II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 248

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ruene Kakadu
9.3. Der
Der gruche nakada
Stuckes, als er weder innerlich noch äußerlich etwas erlebt, inso¬
cavalleria apachiana benennen. Aber es wäre toricht, woulte man
fern nämlich, als das äußerliche Erlebnis sein Innerstes auch
darüber schelten, wenn im Theater Theater gespielt wird; wenn
der Dürergesellschaft
nicht im entferntesten berührt. Seine Schlußworte lassen dies
es eben mit dem Anstand und der künstlerischen Handhabung eines
deutlich genug erkennen. Ein Erlebnis haben nur die beiden
Rater. J4440
Schnitzlers geschieht, so hat das Werk seine Berechtigung in sich.
Es ließe sich über die Charakte¬
Frauen, jede in ihrer Weise. —
Schnitzler nennt seinen „Grünen Kakadu“ eine Groteske,
er und „Der Kammersänger“
ristik des Kammersängers wie über die ganze Anlage dieses ent¬
eine Groteske freilich mit bitterem Beigeschmack. Wedekind gab
kind.
schieden genial gesehenen Werkes noch viel plaudern, was uns
seinem „Kammersänger“ keine Gattungsbezeichnung auf den
indes hier zu weit führen würde; nur eines muß noch erwähnt
Stettin, 10. November.
Weg, der alte Spötter; damit wurde er freilich selbst daran schuld,
werden: man täte dem Dichter sicherlich unrecht, wenn man
g der Dürergesellschaft war,
daß der tiefere Sinn des Werkes nicht überall richtig erkannt
meinte, er habe sagen wollen, ganz speziell die Bühnenkünstler
tlich eine kleine Blamage für
wurde. Man könnte sich versucht fühlen, ihm den Grabbeschen
seien im Gegensatz zu der bürgerlichen Sentimentalität abge¬
ne. Daß es wirklich erst der
Untertitel zu geben: „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeu¬
brühte Egoisten; was Wedekind dem Kammersänger in den Mund
sellschaft bedurfte, um diese
tung“, aber es handelt sich tatsächlich um eine Tragikomödie, die
legt, gilt mutatis mutandis von jedem Künstler, und Wedekind ist
khr ganz neuen Werke dem
sich freilich zu einer echten Tragödie auswächst. Der Titel ist
vorurteilslos genug, um anzuerkennen, daß die Kunst und ihre
mTeil von ihm, vorzustellen!
irreführend. Nicht der Kammersänger ist der Held des Stückes,
Verkünder egoistisch sein müßten, sonst „kommen sie eben nicht
hnenfähigkeit längst erwiesen.
sondern es ist das Publikum, das hier in zwei Vertretern vorge¬
Ihr Los ist das Alberichs, der der Liebe abschwor,
in Betracht.“
es sei in Stettin kein Interesse
führt wird, dem kleinen schwärmenden Mädel und der reifen,
um das Nibelungengold zu erringen.
it stellte man doch dem Kunst¬
leidenschaftlichen Frau. Die Szene des Professors Dühring dient
Jedenfalls wird der Dichter Wedekind uns nicht den Vor¬
u klägliches Zeugnis aus, denn
nur der Kontrastwirkung, sie hat mit der inneren Handlungnich
wurf machen können, daß wir sein Werk hinter dem der Darsteller
ist eher ein schlechtes als ein
zu tun. Die beiden Frauen reprasentieren jenes Publikum, das.
zurücktreten ließen. Denn bei der Betrachtung der Aufführung
Grund nur zu oft in einer
die Welt des Scheins nicht von der des Seins, den Künffiler nicht
selbst müssen wir uns notgedrungen etwas kurz fassen. Die
wenn wir hier auch an der
von der Rolle, die Person nicht von der Sache trennen kann.
männliche Hauptrolle in jedem der beiden Stücke hatte Herr
decten Tafel der Schauspiel¬
Beide Frauen lieben ja gar nicht den Mann, sondern den Künstler.
Pötter inne. Sein Henri im „Grünen Kakadu“ war unein¬
When, daß kaum ein paar Lust¬
Die Jüngere kennt ihn überhaupt nur vom der Bühne, ihre un¬
geschränkt prachtvoll. Pötters starkes Temperament konnte sich
Fallen, dann muß schließlich das
reife Schwärmerei kann nur ein tragikomisches Ende nehmen;
hier voll ausleben, es ist ja überhaupt eine mit äußerstem Bühnen¬
Anen. Unsere Künstlerschar für
Helene glaubt zwar, den Künstler näher zu kennen, sie hat es
geschick hingestellte Figur Schnitzlers. Nicht so aber erfüllte Herr
Aern ganz klar, ist doch immer¬
aber einfach überhört, daß er ihr nie Versprechungen gemacht hat,
Pötter alls darstellerischen Anforderungen des Kammersängers.
guter Regie auch einmal mit
aber sie hat nicht die innere Kraft, unter dem idealen Künstler
Der Künstler ist schon an sich eine viel zu scharf profilierte
are absehen kann.
den realen Menschen zu erkennen. Daran zerbricht sie.
Bühnenerscheinung, mehr Charakterspieler als Tenor. Vor allem
Daß Wedekind in dem Kammersänger und dem, was er
indert natürlich das Verdienst
aber verschwendete Herr Pötter viel zu viel Intelligenz, er prägte
spricht, zugleich eine sehr feine Satire auf seine Kollegen schuf,
ise, vor allem aber war auch
jedes Wort so aus, als handelte es sich bei den Reden des Kammer¬
zugleich auch Seitenhiebe hierhin und dorthin austeilt, auf den
n Werke eine recht glückliche.
sängers wirklich um Aeußerungen einer reifen, philosophisch
lächerlichen Wagnerkult, auf falsche Sentimentalität usw., das
e Gemeinschaft, in beiden dreht
durchdachten Lebensanschauung. Das war natürlich Wedekinds
kommt erst in zweiter Linie. Die Feinheit der Wedekindschen Ar¬
der Welt des Scheins mit der
Absicht nicht, den Kammersänger als besonders scharfen Denker
beit steckt in der Art, wie er gewissermaßen die Gewichte gleich¬
m und Darsteller Spieler und
hinzustellen. Bewahre, was er ihn verkünden läßt, ist die bequeme
mäßig verteilt, nicht Schwarzweißkunst gibt, sondern Spieler und
klerischen Absichten der beiden
Lebensanschauung derer, die Erfolg gehabt haben, die Philosophie
Gegenspieler mit gleichen Waffen ausrüstet. Ist der Kammer¬
er verfolgt in seinem „Grünen
des satten Magens, nüchtern, rein, utilitaristisch. Als praktische
sänger ein verächtlicher Mensch? Nie und nimmer, aus keinem
nicht tadelnswerte Absicht: ein
Menschen müssen wir allem, was er sagt, durchaus recht geben.
Worte kann man schließen, daß er nicht wirklich ein bedeutender
n, Wedekinds „Kammersänger“
aber unser innerstes Gefühl bäumt sich doch dagegen auf. Nicht
Künstler ist. Wenn er einmal sagt: er sei nur Wagnersänger und
wir noch zu sprechen kommen.
ohne Absicht, zugleich wieder mit feiner Ironie über den Bildungs¬
verstehe daher keine andere Kunst, so darf man dieses Wort nicht
ution wird ja von den Dra¬
grad so mancher Bühnensänger, läßt Wedekind seinen Kammer¬
pressen. Aber er ist ein Wirklichkeitsmensch, lebenstüchtig durch¬
benutzt, und das mit gutem
sänger einen ehemaligen Tapeziergehilfen sein, und seine Lebens¬
aus, auch ein im Grunde anständiger Charakter. Er aber kennt
unermeßlichen tragischen Mög¬
anschauung ist auch danach. Wir zweifeln, wie schon gesagt, nicht
sich und kann seine Kunst von seiner Person trennen. Das Publi¬
r an die Hand gibt, von den so
daran, daß dieser Mann ein bedeutender Künstler ist, aber ein
kum vergißt ja nur zu leicht das Handwerksmäßige in der Kunst,
k untergehenden und einer ent¬
großer Mensch ist er nicht. Aus dieser viel zu bedeutenden Zeich¬
insbesondere in der nachschaffenden, verwechselt sie mit der schaf¬
e Vorgänge weit genug zurück,
nung die Herr Pötter seiner Rolle angedeihen ließ, ist es auch
fenden, trennt nicht das Verdienst des Dichters oder Komponisten
e gewahrt bleibt, aber sie sind
erklärlich, daß der Künstler mit den Schlußworten des Kammer¬
von dem des Darstellers. Wedekinds Kammersänger ist sich über
zu ihrem Verständnis keiner
sängers nichts rechtes anzufangen wußte. Er sprach sie so laut
diesen Punkt wohl klar, wenn er sagt: „Als Tannhäuser konnte
Kommentar im weitesten Sinne
und prononziert, als seien sie die eigentliche Pointe des Stückes.
ich doch nicht anders aussehen“, was doch wohl sagen soll, für die
Beispiel der Dichter durch die
Das sind sie nicht, wie wir bewiesen haben. Sie bedeuten eigent¬
Wirkung dieser Rolle bin ich doch nicht allein verantwortlich. Der
einem kurzen Wink und ohne
lich nichts anderes, als ein Achselzucken, mit dem der Kammer¬
Mann hat eigentlich mit jedem Worte, das er sagt, vollkommen
mal der Spaß Ernst geworden
Die weiblichen

sänger all das Erlebte von sich abschüttelt.
recht; wenn wir seine Zeichnung dennoch als Satire empfinden, so
pannung, denn wir lauern nun
Hauptrollen spielte in beiden Stücken Dora Ottenburg.
ist eben nur der Umstand daran schuld, daß sich unser Innerstes
Arden wird. Technisch ist ja das
Sowohl die Leocadie als die Helene weisen keine besonderen
gegen die Auffassung sträubt, als sei hier der Typus des Bühnen¬
immert; man achte nur darauf,
Klippen der Charakteristik auf, es sind leidenschaftliche Frauen,
künstlers und nicht nur eine besondere Abart gekennzeichnet. Das
nden Momente zu verwenden
die durch ihre Leidenschaft zugrunde gehen. Echte Frauenschicksale,
große Publikum wenigstens will es nicht wahr haben, daß sein
ibt sich fast von selbst aus der
die Dora Ottenburg lebensecht und mit heißer Empfindung
idealer Lohengrin und Tannhäuser den großen Beifall der Kritik
lick hat sie Schnitzler umrissen,
vor uns erstehen ließ. Recht drollig und doch innerhalb der er¬
und eben dieses Publikums bei nächster Gelegenheit in bare Münge
grade nur soviel auf den Weg,
larbten Grenzen gestaltete Frl. Leopold die Szene der kleinen
umsetzt, indem er den Direktor zu einer Gagenerhöhung zwingt.
ition braucht. Auch das Motiv
originell, man möchte es: 1 Wedekinds Kammersänger ist schon darum nicht der Held des 1 verliebten Miß Isabel; Herr Lützenkirchen bewährte seine