II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 318

10. Das Vernaechtnis
chnitt aus:
Naue Zeitung, Wien
16 S. 11
Theater in der Josefstadt.
gun
Artur Schnitzler=Feier.
Anläßlich des 50, Geburtstages Artur Schnitzlers]!
gelangte gestern dessen dreiaktiges Schauspiel „Das Ber¬*
mächtnis“ zur erfolgreichsten Aufführung. Der Dichter
führt uns in das Haus des Professors Losatti; der älteste

Sohn Hugo hat sich durch einen Sturz vom Pferde tödlich
verletzt. In seiner letzten Stunde legt er das Geständnis ab,
daß er einen vierjährigen Sohn besitze und bittet seine
Eltern, denselben samt seiner geliebten Toni in das Haus ##.
aufzunehmen. Das von der Mutter abgegebene Versprechet
wird nach dem Ableben Hugos erfüllt; Toni findet samt
ihrem Kinde Aufnahme in der Familie des Professors und
gewinnt auch hier durch ihr natürliches und anziehendes
Wesen bald die Liebe von Hugos Mutter sowie der Schwester
Franziska und der Tante Emma Winter, einer treuen
Freundin des Verstorbenen. Der neue Aufenthalt Tonis
findet aber auch in manchen Kreisen Mißbilligung; besonders
ist es der Hausarzt Dr. Schmidt, welcher den intimen Ver¬
kehr der Familie mit Toni für ganz und gar unpassend hält,
ihm stimmt zum größten Teile der Professor selbst bei. Die
Verhältnisse verschärfen sich noch, als kurze Zeit darauf
plötzlich auch das Kind stirbt. Nun wird Toni schonungslos
erklärt, daß sie unmöglich länger im Hause weilen könne.
Aus Furcht vor dem Alleinsein beschließt das unglückliche
Mädchen gewaltsam sein Leben.
Die würdige Wiedergabe des an dramatischen
Szenen reichen Werkes rief in dem dichtbesetzten Hause
die nachhaltigste Wirkung hervor. Frau Hausi Niese
erschien in der Rolle der Toni Weber und versetzte mit
ihrem Kinde, dem kleinen, reizenden Hans Lauter¬
bach, das Publikum durch ihr natürliches und jeelen¬
volles Spiel in die tiefste Ergriffenheit. Um die Künst¬
lerin gruppierten sich die übrigen, scharfgezeichneten Fi¬
guren in der unübertrefflichen Darsiellung durch die Herren
Schmidt),
essen
7210
Maran (Professor),
Meyvelt, Meyerhofer,
Olmühl (Hugo),
Weißmüller und die Damen Josessy (Frau
des Professors), Kovacs (Franziska). Schleinitz
(Tante) und Kaiser (deren Tochter Agnes) zu einer
Gesamtleistung, welche dem Josefstädter Theater zur
höchsten Ehre gereichte.
— —
8
Ausschnitt aus:
Neues Wiener Journal, Wien
16 Kal 19s2
vom1
(Theater in der Josefstadt.) Anläßlich des
[Schnitzler=Jubiläums wurde gestern „Das Ver¬
mäch#mit Hanst=###se als Toni Weber ausgeführt, das
vielfach an „Liebelei“ noch anklingt und das einzige Mal unter
den Dramen dieses Dichters einen Zug von Erbitterung, heftige
Akzente sozialer Anklage besitzt. Aus früheren Auf ührungen kennt
man die überraschend zarte, verhalten innige Darstellung, die
Frau Niese dieser wie mit einer Gloriole umgebenen Hauptgestalt
des Dramas angedeihen läßt. Aus dieser aus dem
eine
kam
erschütternde
Herzen geschöpften Kunst
Wirkung, die das Stück über seine Schwächen empor¬
hob und dem Abend viel von schöner Weihe gab.
Gustav Marans Verdienst war die taktvolle, diskrete Kontrastierung
heuchlerischer Herzensroheit in seiner Charakterisierung des Lofatti,
dem er einen Zug einer verschämten letzten Menschlichkeit verlieh.
Neben den beiden Meisterdarstellern verdienen besonders Frau
Joseffy und Herr Wißmüller hervorgehoben zu werden, die dem
Ton und der Stimmung des Stückes in feinster Weise sich an¬
paßten. Stück und Darstellung fanden beim Publikum eine
stöttage Resonanz als früher und mit Frau Niese wurde Gustav
Marah vor die Rampe gerusen.
box 16/5
Ausschnitt
gstriertes Wiener Extrablatt
Kilianune Wien
vom:
Das Josefstädter Theater ehrte
Artur Sitl
mit einer Aufführung seines
Schanspiels „Das Vermachtnis“. Das tüchtige
Ensemble dieser Bühne war mit Erfolg bemüht, den
Intentionen des Dichters gerecht zu werden. Um die
ergreifende Toni Weber der Niese gruppierten sich
die Damen Joseffy. Kovacs, Schleinitz,
Kaiser, die Herren Maran, Olmühl, Mey¬
velt, Meyerhofer und Weißmüller zu
abgerundetem und liebevollem Zusammenspiel. Der
Dr. Schmidt des Herrn Lessen verdient seiner
scharfen und wirkungsvollen Charakteristik wegen
besonders ehrende Erwähnung. Das Publikum, von
der Tragik des Stückes aufs tiefste ergriffen, dankte¬
der Niese und den übrigen Darstellern nuch alley—
Aschlüssen mit herzlichem Beifall.
nderbiel, Wer
16 Kal iste

(Theater in der Josefstadt.) Wer würde einem Fühfziger
an seinem Geburtstag ncht die Artigkeit erweisen, ihn für höchstens
oierzig zu halten? Wer brächte es übers Herz, bei einer Schnitzler¬
Feier an den Schwimmsand zu rühren, auf dem das „Ver¬
mächtnis“ erbaut ist? Die Sentimentalitäten dieses Allerheiligen¬
dramas mögen vorübergehend das Auge trüben, die Betrachtung des
dichterischen Lebenswerkes, zu der diese Tage stimmen, wird es rasch
erhellen. Das Theater in der Josefstadt, überzeugt davon, wo alles
liebt, auch nicht gleichgiltig sein zu dürfen, schöpfte die Tränen in

Eimern. Einmalige Aufführung! Man mühte sich, seinen Tränenvorrat
auszugeben, weinte mit einer geburtstäglichen Ergriffenheit. Das
Tränenkrüglein des Stückes ging so lange zum Brunnen, bis die
ganze Geburtstagsfreude beinahe zerbrach. Es weinten: Frau Jo¬
seffy (hochdeutsch), Herr Meyvelt (norddeutsch), Fräulein
Kaiser (wohlgenährt), Frau Schleinitz (mit edlem Anstand),
Fräulein Kovacs (bakschierlich), Gustav Maran (so perfid hinter¬
hältig und komisch=traurig, wie nur er das trifft), Herr Olmühl
(infolge der Situation), Herr Meyerhofer (aus Solidarität).
Noch eine weinte, das
war die Niese. Aber die
weinte aus einem elementaren Erlebnis heraus. Sie wusch mit ihren
Tränen dieses Schauspiel blank, bis es seine dichterische Seele zeigte.
Ihr gellender Schreck, wenn der Geliebte stirbt, bleibt einem im Ohr
sowie ihre Lautlosigkeit im Ohre bleibt, mit der das süße Mädel in
den Tod hinaus schleicht. Sie erst gibt diesem Stück seinen Horizont,
sie erst diesem Horizont seine Lichter und Wetter und Wolken. Es muß
noch von Herrn Lessen gesprochen werden. Man hat sich seiner
außerordentlichen, alle Gestalten scharf abgrenzenden Begabung oft
erfreut; gestern aber hat er den strebernden, lebensunfreudigen Doktor
Ferdinand Schmidt mit hundert samos beobachteten Details und in
konsequenter typischer Durchführung vorgelebt. Haltung, Spiel und
Maske verwuchsen zu überzeugender, künstlerisch vollendeter Einheit¬
lichkeit. Die Schnitzler=Gemeinde war herzlich dankbar, daß auch
Direktor Jarno dem Dichter einen Abend gab und feierte zumal
Hansi Niese bewegten Gemütes.
7s.