II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 320

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10. Das Vernaechtnis
Ausschnitt aus: VIENER ABENDPOS
17. MAl. 1912
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(Theater in der Josefstadt.) Auch hier:
beging man Artur Schnitzlers 50. Geburtstag.
„Das Vermächtnis“ das Schwesterstück zur
„Liebelei“, mag im Schaffen Schnitzlers nicht als ein
Haupt= und Meisterwerk gelten, in wenigen Dramen
aber sind seine Seele, sein Gemüt und seine Empfin¬
dungsart so konzentriert niedergelegt. Über der „Liebelei“
ruht die Tragik eines vor unseren Augen sich abspie¬
lenden seelischen Zusammenbruches; im „Vermächtnis“
liegen Trauer und Schmerz hinter Schleiern. Nicht was
die Menschen tun, ist hier tragisch, sondern wie sie sind
und wie sie empfinden. Dementsprechend ist das „Ver¬
mächtnis“ scheinbar blaß, leblos und sentimental; es
ist eine Ranke um das Grabmal der Schnitzlerschen
süßen Wiener Mädel, deren Leben aus Liebe und Tod
besteht. — Die Darsteller waren von den besten Ab¬
sichten erfüllt. Eine künstlerisch hochstehende, von
Schnitzlerschem Geiste durchaus beseelte Figur gab Herr
Lessen als Dozent Schmied. Dieser junge Schau¬
spieler gehört zu unseren allerbesten und feinsten Cha¬
rakteristikern; er hat Phantasie und eine Schärfe der
Ausdrucksgabe, die ihm die Beherrschung eines weiten
Gestaltungskreises ermöglicht. Eine Figur, die sehr
hübsch die Schnitzlerschen Farben zeigte, bot Herr
Mayerhofer; beste Gutmütigkeit eines vergigerlten
Wiener jungen Mannes aus gutem Hause. Herr
Maran als Professor Losatti war witzig und von
feiner Zurückhaltung, durchaus im Stil des Dichters;
sympathisch die Damen Schleinitz und Joseffy.
Frau Niese aber ist den äußeren und inneren Be¬
dingungen für die Verkörperung eines Schnitzlerschen
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süßen Mädels längst entwachsen.
Ausschnitt auswiener Allgemeine Zeitung, Wien.
17.-MAl 1912
Theater in der Josefstadt.) Anläßlich des
Schnitzler=Jubiläums ging das Schauspiel des Dichters
„Das VerSzene. Die Feier wurde zu
einem Fest für die hohe Kunst Hansi Nieses. Man kennt
aus früheren Aufführungen die unvergleichliche, verhaltene,
innige und ergreifende Darstellung der Niese als Toni Weber.
Die Künstlerin löste mit vollendeter Darstellung tiefe Wirkung
aus. Neben ihr ist der scharf umrissene Dr. Schmidt, des
Herrn Lessen sowie die fein abgetönte Darstellung des
Professors durch Herrn Maran besonders lobend hervor¬
zuheben. In kleineren Rollen entsprachen die Damen
Joseffy, Kovacs, Schleinitz, Kaiser und die
Herren Olmühl, Meyvelt, Meyerhofer und
Weißmüller. Das Publikun war aufs tiefste ergriffen,
und dankte nach allen Aktenschlissen den Hauptdarsteller#t.
vor allem Frau Niese mit hazlichem Beifall.

ausschnltt aus:
ustrirte Kronen-Zeitung. Wien
17 S. 1911
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Im Theater in der Josefstadt wurde
Mittwoch abends SchuitzlersGeburtstag durch eine vor¬
kreffliche Aufführung seines „Vermächtnis“ gefeiert.
Die Schwächen des allzu empfindsamen und rührseligen
Stückes auszugleichen, mußte Hansi Niese ihre ganze große
Kunst aufbieten. An Herrn Lessen fand sie einen tüchtigen
Partner. Diesen beiden Künstlern galt auch der reiche Beifall
am Schluß der Vorstellung.

Ausschnitt aus: „ Nauigkorfe-Weitblatt, Wien
vom:
fxeundlich begrüßt.
Schnitzler=Feier. An Schnitzlers 50. Geburtstag
gaben die Wienr—Themer— soweit sie noch nicht
Operettenbühnen geworden sind — sozusagen literar¬
historischen Anschauungsunterricht. Sie spielten die literarische
Biographie des Geburtstagskindes. Im Burgtheater
kam der reife Schnitzler zu Wort, im Deutschen Volks¬
theater der Schnitzler des „Anatol“ und des „Süßen
Mädels“ im Theater in der Josefstadt aber erinnerte
man sich des Schnitzlers von Anno 1898 und gab wieder
einmal nach langer Zeit sein dreiaktiges Schauspiel „Das
Vermächtnis“ Damals war dem Dichter das Leber
noch kein bloßes Spiel, die Menschen noch keine Morionetten
und Puppen. Dieses Stück ist noch voll von Tragik und
Rührseligkeit, die mit ihren Tränen jeden Ansatz zur Satire
auf die veraltete Moral der „guten Gesellschaft“ weg¬
schwemmt. In dieser Tragödie Mutter gewordenen süßen
Mädels tönt noch hie und da eine lauthallende Phrase,
stelzt noch das Pathos durch das überkluge Raisonnement.
Aber das ganze hat seine Wirkung trotz der 14 Lebensjahre
nicht verloren. Die Aufführung war überaus lobenswert.
Ausgezeichnet war Kurt Lessen als Dr. Schmidt, Hansi
Niese spielte die Toni Weber und Herr Maran mit¬
Humor und feiner Ironie den liberalen Abgeordneten und
„Professor Losatti. Diesen dreien galt vor allem der Beifall,
Tandem auch ihre Partner wohlverdienten Anteil hatten. —