Für
der Buchausgabe voranstellte: „Wir spielen immer; wer es weiß, ist klag.“
Vielleicht hätte er seine Absicht, faßt möchte ich sagen die Tendenz, noch
klarer ausgedrückt, wenn er den Satz im Zusammenhange abgedruckt hättz,
in dem ihn Paracelsus spricht:
Es fließen in einander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von Anhern, nichts von uns.
Wir spielen immer, wor es weiß, ist klug.
Vielleicht auch hätte eine andere Stelle aus dem Paraceisus die Ider
aller drei Stücke noch klarer ausgebrückt: „Mehr als die Wahrheit, die da
was und sein wird, ist Wahn, der ist. ...“ Alle drei Stücke sind
Glossen zu demselben Thema: die ganze Welt, die Menschen und Dinge um
uns sind für uns nur das, was wir von ihnen wähnen. Schnitzler hat in
den drei Stüicken vie drei Fälle entweder auf Grund absichtlicher Be¬
rechnung und Konstruktion oder nur auf Grund dichterischer Inspiration
gesondert behandelt, denen am ehesten sich Schein und Wahrheit, Traum
und Wirklichkeit verwischen. In der „Gefährtin“ handelt es sich um eine
Tragödie der Autosuggestion, um den Wahn, in dem ein Mann
sich das Bild seiner treulosen Gattin bis zu ihrem Tode als das einer
Märkyrerin ihrer Liebe ionstruirt. Im „Paracelsus“ wird die ganzda¬
moderne Form der Suggestion in der Hypnose, um etwa vier Jahr= den
hunderte zurückgeschraubt, in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Der¬
berühmteste Charlatan Theophrastus Bombastus Paracelsus zeigt einem
biedern, prahlsichtigen, philiströs stolzen Baseler Waffenschmied, auf wie mmn
schwachen Füßen sein Glauben an die Wirklichkeit eines felsenfesten Glückes
steht, er zeigt ihm, daß ein Traum oft mehr Wahrheit enthält, als wir uns
in Wahrheit träumen lassen. Im „Grünen Kakadu“ sind es bereits eine
Art Wahnvorstellungen fieberhaft erregter Geister, die die Grenzen
zwischen Sein und Schein, zwischen Spiel und Leben verwischen. Die
beiden anderen Einakter reichen an die dichterische Bedeutung und dra¬
matische Wirksamkeit des grünen Katadu niat heran, winn sie auch ihre
eigenen hoben Reize haben. In der „Gefährtin“ bewundern wer die feine
intime Kunst, mit der uns die triulose Dahingeschiedene greifbar deutlich
in ihrem selisamen Liebeswesen vor die Augen gezaubert wird. Im „Para¬
celsus“ bewundern wir die elegante Gewandheit, mit der der Dichter mit
Worten und Gedanken spielt; es erschient fast selbstverständlich, daß
der Dichter für diese Gedantenspielerei die Versform gewählt hat, die
alles glitzernder, zierlicher erscheinen läßt. Leider verpuffte grale
im „Paracelsus“ manches Schöne durch die Darstellung. Die feine Zur
spitzung des Kontrastes zwischen Körper und Geist, zwischen dem stolzen,
stttlichen gefesteten Waffenschmied mit seiner fast brutalen strotzenden
Kraft und Gesundheit und dem hypaotikrinten Arzt, der durch die dämo¬
nische Kraft seines Geistes alle anderen Ceister unterjocht und und in
einem Kampfe siets Sieger bleiben wird, sobald er es selbst nur ernstlich
will. Here Lehrmann gab den Cyprian doch zu sehr als gutmnüthigen
Prahlhans, als daß is für einen Pararelsuß sehr der Mühe hätte lohnen
können, ihn seine Macht fühlen zu lassen. Und nun erst der Paracelsus
des Herrn Höfer. Das war ein schnurrig's Gemisch von Basilio aus
dem „Figaro“ und einem civilisirten Mephisto. Herr Höfer ließ sich als
gebildeter Mann vermuthlich durch die historische Auffassung des Paracelsuk
als eines kecken Gauklers und prahlerischen Cyarlatans beirren. In den
Schnitzlerschen Stücke ist der berühmte Mann aber einer von den wirklich
Großen im Reiche des Geistes; wie ein Sturmwind kommt er, der die
Thore der Seelen für einen Augenblick aufreißt und jeden einen Blick hinein
thun läßt in diese sonst verschlossenen Regionen. Die weibliche H auptrolle
die Justina, war bei Fräulein Gabri gut aufgehoben; Fräuleir
Jurberg sekundirte ihr als Caecilia gleichfalls ganz gut, wenn auch bi
offiziell: Backfischdarstellerin hier wohl besser am Platze gewesen wär
Herr Träger gab den Junker Anselm mit gutem Anstand und warmer
Ton. — Die Darstellung der „Gefährtin“ war einheitlicher in der Stim
mung. Herr Johow gab den armen Professor, der erst nach dem Tob
der Frau Klurheit gewinnt, wie unendlich fern sie ihm gestanden, di
„zufällig in seinem Hause gestorben“ in vornehmer Zurückhaltung un
männlichem Selbstbewußtsein. Die kleinen Rollen wurden durch Fräulei
Gabri und Herrn Lettinger gut durchgeführt. Wenn trotz der Fein
heit des Stückes und der im allgemeinen stimmungsvollen Darstellung
am Schlusse einige Leute glaubten zischen zu müssen, was übrigens nur dei
Beifall der großen Majorität verstärkte, so ist dem wohl kaum erheblich
Bedeutung beizumessen. Es giebt im Theater immer Leute, die klatschen
wenn etwas sehr Tugendhaftes gesagt und gethan wird, im umgekehrter
Falle aber ihre sittliche Entrüstung über moralische Defekte äußern. Offen¬
bac verschnupfte es einige, daß sich der Professor Pilgram mit so viel
Seelengröße und Seelenruhe in sein Schicksal fand; vermuthlich hatte
man gehofft, daß er mindestens einen todischießen würde, im Nothfalle sich
selbst. Aber so! — Den Schluß der Vorstellung bilde „Der grüne
——
Kakadu“.
E
der Buchausgabe voranstellte: „Wir spielen immer; wer es weiß, ist klag.“
Vielleicht hätte er seine Absicht, faßt möchte ich sagen die Tendenz, noch
klarer ausgedrückt, wenn er den Satz im Zusammenhange abgedruckt hättz,
in dem ihn Paracelsus spricht:
Es fließen in einander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von Anhern, nichts von uns.
Wir spielen immer, wor es weiß, ist klug.
Vielleicht auch hätte eine andere Stelle aus dem Paraceisus die Ider
aller drei Stücke noch klarer ausgebrückt: „Mehr als die Wahrheit, die da
was und sein wird, ist Wahn, der ist. ...“ Alle drei Stücke sind
Glossen zu demselben Thema: die ganze Welt, die Menschen und Dinge um
uns sind für uns nur das, was wir von ihnen wähnen. Schnitzler hat in
den drei Stüicken vie drei Fälle entweder auf Grund absichtlicher Be¬
rechnung und Konstruktion oder nur auf Grund dichterischer Inspiration
gesondert behandelt, denen am ehesten sich Schein und Wahrheit, Traum
und Wirklichkeit verwischen. In der „Gefährtin“ handelt es sich um eine
Tragödie der Autosuggestion, um den Wahn, in dem ein Mann
sich das Bild seiner treulosen Gattin bis zu ihrem Tode als das einer
Märkyrerin ihrer Liebe ionstruirt. Im „Paracelsus“ wird die ganzda¬
moderne Form der Suggestion in der Hypnose, um etwa vier Jahr= den
hunderte zurückgeschraubt, in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Der¬
berühmteste Charlatan Theophrastus Bombastus Paracelsus zeigt einem
biedern, prahlsichtigen, philiströs stolzen Baseler Waffenschmied, auf wie mmn
schwachen Füßen sein Glauben an die Wirklichkeit eines felsenfesten Glückes
steht, er zeigt ihm, daß ein Traum oft mehr Wahrheit enthält, als wir uns
in Wahrheit träumen lassen. Im „Grünen Kakadu“ sind es bereits eine
Art Wahnvorstellungen fieberhaft erregter Geister, die die Grenzen
zwischen Sein und Schein, zwischen Spiel und Leben verwischen. Die
beiden anderen Einakter reichen an die dichterische Bedeutung und dra¬
matische Wirksamkeit des grünen Katadu niat heran, winn sie auch ihre
eigenen hoben Reize haben. In der „Gefährtin“ bewundern wer die feine
intime Kunst, mit der uns die triulose Dahingeschiedene greifbar deutlich
in ihrem selisamen Liebeswesen vor die Augen gezaubert wird. Im „Para¬
celsus“ bewundern wir die elegante Gewandheit, mit der der Dichter mit
Worten und Gedanken spielt; es erschient fast selbstverständlich, daß
der Dichter für diese Gedantenspielerei die Versform gewählt hat, die
alles glitzernder, zierlicher erscheinen läßt. Leider verpuffte grale
im „Paracelsus“ manches Schöne durch die Darstellung. Die feine Zur
spitzung des Kontrastes zwischen Körper und Geist, zwischen dem stolzen,
stttlichen gefesteten Waffenschmied mit seiner fast brutalen strotzenden
Kraft und Gesundheit und dem hypaotikrinten Arzt, der durch die dämo¬
nische Kraft seines Geistes alle anderen Ceister unterjocht und und in
einem Kampfe siets Sieger bleiben wird, sobald er es selbst nur ernstlich
will. Here Lehrmann gab den Cyprian doch zu sehr als gutmnüthigen
Prahlhans, als daß is für einen Pararelsuß sehr der Mühe hätte lohnen
können, ihn seine Macht fühlen zu lassen. Und nun erst der Paracelsus
des Herrn Höfer. Das war ein schnurrig's Gemisch von Basilio aus
dem „Figaro“ und einem civilisirten Mephisto. Herr Höfer ließ sich als
gebildeter Mann vermuthlich durch die historische Auffassung des Paracelsuk
als eines kecken Gauklers und prahlerischen Cyarlatans beirren. In den
Schnitzlerschen Stücke ist der berühmte Mann aber einer von den wirklich
Großen im Reiche des Geistes; wie ein Sturmwind kommt er, der die
Thore der Seelen für einen Augenblick aufreißt und jeden einen Blick hinein
thun läßt in diese sonst verschlossenen Regionen. Die weibliche H auptrolle
die Justina, war bei Fräulein Gabri gut aufgehoben; Fräuleir
Jurberg sekundirte ihr als Caecilia gleichfalls ganz gut, wenn auch bi
offiziell: Backfischdarstellerin hier wohl besser am Platze gewesen wär
Herr Träger gab den Junker Anselm mit gutem Anstand und warmer
Ton. — Die Darstellung der „Gefährtin“ war einheitlicher in der Stim
mung. Herr Johow gab den armen Professor, der erst nach dem Tob
der Frau Klurheit gewinnt, wie unendlich fern sie ihm gestanden, di
„zufällig in seinem Hause gestorben“ in vornehmer Zurückhaltung un
männlichem Selbstbewußtsein. Die kleinen Rollen wurden durch Fräulei
Gabri und Herrn Lettinger gut durchgeführt. Wenn trotz der Fein
heit des Stückes und der im allgemeinen stimmungsvollen Darstellung
am Schlusse einige Leute glaubten zischen zu müssen, was übrigens nur dei
Beifall der großen Majorität verstärkte, so ist dem wohl kaum erheblich
Bedeutung beizumessen. Es giebt im Theater immer Leute, die klatschen
wenn etwas sehr Tugendhaftes gesagt und gethan wird, im umgekehrter
Falle aber ihre sittliche Entrüstung über moralische Defekte äußern. Offen¬
bac verschnupfte es einige, daß sich der Professor Pilgram mit so viel
Seelengröße und Seelenruhe in sein Schicksal fand; vermuthlich hatte
man gehofft, daß er mindestens einen todischießen würde, im Nothfalle sich
selbst. Aber so! — Den Schluß der Vorstellung bilde „Der grüne
——
Kakadu“.
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