II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 336

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10. Das Vernaechtnis

hältniß mit einem aus kleinbürgerlicher Familief Losatti'sche Familie einen willkommenen Anlaß, sich man nicht ab und zu vom Prater oder sonst einer
tammenden jungen Mädchen Toni Weber. Dem jaller Verpflichtungen gegen das verlassene, unglück= Wiener Spezialität gehört hätte, so hätte man sich
Bunde entsproß ein hübscher Knabe, 4 Jahre ist erliche Weib ledig zu erklären. Durch Dr. Schmidt
ebenso gut nach Berlin versetzt fühlen können wie
hlt. Da wird durch des Schicksals rauhe Hand das läßt man Toni mittheilen, daß nun ihres Bleibens
nach Wien. Im Uebrigen war die Darstellung
tille Glück der Liebenden zerstört. Hugo Losatti im Hause Losatti nicht mehr auf die Dauer sein theilweise als recht gut zu bezeichnen. Scharf heraus¬
türzt bei einem Spazierritt und wird sterbend seinen kann, daß man aber außerhalb des Hauses in mate¬
gearbeitete Charaktere waren der Prof. Losatti des
Eltern in's Haus getragen; er hat eben noch die rieller Beziehung für sie sorgen werde Die von Allen Herrn Rippert und der Dr. Schmidt des Herrn Abel.
Kraft, ihnen sein Geheimniß anzuvertrauen und zu= Verlassene zieht aber einem solchen Dasein den Tod Frlu. Isenta war in der Rolle der Franziska recht
vor. Sie entfernt sich unter Hinterlassung eines
leich das Versprechen abzunehmen, sein Kind und
natürlich, während Frln. Schaper=Olden in der der
dessen Mutter in ihr Haus aufzunehmen. Und wenn
Zettels, man möge nicht nach ihr suchen, es sei zu
Toni übertrieb. Temperamentvoll gespielt war der
uch von Seiten der Angehörigen Bedenken sich gel- spät. Die Klasseninteressen haben gesiegt über
flegelhafte Quartaner des Frl. Mudra, Tempera¬
kend machen, das Vermächtniß des Todten ist imMenschlichkeit und Pflicht.
Franziska allein
ment hat auch Frln. Détschy, die sich in der kleinen
ersten Augenblick denn doch heilig genug, als daß empfindet die ganze Schwere des Unrechts, das man
Rolle eines unglücklich liebenden Backfisches dem
nan es unerfüllt lassen könnte.
an dem „Vermächtniß“ des verstorbenen Bruders be¬
Zwei verschiedene Welten werden so einander
gangen hat: „Wir sind feig gewesen, wir haben es
danserbonden duge Soallnichtgan. Grin Meir¬
äher gerückt. Die Klassengegensätze platzen auf¬
nicht gewagt, sie so lieb zu haben, wie sie es ver¬
ner, die die Frau Prof Losatti spielte, macht im
kinander. „In uns Allen ist die Sehnsucht nach
ldient hat. Gnade haben wir ihr erwiesen, Gnade!
Salon eine weniger glückliche Figur als in der
Blück.“ Aber in der einen Welt genießt man dieses
Und wir hätten einsach gut sein müssen.“ In folge= Arbeiterstube. Ganz und gar fiel wieder die Wittwe
Glück, wo man es findet, skrupellos und reuelos, wie
richtiger Konsequenz dieses Bewußtseins sagt Fran= Winter des Frln. Gandy ab. Kleinere Rollen waren
Koni Weber es gethan, in der anderen muß man es
ziska sich los von der Weltanschauung Dr. Schmidt's durch die HH. Schroder und Walter gut vertreten.
lich unter Entbehrungen erringen oder ihm auch und diesem selbst. Das ist der einzige Lichtblick in Das Publikum nahm jeden einzelnen Akt mit Bei¬
anz entsagen wie Dr. Schmidt, der Hausarzt bei dem düsteren Drama, über das sich sonst schwüle,
fall auf.
Posattis, in dem eine freudelose, harte Jugend alles
sentimentale Stimmung breitet, die auf Einem lastet
wie ein drückender Alp, von dem man sich vergeblich
Menschliche erstickt hat und in dem sich das kon¬
Kleine Mittheilungen.
zu befreien sucht. Les extrémes se touchent, Das
entionelle Prinzip, die bürgerliche Gesellschaft mit
Der gemeldete Austritt des Grafen
hren hergebrachten Begriffen von Sitte und Moral gilt auch von dem Eharakter des Wieners, denn sonst
berkörpert. Er ist Losatti's Tochter Franziska zum wäre es kaum erklärlich, wie diese von Sentimen= Esterhazy aus dem Jesuitenorden ist
talität triefende Dichtung auf demselben Boden auf einen Liebesroman zurückzuführen. Der Graf
Getten bestimmt und leitet hieraus das Recht ab, in
sprossen konnte, der die Königin unter der Operette kam in Pest mit der Marquise Marie Teyllard
Familienangelegenheiten mitreden zu dürfen. Mit
[de Reynard zusammen, die er in seiner Jugend
mit ihren prickelnden Walzermelodien hervorgebracht
Dr. Schmidt im Bunde steht der alte Losatti mit
in Paris kennen gelernt hatte, die aber seitdem ver¬
hat. Einige Situationen in dem Stücke entbehren
keinem Scheinliberalismus; ihnen gegenüber die der
arnit war und in aristokratischen Kreisen in Pest
der Natürlichkeit, so die Szenen am Sterbebett im
Familie Losatti verschwägerte Wittwe Winter und
französische Stunden gab. Um sie heirathen zu
Franziska als Vertreter der Menschlichkeit und Ver=14. Akt. In der Schilderung der Charaktere zeigt sich
können, verließ Esterhazy den Orden und trat zum
die Schnitzler eigene feine Beobachtungsgabe.
öhnlichkeit.
protestantischen Glauben über. Esterhazy ist 45,
Der Dichter hat als Ort der Handlung Wien an¬
Als nun gar das Kind stirbt, da st das Band,
gegeben. In der Aufführung des Intimen Theaters Marie Reynard 34 Jahre alt.
das die beiden einander fremden Welten eine Zeit
sang zusammengehalten hat, gelöst, da hat die suchte man den „Weaner“ Lokalton vergeblich. Wenn