box 15/3
ruene Kakadu
9.3. DerM .
9
Strindberg: „Fräulein Julie.
Schnitzler: „Ber grüne Bahadu.
*
Lessingtheater.
00
Eina starke, sapfere Strindberg=Darstellung. Eine mäßige
— Schnitzler=Darstellung.
Nach dem Strindberg salten die Leute benommen von wuchtendem
—
Druck — bis ihre Hände für die Furchtlosigkeit der Schauspieler
(T. dankten. Nach dem Schnitzler haben etliche gezischt. Warum?
Vielleicht wirkte das Revolutionsstück veraltet in dieser Gegen¬
1
wart. Zu arglos! Was hat es auf sich, einen Herzeg zu erstechen?
2
Ach, an die Stelle harmloser Blutrünstigkeiten trat indes die schick¬
salsschwere Lohnforderung...
I.
E.
Verknüpft etwas die zwei Stücke? Doch. Nämlich ein Wort
% Strindbergs. Der wünschte sich als beste Zuschauer beim Untergang
##des Edelfräuleins „die ersten französischen Revolutionsmänner“
weil sie durch das Absterben der überlebten Kriegerlaste, wie er sagt
57.
„einen guten und frohen Eindruck“ empfangen müßten.
Die Wirkung soll also nicht trauervoll sein — und die Durieux
war nie verpflichtet, am Schluß Rührsames zu zeitigen, was ihr
doch nicht gelang. Dagegen hat sie höchst lobesam eine brutale Echt¬
heit in der Charakterisierung bewährt. Sie gab wundervoll ein arm¬
selig belnstetes Ding von Offizierstochler; falsch erzogen, widerstands¬
matt, brägenbrüchig. Eine, der die starke Sprengmacht fehlt, um
heiter über den Graben der abgestandenen Kastenehre zu setzen —
nachen sie Dienerkebse geworden ist.
Sie hatte nicht den Mut zu sagen: „Ernst ist das Leben, heiter
ist die Brunst. Dies Opfer des Lakaien gab sich nicht — er nahm
sie. Sie verschenkte nichts — man stahl es ihr. (Dennoch hatte sie
e
zum Diebne# verlockt!) Sie flog nicht — sie sank. Und hatte keine
Willenskraft zu dem nachträglichen Entschluß, geflogen zu sein ...
So vollzog sie an sich das Standgericht ihrer wahnvollen Klasse
mit dem Rafiermesser. Sie schlachtete sich harakirituell.
(Alles in der seltsam gewählten Außengestalt einer dekadenten
Kirgifin. Und alles mit saftvoller Tapferkeit.)
II.
Das Ganze läßt sich als ein schauriges Lustspiel vorstellen — mit
der Nietzsche=Losung: „Was fällt, das soll man auch noch stoßen.“
Aber dann muß der Fäller ein emporragender Kerl sein. Wenn¬
gleich mit Dienerinstinkten. Man muß die Kraft des steigenden
Knechts sehen, der dort hochkommt, wo sie untergetaucht ist.
G
An
Jat seine Kraft; nicht nur seine Gemeinheit. Herr Klöpfer gab
jedoch vorwiegend seine Gemeinheit. Alles um zwei bis drei Grode
zu tief. Statt „auch Dienerinstinkte“ gab er „nur Dienerinstinkte“
Der Bezirk dieses fülligen Darstellers scheint sonst Umwölktes.
Grollendes, Geladenes zu sein." Gespeicherte Glutz ohne Tenoristen¬
zug, mit einer deutschen, langsam brenenden Dringlichkeit Er ist
ein Mensch mit eigenem Umriß, an dem der Bühnenbrauch noch nichts
verdorben hat. Er konnte seine Wesenheit hier nicht entfalten.
Die Grüning als Köchin... ja, es muß die paradope Tatsache
festgestellt sein, daß sie einmal ungenügend war. Das Erstaunen
darüber ist ein Blatt mehr in ihrem Kranz. Völlig ungenügend:
unbeteiligt; bis zum Witzigen laienhaft. Sie wollte die ruhmvolle
Regel mit dieser Ausnahme bekräftigen? Es gelang.
Herr Peidt jedoch, der in Schnitzlers Attrappenstück den Schau¬
spieler, der nicht schauspielern soll, geschauspielert hat, würde gut
tun, die Regel erst einmal zu stabilieren. Der Cchtheitsmangel
bei ihm lag aber nicht in falschen Tönen: sondern in unzureichenden
Tönen; was bedenklicher ist.
Alles erschien in diesem abermals von Barnowsky geleiteten
Crescendowerk vergrifsen. Zu wenig Bändigung. Zu viel Grellheit.
Schließlich ist es doch eine glänzende Verfeinerung der Bums¬
dramatik; eine Hebung der Spannungsmache, eine Stufung der
Schlagerwelt; eine Vergeistigung der Knallerbse. Schnitzler führt
eine Dramenform ad. adsurdum — und zur Vollendung.
Alfred Kohr.
Das alles versagte.
g
ruene Kakadu
9.3. DerM .
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Strindberg: „Fräulein Julie.
Schnitzler: „Ber grüne Bahadu.
*
Lessingtheater.
00
Eina starke, sapfere Strindberg=Darstellung. Eine mäßige
— Schnitzler=Darstellung.
Nach dem Strindberg salten die Leute benommen von wuchtendem
—
Druck — bis ihre Hände für die Furchtlosigkeit der Schauspieler
(T. dankten. Nach dem Schnitzler haben etliche gezischt. Warum?
Vielleicht wirkte das Revolutionsstück veraltet in dieser Gegen¬
1
wart. Zu arglos! Was hat es auf sich, einen Herzeg zu erstechen?
2
Ach, an die Stelle harmloser Blutrünstigkeiten trat indes die schick¬
salsschwere Lohnforderung...
I.
E.
Verknüpft etwas die zwei Stücke? Doch. Nämlich ein Wort
% Strindbergs. Der wünschte sich als beste Zuschauer beim Untergang
##des Edelfräuleins „die ersten französischen Revolutionsmänner“
weil sie durch das Absterben der überlebten Kriegerlaste, wie er sagt
57.
„einen guten und frohen Eindruck“ empfangen müßten.
Die Wirkung soll also nicht trauervoll sein — und die Durieux
war nie verpflichtet, am Schluß Rührsames zu zeitigen, was ihr
doch nicht gelang. Dagegen hat sie höchst lobesam eine brutale Echt¬
heit in der Charakterisierung bewährt. Sie gab wundervoll ein arm¬
selig belnstetes Ding von Offizierstochler; falsch erzogen, widerstands¬
matt, brägenbrüchig. Eine, der die starke Sprengmacht fehlt, um
heiter über den Graben der abgestandenen Kastenehre zu setzen —
nachen sie Dienerkebse geworden ist.
Sie hatte nicht den Mut zu sagen: „Ernst ist das Leben, heiter
ist die Brunst. Dies Opfer des Lakaien gab sich nicht — er nahm
sie. Sie verschenkte nichts — man stahl es ihr. (Dennoch hatte sie
e
zum Diebne# verlockt!) Sie flog nicht — sie sank. Und hatte keine
Willenskraft zu dem nachträglichen Entschluß, geflogen zu sein ...
So vollzog sie an sich das Standgericht ihrer wahnvollen Klasse
mit dem Rafiermesser. Sie schlachtete sich harakirituell.
(Alles in der seltsam gewählten Außengestalt einer dekadenten
Kirgifin. Und alles mit saftvoller Tapferkeit.)
II.
Das Ganze läßt sich als ein schauriges Lustspiel vorstellen — mit
der Nietzsche=Losung: „Was fällt, das soll man auch noch stoßen.“
Aber dann muß der Fäller ein emporragender Kerl sein. Wenn¬
gleich mit Dienerinstinkten. Man muß die Kraft des steigenden
Knechts sehen, der dort hochkommt, wo sie untergetaucht ist.
G
An
Jat seine Kraft; nicht nur seine Gemeinheit. Herr Klöpfer gab
jedoch vorwiegend seine Gemeinheit. Alles um zwei bis drei Grode
zu tief. Statt „auch Dienerinstinkte“ gab er „nur Dienerinstinkte“
Der Bezirk dieses fülligen Darstellers scheint sonst Umwölktes.
Grollendes, Geladenes zu sein." Gespeicherte Glutz ohne Tenoristen¬
zug, mit einer deutschen, langsam brenenden Dringlichkeit Er ist
ein Mensch mit eigenem Umriß, an dem der Bühnenbrauch noch nichts
verdorben hat. Er konnte seine Wesenheit hier nicht entfalten.
Die Grüning als Köchin... ja, es muß die paradope Tatsache
festgestellt sein, daß sie einmal ungenügend war. Das Erstaunen
darüber ist ein Blatt mehr in ihrem Kranz. Völlig ungenügend:
unbeteiligt; bis zum Witzigen laienhaft. Sie wollte die ruhmvolle
Regel mit dieser Ausnahme bekräftigen? Es gelang.
Herr Peidt jedoch, der in Schnitzlers Attrappenstück den Schau¬
spieler, der nicht schauspielern soll, geschauspielert hat, würde gut
tun, die Regel erst einmal zu stabilieren. Der Cchtheitsmangel
bei ihm lag aber nicht in falschen Tönen: sondern in unzureichenden
Tönen; was bedenklicher ist.
Alles erschien in diesem abermals von Barnowsky geleiteten
Crescendowerk vergrifsen. Zu wenig Bändigung. Zu viel Grellheit.
Schließlich ist es doch eine glänzende Verfeinerung der Bums¬
dramatik; eine Hebung der Spannungsmache, eine Stufung der
Schlagerwelt; eine Vergeistigung der Knallerbse. Schnitzler führt
eine Dramenform ad. adsurdum — und zur Vollendung.
Alfred Kohr.
Das alles versagte.
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