Gustav Brander (Harry Alsen) der treue Freund; in
als spaßhaft erscheinen zu lasses, Regie und#irung warenel
Lulu Irmgard Lesmann) der halbwüchsige Junge, dem die erste
wie stets bei Hrn. Meery aufgehoben.
Ahnung vom Zusammenhang der Dinge kommt. Sie alle und noch
einige mehr bilden die Umgebung, von der sich Toni Weber, diese;
neu aufgelegte Kameliendame, abhebt.