II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 323

10. Das Vernaechtnis
Ausschnitt al
Wiener Mittags-Zestung
vom:5- Ml 1914
(Neues Wiener Stadttheater.] „Das
Vermächtnis“, Schauspiel von Artur Schnitzber, ist
nun auch in die Skodagasse übersiedelt. Man hat es zögernd
wiedererkannt und die Macht der verschiedenen Distanzen
recht störend empfunden. Was damals lebendige, spannende
und ergreifende Dichtung war, ist heute fast schon Literatur¬
geschichte; ihre Schmerzlichkeit Pointe, ihre Ironie profes¬
soraler Anarchismus und ihre Gewagtheit geschäftige Klug¬
rednerei. Wahrscheinlich hat das alles einmal gesagt werden
müssen. Aber die Wiederholung ist, wie bei jedem Produkt
allzu eng umzirkelter polemischer Ueberzeugung, unerträglich.
Wo Ibsen verneinte, geschah es gegen die Konvention als
solche. Hier aber wird das, was für Jung=Wien einst die
Gesellschaft war, mit brennenden Farben gemalt und das
Resultat ist ein Häuflein der denkbar zuwidersten Menschen,
deren Gesinnung, Geist und Raison völlig gleichgültig er¬
scheinen. Der duldende Teil ist da von Anbeginn so sehr ins
Recht gesetzt, daß sein Geschick füglich als sträfliches Pech
figuriert. Schnitzler ist seither von dieser larmoyanten
Brüskierung der Jouratmosphäre zu ihrer Vertiefung, Stili¬
sierung und Nüancierung gelangt; er vermag es heute, hinter
einen Tennisplatz in Baden wirklich einen seelisch=lyrischen
Prospekt zu stellen. Im „Vermächtnis“ ist noch alles Ueber¬
bietung, prinzipielle Scharfmacherei ohne Animo. Man be¬
dauert es, Wiedersehen mit einem solennen Theaterstück ge¬
feiert zu haben, das kaum ein gutes ist, weil es zu dick
unterstreicht und zu grob zuspitzt. Auch die Niese hat hier
eigentlich eine spärliche Aufgabe, eine Rolle, über und über
in Moll, Trauerkleidung und gekränkte Unschuld gehüllt.
Freilich kann man dieses tragische Kostüm nicht haltungs¬
voller, sardinierter und mit rührenderer stummer Klage
tragen. Aus einer recht saloppen und fadenscheinigen Staf¬
fage stach noch Herr Baron hervor, der aus dem Professor
Losatti den prachtvollsten Salonhohlkopf machte, ihm eine un¬
freiwillig mokante Komik und eine brillante geschwätzige
Drastik gab. Durchaus repräsentabel auch der eisig ge¬
nossene, von Strebertum und plebejischem Neid gleichsam
ausgelaugte Dr. Schmidt des Herrn Richter. L. U.
Ausschnitt aug
Kaniaries Wiener Extrablatt
vom: 5-Ml 1914 Wien
Neues Wiener Stadttheater. Gestern öffneten
sich die Pforten der neuen Bühne für Artur
Schnitzl##der mit seinem Schauspiel „Das Ver¬
m##ch#nis“ hier zu Worte kam. Das Drama, das
zu den interessantesten unseres heimischen Dichters
gehört, gab schon früher einmal Frau Niese Gelegenheit,
in der rührend schönen Gestalt der Toni Weber ihre
hohe Kunst zu zeigen, und auch gestern ergriff sie
das Publikum durch die Echtheit ihrer Charakterisierung
und die tragische Schlichtheit des Tones. Unter den
Mitwirkenden fielen Herr Baron in der Rolle des
Professors Lottasi, Frau Werner als Emma Winter
in angenehmster Weise auf. Aber auch die anderen
Mitwirkenden, die Damen Joseffy und Laval,
die Herren Richter und Olmühl trugen das ihre
bei, dem Werke einen starken Erfolg zu erringen.

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S. ST, WIER
Ausschnitt aus:
6- MAl 1914
vom:
— Neues Wiener Stadttheater. „Das Vermächt¬
nis“ von Artur Schnitzler mit Hansi Niese als
Gast. Das Schaufpiel selbst ist den Wienern längst be¬
kannt und zeigt übrigens den typischen Charakter der
Schnitzlerschen Stücke, so daß es Wasser in die Donau
tragen hieße, wollte man über seinen Inhalt und seine
Tendenz auch nur ein Wort verlieren. Das Spiel der
Darsteller kann schlechterdings ausgezeichnet genannt
werden. Hansi Niese als Toni Weber bewies ihr ge¬
wohntes meisterliches Können, neben ihr haben die Damen
Joseffy als Frau Betty, Laval und Eugenie Werner
den Intentionen des Dichters gewiß vollauf entsprochen.
Von den Herren verdienen Ewin Baron, Paul Ol¬
mühl und Paul Richter ehrliche Anerkennung. Jeden¬
falls versteht es die junge Bühne, ihre tüchtigen Kräfte
immer wieber in vorteilhaftes Licht zu stellen. Freilich be¬
deutet das heutige Stück keine wertvolle Bereicherung des
6b
Repertoires.
ENER CARICATUREN
Husschnitt
MR1914
vom:
F— Der Schlager des Theaters war die
Aufführung von Artur.Schnitzlers.
„Vermächtnis“ welches, im Burg¬
theater vernachlässigt, hier eine fröh¬
liche Auferstehung feiern durfte. Wir
werden auf die Einzelleistungen noch
zurückkommen und wollen hier nur den
großen Erfolg konstatieren.