II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 319

10. Das Vernaechtnis
sschnitt aus: Osterreich. Volhszeitung, Witn
16 S. 1911
m:
Theater in der Josefstadt. Als eine Art
Schuitzlerfeier dachte sich die Direktion dieser Bühne
die Aufführung des Schauspiels „Das Vermächt¬
nis“. Das Wiener Publikum mag sie ja gern haben
diese „tüchtigen, lebensvollen und — leistungsfähigen
Fünfziger“ von der Bedeutung eines Artur Schnitzler,
und es ist auch berechtigt, wenn man in Artikeln,
Feuilletons und durch die Aufführung seiner Stücke an
seinem 50.Geburtstage Lobes= und Liebeshymnen anstimmt.
aber gerade das erwähnte Bühnenwerk scheint am aller¬
wenigsten dazu geeignet, das Publikum derart zu be¬
geistern, daß es sich zu einer Kundgebung für den
Dichter hinreißen lassen könnte. Schon aus
dies aus¬
bühnentechnischen Gründen erscheint
geschlossen, denn die drei Aktschlüsse sind absolut
wirkungslos, wie beabsichtigt, ist jeder Effekt vermieden
worden. Im ersten Akt stirbt der Vater, im zweiten das
Kind, im dritten die Mutter. Ende tot, alles tot!
In einer gedrückten Stimmung verläßt man das
Theater gleich wie ein Trauerhaus und der Regisseur
kommt beim besten Willen nicht dazu, an das Publikum
eine passende Ansprache zu richten und bei diesem
Anlasse das Jubiläum des abwesenden Dichters zu
feiern. Die Darstellung verdiente unbedingtes Lob,
besonders die hervorragende Leistung der Frau Niese,
die durch warme, innige Herzenstöne zu rühren verstand
und die des Herrn Maran, der mit sein abgetöntems
Humor die Figur des Poseurs Professor Losatti
modellierte. Die Uebrigen müssen sich mit einer Pauschal¬
anerkennung begnügen. Wir machen dem Theaterzettel
A. L.
unsere Reverenz.
Deutsches Taghlatt
#schnitt aus:
16. MAl. 18 fstdeutsche Rumischae
Wien
11
Theater in der Josefstadt. Frau Niese be¬
nützte das Schnitzlerjubiläum, um wieder einmal jene
künstlerischen Verpflichtungen gegenüber dem höheren
Drama abzutun, die sie sich nun einmal von befreundeten
Ratgebern aufbürden läßt. Sie spielte die Toni
Weber in Schnitzlers „Vermächtnis“
Wenn manFran Nlese durch die weiner¬
lichen Szenen dieses schwächlichen Theaterstückes be¬
hutsam schreiten sieht, dann bewundert man den sicheren
Bühneninstinkt dieser urwüchsigen Frau, der sie an den
übrigen Tagen des Jahres davon abhält, sich an Auf¬
gaben heranzumachen, deren Lösung nicht mehr ihre
Sache ist. Gerade das kluge Sich=Bescheiden, das bedacht¬
same Gefühl für das, was den natürlichen Eigenschaften
angemessen, ist ein wesentliches Merkmal echter Künstlerschaft.
Die übrige Darstellung suchte sich mit ihren ungewohnter
Rollen schlecht und recht abzufinden. Erwähnenswery ist
neben Herrn Lessen, der den herzlosen, eigensüchtigen
Arzt in der nervösen Art gab, die wir von den Betliner
Ibsendarstellern her kennen, Frau Schleinitz, die als
weiblicher Raisonneur ihre Maximen möglichst günstig
placierte, und Herr Maran, der der Gesahr, ins Pathe¬
tische zu geraten, dadurch zu entgehen suchte, daß ex seine
Rolle in einen Ironismus auflöste, der freilich nicht
immer am Platze war.
box 16/5
EKHSPOST, WEN
vom: T6H917212
Josefstädter Theater. Zum fünfzigstin Ge¬
burtstage des Dichters: „Das Vermächtnis“, Schau¬
spiel in drei Akten von Artur Schnitzler. In der
Josefstadt schob man heute, zwischen den Ensuite¬
Aufführungen des „Gutsitzenden Frack“, eine Neuein=
studierung des offenbar nicht ganz so gut sitzenden
Schnitzlerschen „Vermächtnisses“ ein, kommandierte Frau
Niese für einen Abend von der „Marine=Gustl“ ab
und lud die Leute von der Presse an dem tropischen
Maiabend ins Theater. Auf dem Zettel stand, in
Sperrdruck, „Schnitzlerfeier“ und daneben — unklar,
abaus Vorsicht — „Einmalige Wiederholung".
Direktor Jarno weiß also, was er der Jungwiener
Literatur, zumal wenn sie das erste halbe Jahrhundert
ihrer Unsterblichkeit hinter sich gebracht hat, schuldig
s offenbar nicht
ist. Das Publikum wußte
und hielt mit dem Beifall auffallend zurück. Ueber die
Darstellung wäre zu sagen, daß Frau Niese den Er¬
wartungen, die man in ihr tragisch angehauchtes süßes
Wiener Mädel setzen mochte, vielleicht nicht ganz ent¬
sprach. Herr Maran, nachgerade etwas stereotyp, gab
den Professor Losatti. Sonst standen noch die Damen
Emmy Schleinitz und Joseffy, die Herren Mayvelt,
Lessen und Mayerhofer auf dem Zettel. Sie werden
also vermutlich das ihrige zu dieser aus Reporter¬
findigkeit, Geschäftspietät und Hundstagsverlegenheiten
zusammengekleisterten Schnitzlerfeier beigetragen haben.
Im übrigen bitten wir Herrn Brahm im Strau߬
theater jedes unbeschaffene Wort ab, das wir je über
den Letzten seiner Lessingtheaterleute verloren haben
kmn.
sollten.
(Seallennngabe dins Weblngen
Auschalt aus: Neus Wienr Iagliut, Wieg.
vom:
I8. Mal. 1512
Im Theaterin der Josefstadt wurde „Das!
Vermächtnis“ vor einem dichtgefüllten Hause mit tiefer
Wirkung aufgeführt. Das rührende Schauspiel hat seit
seiner Erstaufführung im Burgtheater nichts an seiner be¬
redten Kunst verloren. Technisch ist es wohl eines der best¬
gebauten Stück. Schnitzle## und auch sein Dialog ist frisch
und lebendig geblieben. Wiederholt drängte sich das Gefühl
auf, als würde das heutige Publikum der satirischen Tendenz
des Dichters mit besserem Verständnis und größerer Zu¬
stimmung entgegenkommen als vor zwölf Jahren, wo solche
Debatten über das Recht auch der illegitimen Frau, wie sie
im Stück geführt werden, noch neu waren. Reiches Verdienst
um diesen großen Erfolg des „Vermächtnisses“ erwarb sich
die Darstellung mit Frau Niese als Toni Weber an der
Spitze; ihre elementare Begabung wirkt immer unwider¬
stehlich, wenn sie Mutterliebe und Frauenwürde v#rzustellen
hat, da wird die Kunst der Niese zur Natur. Herr Maran
setzte der Gestalt des Professors Losatti diskret humoristische
Lichter auf, wie sie der Dichter fordert, der die innerlich kalte
und frivole Seele der Moralisten älteren Schlages in diesem
Phrasenmacher geißeln wollte. Herr Lessen zeichnete
scharf und mit künstlerischer Steigerung den Streber Doktor
Schmidt, der mit dem Neid des Plebejers die verlassene
Toni Weber aus der reichen Familie hinausdrängt, in die
er selbst sich eindrängt. Warm und beredt spielten auch die
Damen Joseffy, Schleinitz und Kowacs, Fräulein
Kaiser gab die Agnes, das Mädchen aus guter Familie,
echt und frisch. Herr Olmühl war in der Sterbeszene
des Huge wirksatz ohne Naturalismus, und auch der Mzt,
„müllegs soll nicht unerwähnt bleiben. 22.
A HA