II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 333

box 16//6
10. Das Vernaechtnis
Aersersen. .
#Uhr
(Raimund=Theater.) Artur Schnitzlers Schau= kram
spiel „Das Vermächtnis“ kommt aus seiner dichterischen Mari
Frühzeit her. Man merkt es nicht so sehr am gedanklichen Inhalt, Sieg
als an der scharf anklägerischen Geste. Sie hat tendenziösen fliege
Schwung. Manchmal ballt sie sich zur drohenden Faust, aber Lippe
schließlich verwandelt sie sich doch nur in einen erhobenen Zeige=word.
finger, der bloß eine Ermahnung zur Güte bedeutet. Das ist beder
schon der verstehende Schnitzler von später. Zur Zeit, als dieses ihren
Schauspiel entstand, hatte er für seinen äußeren Stil noch nicht bewäl
ganz den inneren gefunden. Das Rechnerische löste sich nur Frau
langsam im Seelischen auf. Dieses „Vermächtnis“ stellt sich als scheud
ein simpler Fall dar, als ein Exempel mit der Frage: „Wie ver= bloß
hält man sich, wenn . . ., und welche Folgen ergeben sich für die
Betroffenen, sobald ...?" Dieser Fall ist gegeben durch den
Todessturz des jungen Mannes, der in seiner letzten Stunde den „Fr¬#
hochbürgerlichen Eltern eingesteht, daß er eine Geliebte und ein mit de
Kind hat, und ihnen nun beide als Vermächtnis hinterläßt. Man der g!
nimmt sie ins Haus, wo sie fremd bleiben, weil die Moralgesetze antrat,
einen Stoß erleiden. Das Mädel aus dem „Volk“ gilt natürlich Die n
nur als eine „Peison“, das Kind aber gehört schon eher zurshard
Familie, weil es schließlich blutsverwandt ist. Das ist das Beispiel gehobe.
Eins. Beispiel Zwei ist der Tod des Kindes und die Frage: Wie Wal¬
verhält man sich nun, da bloß noch die Mutter übrig blieb, und hi
die „Person“, nämlich, die doch eigentlich aufgehört hat, der nimmt
Familie etwas zu bedeuten? Man ekelt sie also hinaus und sie schon
gebt sreiwillig in den Tod. Schnitzler zieht gegen Moral= reißt.
anschauungen ins Feld. Er macht die These zur Anklage. Hier einlage
aber zeigt sich, wie These und Tendenz, sofern sie etwas beweisen ein vo¬
will, sich immer dem Dichter hinderlich in den Weg stellt. Denn, das
tieser gesehen, ist auch in diesem Stück jeder Charakter für sich gefiel
scharf umrissen, sogar ausgereift, nur bleiben sie untereinander
nicht verbunden. Das Schauspiel rückt darum ganz ins Theater mit der
hinein und verliert den Boden, so oft es ausbrechen will. Dem Herren¬
Theater als solchem gibt es manches, namentlich im ersten Akt. Betetto.
der in seiner straffen Exposition einen starken Griff hat. Die Diese B
späteren Wirkungen sind schon mehr Aufguß. Es wird ein Schauspiel
mit rein dialektischem Wert. Daß dieser selbst nach fünfundzwanzig
Jahren kein einzigesmal zur fühlbaren Banalität wird, möchte in „R#
man als Seltsamkeit noch extra vermerken. Darum, und über¬
haupt als Literaturding an sich, ist die Aufführung des „Ver- sich am
mächtnis“ mehr als ein Experiment; man könnte sagen: eine tritt her
Selbstverständlichkeit. Das Raimund-Theater hat sein interessantes
in diese
Spieljahr mit dieser Neueinstudierung aufs glücklichste abgeschlossen.
Eine von Dr. Beer liebevoll durchgearbeitete Aufführung umgab seiner V
das Schauspiel mit einer geistig beschwingten Atmosphäre. Er begl
In ihr gediehen auch die darstellerischen Leistungen. Da Interpre
ist zunächst der Vater des Herrn Forest, der diesen Bergmar
latenten Pathetiker mit einer prachtvollen Charakteristik lebendig des Me¬
machte und vielleicht das klarste Kabinettstück in der Reihe jener wird Si
Figuren gab, die aus dem Einzeltyp in die allgemeine Bürger¬
lichkeit hineinreichen. Dem Versuch des Fräuleins Kartousch, von Präsi
der Operette weg eine Beziehung zum Prosastück herzustellen, Bühneng
kam die Rolle der Toni Weber, die eine gedämpfte Art süßes vorstellut
Mädel ist, reichlich entgegen: Die Ueberwindung der Operette öffentlicht
zeigte sich bei Fräulein Kartousch vor allem in dem fast ängst- absichtigt.
lichen Bestreben nach Schlichtheit. So band sie Liebevolles und Doch an
Schmerzhaftes mit leichten Fäden aneinander und gab Schicksal,
und and
ohne Schicksal zu spielen. Der schauspielerische, in seiner Aus= werden b
wirkung originelle Versuch verdiente schon um des Gegensatzes als Rent
zweier Darstellungsstile willen, wie Prosa und Operette sich
Paul G.
scheiden, das starke Interesse. Die Vortrefflichkeit der Einzel¬
leistungen, die bei den Damen Förster, Geßner, Karoly und
theaters
Witzmann und bei den Herren Lessen, Neugebauer, Kersten
wurde al
und Weil zutage traten, rundete die Aufführung zu einem ein¬
geben, di
drucksvollen Ganzen ab. Der Beifall entlud sich stark, aber der
vor Geri¬
Dichter blieb fern. An seiner Stelle dankte der Spielleiter und
Direktor Dr. Beer.
— D8—
Weimar,
(Theater in der Josefstadt.) Kähe Dorsch ist
Oper k
.. T.
r
## „ 1