II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 6

9. 3. Der
gruene Kakadu
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I. H—r. Lobe=Theater. Nachdem in der Matinée der Freien
Litterarischen Vereinigung am Sonntag bereits „Der grüne Kakadu“ von
den Kräften der Vereinigten Bühnen mit starkem Erfolge zur Darstellung
gebracht wor, wurden am Mittwoch Abend im Lobe=Theater vor dem
„Grünen Kaladu“ auch die beiden änderen Schnitzlerschen Einakter „Para¬
celsus" und „Die Gefährtin“ vorgeführt. Schnitzler hal davon Abstand
genommen, die drei für einen Abend bestimmten Einakter mit einem
Sammeltitel zu versehen, wie etwa Sudermann in „Morituri“ oder Hart¬
leben in „Die Befreiten.“ Aber er hat die geistige Zusammengehörigkeit
der drei Werke kurz und treffend durch das Motto gekennzeichnet, das er
der Buchausgabe voranstellte: „Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug“
Vielleicht hätte er seine Absicht, faßt möchte ich sagen die Tendenz, noch
klarer ausgedrückt, wenn er den Sotz im Zusammenhange abgedruckt hätte,
in dem ihn Parotelsus spricht:
Es fließen in einander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von Andera, nichts von uns.
Wir spielen immer,##wiß ist klug.
Vielleicht auch hätte eine andere Stelle aus dem Paracelsus die Idee
aller drei Stücke noch klarer ausgedrückt: „Mehr als die Wahrheit, die da
war und sein wird, ist Wahn, der ist. . ..“ Alle drei Stücke sind
Glossen zu demselben Thema: die ganze Welt, die Menschen und Dinge um
uns sind für uns nur das, was wir von ihnen wähnen. Schnigler hat in
den drei Stücken die drei Fälle entweder auf Grund absichtlscher Be¬
rechnung und Konstruktion oder nur auf Grund dichterischer Inspiration
Für.
gesondert behandelt, denen am ehesten sich Schein und Wahrheit, Traum
und Wirklichkeit verwischen. In der „Gefährtin“ handelt es sich um eine
Tragödie der Autosuggestion, um den Wahn, in dem ein Mann
sich das Bild seiner treulosen Gattin bis zu ihrem Tode als das einer
Märtyrerin ihrer Liebe konstruirt. Im „Paracelsus“ wird die ganz fla¬
moderne Form der Suggestion in der Hypnose, um etwa vier Jahr¬en
Abe
Ab
hunderte zurückgeschraubt, in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Der
berühmteste Charlatan Theophrastus Bombastus Paracelsus zeigt einem
biedert., prahlsichtigen, philiströs stolzen Baseler Waffenschmied, auf wie
schwachen Füßen sein Glauben an die Wirklichkeit eines felsenfesten Glückes
steht, er zeigt ihm, daß ein Traum oft mehr Wahrheii enthält, als wir uns
in Wahrheit träumen lassen. Im „Grünen Kakadu“, find es bereits eine
Art Wahnvorstellungen fieberhaft erregter Geister, die die Grenzen
zwischen Sein und Schein, zwischen Spiel und Leben verwischen. Die
beiden anderen Einatier reichen an die dichterische Bedeutung und dra¬
matische Wirksamkeit des grünen Nakadu nicht heran, wenn sie auch ihre
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eigenen hohen Reize haben. In der „Gefahrtin“ bewundern wir die seinen
intime Kunst, mit der uns die treulose Dahingeschiedene greifbar deutlich
in ihrem seltsamen Liebeswesen vor die Augen gezaubert wird. Im „Para¬
celsus“ bewundern wir die elegante Gewandheit, mit der der Dichter mit
Worten und Gedanken spielt; es erschient fast selbstverständlich, daß
der Dichter für diese Gedankenspielerei die Versform gewählt hat, diel
alles glitzernder, zierlicher erscheinen läßt. Leider verpuffte grade
im „Paracelsus“ manches Schöne durch die Darstellung. Die feine Zu¬
spitzung des Kontrastes zwischen Körper und Geist, zwischen dem stolzen,
stattlichen gefesteten Waffenschmied mit seiner fast brutalen strotzenden
Kraft und Gesundheit und dem hypnotisirenden Arzt, der durch die dämo¬
nische Kraft seines Geistes alle anderen Geister unterjocht und und in
einem Kampfe stets Sieger bleiben wird, sobald er es selbst nur ernstlich
will. Herr Lehrmann gab den Cyprian doch zu sehr als gutmüthigen
Prahlhans, als daß es für einen Paracelsus sehr der Mühe hätte lohnen
können, ihn seine Macht fühlen zu lassen. Und nun erst der Paracelsus
des Herrn Höfer. Das war ein schnurriges Gemisch von Basilio aus
dem „Figaro“ und einem civilisirten Mephisto. Herr Höfer ließ sich als
gebildeter Mann vermuthlich durch die historische Auffassung des Paracelsus
als eines kecken Gauklers und prahlerischen Charlatans beirren. In dem
Schnitzlerschen Stücke ist der berühmte Mann aber einer von den wirklick
Großen im Reiche des Geistes; wie ein Sturmwind kommt er, der die
Thore der Seelen für einen Augenblick aufreißt und jeden einen Blick hinein¬
thun läßt in diese sonst verschlossenen Regionen. Die weibliche Hauptrolle
die Justina, war bei Fräulein Gabri gut aufgehoben; Fräuleir
Jurberg sekundirte ihr als Caecilia gleichfalls ganz gut, wenn auch di
offizielle Backfischdarstellerin hier wohl besser am Platze gewesen wär
Herr Träger gab den Junker Anselm mit gutem Anstand und warmer
Ton. — Die Darstellung der „Gefährtin“ war einheitlicher in der Stim
mung. Herr Johow gab den armen Professor, der erst nach dem Tod
der Frau Klarheit gewinnt, wie unendlich fern sie ihm gestanden, di
„zufällig in seinem Hause gestorben“ in vornehmer Zurückhaltung un
männlichem Selbstbewußtsein. Die kleinen Rollen wurden durch Fräulei
Gabri und Herrn Lettinger gut durchgeführt. Wenn trotz der Fein
lgemeinen stimmungsvollen Darstellung