II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 263

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9.3. Der f

Vennische Zeltung Berlis
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„Fräulein Julie.“ — „Der grüne Kakadu.“
Der Zufall fügt es, daß Viktor Barnowoky gerade jetzt, da er
Brahms Erbe verteidigen muß, nach Brahms Kränzen greift. Denn
gestern koppelte er, mit Theaterglück, ein Wagnis der Freien
Bühne, Strindbergs „Fräulein Julie“ mit einem Reper¬
toirestück aus den Tagen Kainz' und Rittners, mit Schnitzlers
„Grünem akadu“ zusammen.
Man könnte tiefsinnig Fäden von Stockholm nach Wien, von
Strindberg zu Schnitzler spinnen. Aber ich bescheide mich bei der
Einsicht, die zweifellos auch für die Bühnenleute maßgebend war,
daß nämlich beide Einakter zusammen einen Theaterabend füllen.
In der Stimmung der Zuschauer führte dieser Abend aufwärts,
vom Naßkalten zum Lauwarmen.
Denn Strindbergs Trauerspiel wollte gestern nicht seine letzten
Wirkungen hergeben. „Comtesse Julie“ ist nun schon ein
historisches Werk geworden. Mindestens sieben verschiedene
Tragödien lassen sich aus diesem gewaltigen Einakter gewinnen.
Barnowskys Regie war so klug beraten, das soziale Drama
herauszugreifen. Sie sammelie das Licht stärker auf dem steigen¬
den Lakaien, als auf der sinkenden Grafentochter, die das Er¬
lebnis der Johannisnacht büßen muß. Kein Moment wirkte
stärker als die Phantasie des Dienere Jean vom Auf¬
stieg seiner Zukunft. Dem interessanten Darsteller Eugen
Klöpfer funkelte es infernalisch aus den Augen,
als er, blaß und zuckend. die Vision künftigen Glanzes heraus¬
krächzte. Dieser Augenblick entschädigte für die Proletarierlast, die
dem „Aristokraten“ in der Livree allzu schwer aufgebürdet war,
die seinen Rücken beugte und seinen Schritt schleppen ließ. Klöpfer
weiß, wie man maskuline Brutalität wirken läßt, aber sein In¬
strument hat, im Tragischen, offenbar nur eine Saite. Als seine
Komtesse betrat Tilla Durieux zum erstenmal wieder eine
Berliner Bühne. Sie braucht ihre Strindbergreife gewiß nicht
mehr zu erweisen und als Herrin beim Spiel mit dem Feuer
schüttelt sie auch die Fessel einer Indisposition ab. Später aber,
wenn das Inferno sich auftut, so knisterte es, aber das Sprühen
blieb aus. Diesem Paar fehlte untereinander der Kontakt und
deshalb werlagte auch die Fühlung mit dem Publikum.
Im „Grünen Kakndu“ war beiden Künstlern die Ernte
reicher zugemessen. Niemand kann souveräner als eine Marquise
von Tilla Durieux Gnaden am Schaurigen schnuppern, und
Klöpfer erwies aufs neue sein Komödientalent in Rittners Rolle,
als der Tantenmörder unter den Talmiverbrechern. In dieser
Figur triumphiert der ironische Charakter des Stücks, den Bar¬
##wsky schärfer als, Brahm herausgearbeitet hat. Ein Verlust an
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Wärme wird dabei durch allersei farbige Bewegung ersetzt und
die Revolution dröhnt wirksam ins Spiel der Spelunke hinein.
Als Kellerwirt knüpfte Hann Fischer in seiner knurrigen
Trockenheit an die besten Draditsonen des Hauses an und Konrad
Beidt, als Henri, mag an seinem Beispiel die Sicherheit stu¬
dieren, die seinem Temperament noch fehlt. Dem „Grünen
Kakadu“ bleibt über alle Direktionswechsel hinaus die Wirkung
eines nachdenklichen Kunstverstandes. Arrangiertes Theater, ohne
M. J.
Zweifel. Aber gutes Theater!