II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 255

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eren echeuncheenen
stimmungslos brach das Nachmittagslicht durch
strebigen“ Epochen gewinnt alles über seinen harm¬
Die
nüchterne Scheiben in den verödeten Raum.
losen Sachwert hinaus aktuell=pointierte Bedeutung.
Einsamkeit gab dem Freunde und mir ein übermüti¬
Und man braucht nicht Zyniker zu sein (im Gegen¬
ges Herrengefühl: wir bemächtigten uns des Va¬
teil!), um von höchster Warte aus die Tragödie zu¬
cuums und gaben im Scherz eine musikalisch=dekla¬
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gleich ein wenig als Komödie zu empfinden. Das
matorische Vorstellung für ein wahrhaft „ideales“
hätte sich Shakespeare nicht träumen lassen, daß sein
Publikum. Der Freund pankte klassische Musik auf
„Coriolan“ 1919, als alldeutsch=militaristisches Ten¬
dem fragwürdigen Klavier, und ich monologisierte
denzstück wirken würde! „Coriolan“ war das erste
auf der kleinen Bühne aus Hamlet, Faust, Wallen¬
„richtige" Theaterstück, das ich vom hohen Olymp
stein. Es war hart auf der gewollten Grenze des
herab als junger Schüler mit noch frischer Romer¬
Parodistischen — und doch befühlte ich mir zugleich
begeisterung sah! Damals war's für mich noch von
sehr ernsthaft den ästhetischen Puls. In dieser skur¬
Wichtigkeit, wer den Aufidius oder den zweiten oder
rilen Form kam ich sozusagen zum erstenmale prak¬
dritten Bürger spielte! Heut, nachdem man den
tiich dem Erlebnis des Schauspielers nahe. Oeffent¬
Krieg in seinen scheußlichsten Formen in der Nähe
lich vorzutragen, mich selbst darzustellen, auf ein
gesehen hat, ist man gegen deklamierende römische
Publikum zu wirken, war mir als geborenem und
Heldenmütter stumpfer geworden. Nur sehr rechts
beruflichem Redner und Dozenten nicht neu — und
stehende Kritiker bringen noch das nötige Schwert¬
die Kunst des Schauspielers war da gewiß stets
adelpathos auf. Und das Publikum des ehemals
nächster seelischer und künstlerischer Nachbarbezirk —
königlichen Schauspiels bereitet dem römischen Pa¬
aber das Trennende und Unterscheidende der seelen¬
Draußen in Char¬
trizier rauschende Ovationen..
tauschende Verwandlungsmythos im Schauspieler,
kottenburg aber, am Knie, läßt der junge, sympa¬
wurde mir hier erst recht fühlbar. Und zum Problem
thische Toller das Grausen des Krieges, wie er wirk¬
wurde mir hier auch „das intermittierende Bewußt¬
lich ist in losen Szenen als Feuerzungenpredigt der
sein“ des Schausvielers, dies Aussetzen und Wieder¬
Menschlichkeit vorüberflattern — ganz nackte Geste,
Einsetzen der künstlerischen Autosuggestion hinter
So
kunstlos=ehrlich herausgeschrieenes Gefühl
den Kulissen und dann wieder vor der Rampe. Mir
seltsam nah und weltenweit liegen die Pole dieses
selbst war wunderlich zu Mute, wenn ich im Wechsel
tonreichen, echten und verlogenen Tier= und Gott¬
seelischer Aus= und Einschaltungen zwischen zwei
menschentums: Gensdarmenmarkt und Charlotten¬
Seelen pendelte, die äußerlich nur auf Schrittweite
burger „Kwie“.
So wurde es ein psycho¬
auseinanderlagen.
logisch und ästhetisch fruchtbar und aufschlußreich:
Eros Antinons und die Pflanzenseele. — Zwei
mein Scherz= und Zufalls=„Gastspiel“ in Malente.
Jahre lang haben wir — auf gleichem Flur —
nebeneinander, aneinander vorbeilebt — mit flüch¬
— Die Tragödie der Zeit
Magie von 1919.
tigen Fahrstuhlbegegnungen höchstens. Die beiden
schickt ihre kleinen, schalkhafen Satirspiele nach.
feinsinnigen alten Damen, deren Hausgenosse ich nun
Okkultistische Spielerei kommt, wie stets in Auf¬
geworden bin, und ich. Wie vieltönig in seiner Ein¬
lösungszeiten, in Mode. Allerlei frommer und un¬
tönigkeit, wie überraschungsreich im Gewohmen ist
frommer Wahn umschwirrt die Hirne. Der indische
doch das Leben! Wer konnte es ahnen, daß unser
Yogi und Fakir wird gesellschaftsfähig. Natürlich:
geschäftskühles Cityhaus ein ästhetisch reizvolles Heim
nicht das Große, das unvergleichlich Einzige am
voll feiner Alt=Berliner Kultur in sich barg! Die
Indertum, sondern das Abströse hat den großen Er¬
guten Geister der Hermann=Grimm=Zeit werden
folg. Der Orient europäisiert, nein: amerikanisiert
wach. Hier ist sogar die Außenseite eines gravitäti¬
sich (aber das läuft ja nachgerade auf eins hinaus!)
schen alten Kleiderschranks mit lustigen Improvisa¬
— und die Metaphysik schließt die Geschäftstüchtig¬
tionen Meyerheims bedeckt. Das ganze Heim ist in
keit nicht aus. (Schopenhauer hat das bereits bei
Musik getaucht — auch in jene feine unsinnliche
seinen „Philosophieprofessoren“ festgestellt — aber
Musik, die man mit dem „dritten Ohre“ hört. Seit
was waren das für verschollen Harmlosigkeiten gegen
langem habe ich wieder heimatliche Gefühle; meine
heut!) Ich habe es selbst mit Ergötzen erlebt, wie in
Mein Zimmer ist ein
Unstetheit läßt nach.
öffentlicher Veranstaltung ein solcher Magier dem
kleines Museum, das altrömische Veduten, Re¬
anderen mit schlauen Konkurrenzmanövern zu Leibe
naissancewerke, Modernes an den Wänden trägt.
ging und die prächtigste Reklame für sich selbst
Von dem kleinen, feinen Bücherschrank, der gediegene
daraus schlug. Ja, so ein bißchen „Indien in Ber¬
lin“ ist wunderschön (und nicht nur in Berlin —Klassiker und reizende altväterische Bändchen aus
„Meyers Groschenbibliothek“ umschließt, grüßt die
denn dieser wirklich „faule“ Zauber grassiert heut im
knabenhafte Süße des Eros — und eines Morgens
ganzen Reich!). Die kitschige Atrappe schafft Nimbus
prangt ihm gegenüber auf dem gothisch schlanken
— und nur diese! Wer aus dem tausendköpfigen
Kleiderschränkchen der edle Jünglingskopf des An¬
Publikum läse und genösse ernsthaft die Upanischad!
tinous... Dann überrascht mich plötzlich eine
Aber alle denkschwachen und wundersüchtigen
Zimmerpflanze, eine edel=ornamental gezache Feigen¬
Männlein und Weiblein (und besonders diese, zumal
Art die neue Keime treibt. Und zum ersten Male
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die sexual=physiologisch nicht ganz normalen) schwär¬
fühle ich mit Plakönikerempfindungen neben mir dies
men hem für Telepathie und die anderen Künste der
andere, geruhige Leben der Pflanzenseele...
hohen Magie. Rudolf Steiner, der allheilende
Wundermann — dem leider nur das eine Wunder
nicht gelingen mag, gutes und richtiges Deutsch zu
Theater, Iusik und Kunst
schreiben — sammelt eine große, begeisterte Gemeinde
um sich. Farbige Astralvisionen zu haben, ist freilich
Fräulein Julie. — Der grüne Kakadn.
ein Vergnügen, das nicht jeder „Philosoph“ garan¬
Lessingtheater.
tieren kann. Gewiß, gewiß: die berühmten „Dinge
Wir wollen es glaubenf und hoffen daß Bar¬
zwischen Himmel und Erde . . .“! Ein merkwürdiges
nowsky innerhalb der Frist von vier Jahren es dem
Mal=Medium im Trance=Zustande habe ich selbst ge¬
Besitzer des Lessingtheaters recht schwer machen
sehen, und Hypnose und Suggestion haben ihre un¬
wird, das Haus in dem Brahm Geschichte machte,
aufgeklärten Rätsel. Aber man wird nun einmal
an=den Geist der Gebrüder Rotter zu verraten. Nur
durch Flachheit, Mißbrauch und Pöbelei immer in
müßte er selber innerlich freier und in seinen künst¬
die Opposition — auch zu seinen eigenen Ideen und
Idealen — getrieben: im Geistigen so gut wie im lerischen Absichten stärker werden, als ihn die letzten
Politischen. Ich bin kein Feind der Mystik, im Jahre zeiaten. Man verlangt von ihm nicht, daß er
mit der Vergangenheit kokettiere und sich vielleicht
Gegen eil: ich komme von ihr her, ich trage sie
gar für den einzigen und echten Erben Brahms halte.
dauernd im Unterbewußtsein; ich liebe und verehre
Das hieße jenen und diesen verkennen und beträcht¬
die Veden, Lao=tse, Meister Eckehart, Anselms Si¬
liche Wesenverschiedenheiten mit einander verknür
lesius — doch gerade als echter Mystiker muß man
fen wollen. Aber es würde genügen, wenn Bar¬
gegen Mystifikation, vulgo Schwindel, protestieren.
nowsky uneingeschüchtert von seinem bedeutenderen
Wir sind nicht viel mehr als Insekten und Würmchen
Vorgänger sich zu deutlich erkennbaren Gesinnun¬
im All — zugegeben; aber wir tun gut daran, uns
gen aufraffen, sie zähe verfolgen nd sich im Aus¬
in diesen nicht sehr imposanten Grenzen einzurichten.
maß und in der Steigerungsfähigleit seiner Natur
Der jugendlich=geniale Mensch verbrennt fast an
ausleben würde. Man sieht ihn allzu oft schwanken
faustischer Sehnsucht nach dem Ewig=Unerreichlichen:
und experimentieren Werten nachlaufen, die ent¬
der reife erkernt, wie gut es ist, daß nicht dauernd
eine jenseilige Welt kreuzend und wirrend in diese weder über seine Kräfte gehen oder unter seinem Ni¬