II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 172

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Auelienangabe ohne Gewähr.
Ausschnitt aus: Freslaner Zoltung
vom:
24. AUG
Dresläller Cheäter.
II. II. Breslauer Sommertheater (Liebich). „Der grün
Kakadu.“— „Nju.“ Wenn der Berliner sich plötzlich vor Begeisterun
für einen Künstler nicht zu lassen weiß, so ist die Provinz nicht ver
pflichtet, das mitzumachen; ja, sie wird vielleicht etwas argwöhnisch un
zurückhaltend sein. Aber in den Enthusiasmus für Alessandr
[Moissi stimmten wir hier in Breslau gern ein, als er in Shaw¬
„Arzt am Scheibewege“ gastierte. Gestern war von dieser Begeisterun
nicht mehr viel zu merken, ja, eine leichte Enttäuschung schien unver
kennbar. Möglich, daß in Schnitzlers „Grünem Kakadu“ die mangelnd
Stimmung der Aufführung den Gast an der vollen Entfaltung seine
Kunst hinderte. Da war nichts von jener fieberhaft=nervösen Stimmung
zu merken, die dieses seltsame Revolutionsdrama durchzittern soll, nicht
von jenem dumpfen Haß und aufgespeicherten Groll, der zu der furcht¬
barsten Explosion der Weltgeschichte führte, nichts vor allem von jenem
verwirrenden Durcheinander von Sein und Schein, das so besonder
charakteristisch für die Schnitzlersche Tichtung ist. Mit einer an sic
anerkennenswerten Sorgfalt in der äußeren Darstellung ist der Gehal
dieses Werkes nicht auszuschöpfen. So begnügte sich auch Moissi in diesen
Rahmen mit einer starken Betonung des rein schauspielermäßigen seine
Rolle, wobei dann zuweilen allerdings schon die starken Kontraste zwischel
dem weichen Wohllaut seiner Flüsterstimme und der Kraft seine
donnernden Drohens prachtvolle Effekte erzielte. Die anderen Darstelle
unterstrichen gleichfalls das Komödiantentum, nur mit geringerer Kun
und größerer Aufdringlichkeit als Moissi. Der Beifall war nach diesen
Drama, das bei seiner Uraufführung in der Freien Literarischen Ver
einigung einen fortreißenden, stürmischen Erfolg zu verzeichnen hatte
gestern lebhaft, aber keineswegs enthusiastisch.
Uebler freilich erging es dem zweiten Werke des Abends, der Alltags
tragödie in acht Bildern, „Nju“, von Ossip Dymow; hier macht das
Publikum von dem ihm gesetzlich zustehenden Rechte der Mißfallenskund
gebung ziemlich ausgiebigen Gebrauch. Das war um so wunderbarer
als die Darstellung durchaus gelungen war. Aber man konnte sich mi¬
dem Stücke nicht befreunden. Schon äußerlich störten diese vielen Bilden
mit den vielen Pausen; sobald Stimmung aufzukommen schien, wurde
sie zerhackt. Aber das war nicht das Wesentliche (schon weil nur allzr
selten Stimmung aufkam!). Das Publikum war befremdet durch die
eigenartige Realistik, mit der der russische Dichter dieses Alltagsproblen
eine Frau trennt sich von ihrem Gatten, um einem Dritten zu gen
hören — behandelt hat. Und doch darf man nicht vergessen, daß dal
Publikum heute die schärfste Nebeneinanderstellung des trivialsten Alltag
mit der tiefsten Tragik gewöhnt ist; es sei nur an die tragischen Possen
Courtelines erinnert. Der Unterschied ist nur, daß bei dem Franzosen
dieses Nebeneinander durchaus echt und natürlich und damit die
Tragik verschärfend wirkt, während es bei dem Russen gekünstelt
erscheint und damit die Tragik lächerlich macht. Es kommt hinzu, daß
neben manchem, wirklich feinem und schönen Gedanken, neben manchem
ooetisch Stimmungsvollen eine Unmenge geistreichelnder Bemerkungen
iehen, die besonders tief sein sollen und doch absolut platt sind. Manche
nal läßt sich ja das Publikum verblüffen, aber auf Bemerkungen wie
„Der Tod hat etwas Lächerliches“ oder „Die Liebe und die Kunst und
as Leben sind provinziell“ fällt es doch schwer hinein. Und als gestern
um Schluß der psychologisch verständliche Selbstmord der schönen
Sünderin noch eine sehr bizarre und überflüssige physiologische Er¬
lärung fand, da schlug die Stimmung vollends um. Herr Moissä
pielte den „kultivierten“ Liebhaber mit der selbstverständlichen Uebek¬
egenheit des Mannes, der gewohnt ist, den Dritten zu spielen. Auch
Frau Horwitz und Herr Ziegel spielten mit starker Kraft ihre nicht
mmer starken Rollen. Den stärksten Beifall des Abends fand Herr
ziegel nach der Szene, in der er vom fast entwürdigenden Liebes¬
etteln zu brutaler Drohung sast unvermittelt überzugehen hat. Doch,
im allgemeinen war nicht viel von Beifall
die gesagt,
Die Hörer, die das Theater fast bis auf
hören.
in letzten Platz füllten, blieben kühl, und nur ganz
im Schlusse, der eine Viertelstunde vor Mitternacht erfolgte, wurde recht
bhaft gezischt. Wenn daraufhin Direktor Ziegel vortrat und „für die
erständnisvolle Aufnahme, die das Publikum der wundervollen Dichtung
#reitet“, dankte, so ist diese Ironisierung des Publikums eine Entgleisung,
ie man sie einem Manne von so viel Geschmack kaum hätte zutrauen
llen. Das wollen wir denn doch nicht einführen, daß jetzt die Direktoren
nfangen, das Publikum zu kritisierer!! Wenn Hans von Bülow zuweilen
doch wozu Vergleiche ziehen, die nicht auf einem, nein, auf zwei
eeinen hinken würden?