II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 307

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10. Das Verndechtnis
Telephon 12.807.
„OUOENVEN
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burg, Toronto.
Guclienangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Borliner Zeitung am Mittag, Berli
11007.1911
vom:
Schnitzler im Neuen Dolkstheater.
„Das Vermächtnis“, Arthur Schnitz¬
lers feinsinniges Drama von Liebe und Ego¬
ismus kam gestern — nach langjähriger Pause

im Neuen Volkstheater zur Aufführung.
Schnitzler ist ein treffsicherer Typenzeichner,
seine Menschen sind mit photographischer Treue
dem Leben nachgebildet, so kommt es, daß auch
bei den tränenseligsten Szenen dieses Stückes
niemals eine fade Sentimentalität über das
Ganze herrscht. Immer wieder verknüpfen die
markanten Gestalten der beiden Männerrollen,
der höchst korrekte und sehr egoistische Professor
Losatti und sein nicht minder korrekter Schwie¬
gersohn in spe Dr. Schmidt, die lyrisch=senti¬
mentalen Szenen mit dem Leben, darin es ja
keine Tragödie gibt, die nicht, anders beleuchtet,
der Komödie ähnelt. Schnitzlers Stück ist so:
Der junge Sohn des Professors Losatti wird
sterbend ins Elternhaus gebracht; auf einem
Spazierritt stürzte er vom Pferde. Vor dem
Tode gesteht er seinen Eltern, daß er eine Ge¬
liebte und Kind habe, die er beide seinen An¬
verwandten anvertraut. In den zwei folgenden
Akten wird nun dargestellt, wie die Bourgeois¬
familie langsam das arme Mädel, das dem
Toten mehr als Gelichte war, aus dem Hause
grault und in den Tod treibt. So entpuppt
es sich am Ende als ein Drama der Klassen¬
unterschiede. Die Aufführung war zu tränen¬
feucht. Unentwegt' heulten Männlein und
Weiblein, und am #nde des ersten Aktes gab
es gar eine richtige Tränensinfonie, darin
sämtliche Darsteller des Stückes minutenlang
ohn Aufhören schluchzten! — Robert Müller
und Maximilian Sladek, die beiden Träger
der führenden Männerrollen,
spielten die
Egoisten mit großer Realistik. Ihnen ist der
Erfolg des Abends zu danken. Die unglück¬
selige Geliebte wurde von Zella Wagner mit
warmer Herzlichkeit dargestellt. Unter den
übrigen Mitwirkenden fielen mir Anneliese
Wagners und Martha Angersteins
treffende Charakterisierung auf.
K. E.
Dr. Max Goldschmidt
22 Bureau für
Zeitungsausschnitte
5e in N. 24
Telephon III. 3051.
Ausschnitt aus
Vossische Zeitung, Berlin
n1 10. 191.
Neues Volks=Theater.
Die Neue freie Volksbühne hat mit der Aufführung vor Arthur
chnitzlers Drama „Das Vermächtnis“ ihren Mitglieren
Kee vermittelt, das zwar manche der ost an¬
erkannten Vorzüge des Wiener Dichters aufweist, sich ader doch die
Bühne nicht dauernd erobern konnte, als es vor Jahren, auch in
Berlin, zuerst gegeben wurdé. Den Eindruck, den das Drama
damals hervorrief, hat es #eg am Moßtag Abend hinterlassen.
Die tiefste Wirkung bringt deryerste Akt Bsor mit seiner nerven¬
und herzzerreißenden Expositiorl. In den Lepen letzten Akten erwartet
der Zuschauer die eigentliche Ha#dlung, erhalt aber anstatt dessen nur eine
Reihe von gut beobachteten Fa#kenszenen, die nach der starken Tragik des
ersten Aktes mehr reinlich und quälend als erschütternd wirken.
Die Künstler des Neuen Volks-Theaters hatten sämtlich ihr Bestes
an die Durchführung ihrer Rollen gesetzt. So verlieh Robert
Müller dem selbstsüchtigen, aufgeblasenen Vater kräftige Zuge der
Wirklichkeit. Johannes Riemann erschütterte die Hörer in der
Sterbeszeue des ersten Aktes. Jella Wagner gab die unglückliche
Geliebte und verwaiste Mutter mit rührender Einfachheit. Annalise!
Wagners Eigenart in der Wiedergabe des um ihre Liebe be¬
raubten jungen Mädchens trat abermals in sympathischer Weise
hervor. Maximilian Sladek als Dr. Schmidt, Martha Anger¬
stein als Franziska, Hermann Pfanz=Brander, Hedwig Lorse,
Elisabeth Huch, alle fügten sich dank der ausgezeichneten Regie
Adolf Edgar Lichos dem Zusammenspiel trefflich ein. E. v. H.