II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 335

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10. Das Vernaechtnis
un un Drugwenen Orten werden bereits in dieser Richtung
Verluchstellt.
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Kleines Feuilleton.
Im Intimen Theater ging vergangenen Samstag als „Novität“
älteren Kalibers Schnitzlers Vermächtniß“ erstmalig in Szene
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und zwar mit durchschlagendem Erfolge.
Hugo, der Sohn des Professors Losatti, stürzt vom Pferde
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und legt in den letzten Zügen seinen Eltern flehend noch aus
die
Herz, seine Geliebte und sein Kind als Familienmitglieder in ihr
Haus aufzunehmen. Mit widerstreitenden Empfindungen erfüllen
4
sie ja wohl das Vermächtniß des theuren Todten, obgleich es
lge
ihren gesellschaftlichen Grundsätzen und Lebensprinzipien zuwider¬
den
läuft; als aber das Kind stirbt, und damit das letzte Band, das
(die
seine Mutter an die Familie knüpft, sich löst, ist auch für die
Der,
Geliebte Hugos kein Platz mehr im Hause. Einsam und von
Allem verlassen, was ihr einst theuer war, erscheint ihr das Leben
f.
nicht mehr lebenswerth und so geht sie freiwillig in den Tod.
inen,
So einfach der Vorwurf an und für sich ist, so reizvoll —
zum
man möchte fast sagen virtuos — verstand der Dichter den Stoff
tiges
zu gestalten. Zunächst durch den reichen Stimmungs= und
ungs
Gefühlsgehalt, den er in das Stück legte, und dann vor Allem
imi¬
durch die wirksame Kontrastirung interessanter, wenn auch nicht
er¬
durchweo lebenswahrer Charaktere.
nicht
Die Aufführung war ganz vorzüglich. Jeder stand auf
ruch
seinem Posten. Mit künstlerischer Feinheit wußte insbesondere
hrie
Herr Rippert, der sich auch um die Regie verdient gemacht
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hatte, den Typus des vulgären Bouracois zu verkörpern und
Frau Schaper=Olden die fühlende Mutter und Frau wieder¬
ab
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zugeben. Eine wohldurchdachte und fein ausgearbeitete Leistung
bot auch Herr Abel. Wenn sein Dr. Schmidt trotzdem etwas
ge¬
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unglaubhaft erschien, war es gewiß nicht seine Schuld.
Dr. L.


——
Thältniß mit einem aus kleinbürgerlicher Familie Losatti'sche Familie einen willkommenen Anlaß
stammenden jungen Mädchen Toni Weber. Dem aller Verpflichtungen gegen das verlassene, ung
Feuilleton.
liche Weib ledig zu erklären. Durch Dr. Sch
Bunde entsproß ein hübscher Knabe, 4 Jahre ist er
läßt man Toni mittheilen, daß nun ihres Ble#
alt. Da wird durch des Schicksals rauhe Hand das
stille Glück der Liebenden zerstört. Hugo Losatti im Hause Losatti nicht mehr auf die Dauer
Das Vermächtniß.
stürzt bei einem Spazierritt und wird sterbend seinen kann, daß man aber außerhalb des Hauses in
Eltern in's Haus getragen; er hat eben noch die rieller Beziehung für sie sorgen werde. Die von
Schauspiel in 3 Aufzügen von Arthur Schnitzler.
Kraft, ihnen sein Geheimniß anzuvertrauen und zu= Verlassene zieht aber einem solchen Dasein den
t. Nürnberg, 13. Okt. (Intimes Theater.)
gleich das Versprechen abzunehmen, sein Kind und vor. Sie entfernt sich unter Hinterlassung
Arthur Schnitzler ist wohl der bedeutendste und kraft¬
dessen Mutter in ihr Haus aufzunehmen.. Und wenn Zettels, man möge nicht nach ihr suchen, es
vollste Dramatiker „Jungwien's“, jener bunten
spät. Die Klasseninteressen haben gesiegt
Gruppe von Literaten, die um Hermann Bahr sich auch von Seiten der Angehörigen Bedenken sich gel¬
Franziska
schaart, der, nachdem er in einem Wanderleben die tend machen, das Vermächtniß des Todten ist imMenschlichkeit und Pflicht.
ersten Augenblick denn doch heilig genug, als daß empfindet die ganze Schwere des Unrechts, das
ganze Kultur Mitteleuropa's, wie er selbst von sich
an dem „Vermächtniß" des verstorbenen Bruden
man es unerfüllt lassen könnte.
mit Stolz rühmt, in sich aufgenommen, als ein Mo¬
gangen hat: „Wir sind feig gewesen, wir hab
Zwei verschiedene Welten werden so einander
derner modernen Geist in das literarische Wien
nicht gewagt, sie so lieb zu haben, wie siee
näher gerückt. Die Klassengegensätze platzen auf¬
brachte. Schnitzler ist eigentlich der Einzige, der sich
dient hat. Gnade haben wir ihr erwiesen, Gi
einander. „In uns Allen ist die Sehnsucht nach
von dieser Jungwiener Schule emporgearbeitet hat.
Und wir hätten einsach gut sein müssen.“ In
Glück.“ Aber in der einen Welt genießt man dieses
Während Bahr Positives nur wenig geleistet hat
richtiger Konsequenz dieses Bewußtseins sagt
Glück, wo man es findet, skrupellos und reuelos, wie
und die Anderen von seiner Sippe an den von
ziska sich los von der Weltanschauung Dr. Schn
Toni Weber es gethan, in der anderen muß man es
Schnitzler geschaffenen Typen des „süßen Mädels“
und diesem selbst. Das ist der einzige Lichtbl
sich unter Entbehrungen erringen oder ihm auch
und des müden Anatol hängen geblieben sind, fand
dem düsteren Drama, über das sich sonst sch
er in kräftiger und fortschreitender Entwickelung den ganz entsagen wie Dr. Schmidt, der Hausarzt bei
sentinientale Stimmung breitet, die auf Einem
Losattis, in dem eine freudelose, harte Jugend alles
Anschluß an die Berliner dramatische Revolution.
wie ein drückender Alp, von dem man sich verg##
Menschliche erstickt hat und in dem sich das kon¬
Schon in die „Liebelei“ mengen sich soziale Töne,
zu befreien sucht. Les extrémes se touchent,
ventionelle Prinzip, die bürgerliche Gesellschaft mit
und stärker noch schlägt er sie in seinem Schauspiel
gilt auch von dem Eharakter des Wieners, denn
ihren hergebrachten Begriffen von Sitte und Moral
„Freiwild“ an. Auch in seinem Schauspiel „Ver¬
wäre es kaum erklärlich, wie diese von Senti
verkörpert. Er ist Losatti's Tochter Franziska zum
mächtniß", das am Samstag Abend im Intimen
talität triefende Dichtung auf demselben B##
Gatten bestimmt und leitet hieraus das Recht ab, in
Theater zum ersten Mal aufgeführt wurde, will er
sprossen konnte, der die Königin unter der Opc
Familienangelegenheiten mitreden zu dürfen. Mit
Schilderer und Richter des Bestehenden sein. Er
mit ihren prickelnden Walzermelodien hervorgel
Dr. Schmidt im Bunde steht der alte Losatti mit
kämpft darin für das Recht der unehelichen Kinder
hat. Einige Situationen in dem Stücke entb
seinem Scheinliberalismus; ihnen gegenüber die der
und deren Mütter, auf die unsere sog. Gesellschaft
der Natürlichkeit, so die Szenen am Sterbeben
Familie Losatti verschwägerte Wittwe Winter und
in ihrem Pharisäerthum verächtlich herabsieht und
1. Akt. In der Schilderung der Charaktere zeig
Franziska als Vertreter der Menschlichkeit und Ver¬
die sie als Unwürdige und Aussätzige aus ihrer
die Schnitzler eigene feine Beobachtungsgabe.
söhnlichkeit.
Mitte ausschließt.
Der Dichter hat als Ort der Handlung Wien
Als nun gar das Kind stirbt, da ist das Band,
Dr. Hugo Losatti, der Sohn des Professors der
gegeben. In der Aufführung des Intimen The#
das die beiden einander fremden Welten eine Zeit
Nationalökonomie und „liberalen“ Abgeordneten
Losatti, hat seit Jahren ein heimliches Liebesver¬ lang zusammengehalten hat, gelöst, da hat die suchte man den „Weaner" Lokalton vergeblich. A