II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 266

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von Eugen Klöpfer mit packend suggestiver Plastik dargestellt.
Schon gleich am Anfang im Geplauder mit der Köchin Christine,
auf deren Heiratsgut er spekuliert, markiert sich in scharfgezogenen
Umrißlinien der Charakter, der in der Folge Zug um Zug sich
immer drohender entfaltet. Man fühlt, wie diese selbstbewußte
Ueberlegenheit, mit allerhand im Kellnerberufe aufgefangenen vor¬
nehmen Floskeln ausstaffiert, den Frauen imponiert, auf die er es
abgesehen. In reicher, meisterlicher Nuancierung schlossen sich an
diesen Auftakt die Szenen, in denen seine mühsam festgehaltene
harte Selbstbeherrschung Juliens haltlose Sinnlichkeit immer mehr
entflammt. Und eine gleiche komprimierte Spannung lag in dem
Umschlag zur Ernüchterung, in der Ausmalung der Pläne,, für die
ihm Julie als Mittel dienen soll, in der Grausamkeit des höhnenden
Hasses, als sie sich gegen seinen Willen auflehnt, wie dem Erwachen
zitternder Lakaienangst, als er das Glockenzeichen des zurück¬
gekehrten Grafen hört. Ebenbürtig stand ihm zur Seite Tilla
Durieux. Julie, zwischen krankhaftem Verlangen, jähem Zorn
und kopflos wilden Aengsten hin und her geworfen.. Gut war auch
Ilka Grünings phlegmatisch nüchterne Köchin, die die ge¬
legentlichen Seitensprünge ihres Jean ohne Aufregung mit in den
Kauf nimmt.
Die Darstellung der Schnitzlerschen Revolutionsgroteske,
die im Milien eines von den Spitzen der sensationslüsternen Aristo¬
kratie besuchten Pariser Schauspieler= und Verbrecherkellers, spuk¬
hafte Reflexe des Bastillesturms und der dumpf herangrollenden
französischen Revolution vorüberhuschen läßt, zeigte virtuose Kunst
der Massenszenen. In dem Durcheinander von Zuhältertum, Dieb#
gefindel und mammon=gesegneten Gesellschaftskreisen tragen die vor
ein paar Jahrzehnten entworfenen Szenen heute einen fast aktuell
anmutenden Zug. Nur daß von jenem Witz und Geist, der den
Grandseigneurs von damals eignete, in dem modernen Treiben
kein kleinstes Fünkchen mehr zu spüren ist. Eigen berührt es,
wie der Verfasser in der Gestalt des Schauspielers Henris unter
dem Lärmen zügellos frivoler Korruption Töne Rousseauscher Sehn¬
sucht nach unverdorbener Natur und reiner Liebe anklingen läßt.

So weitet sich das Bild, zieht die verschiedensten Beziehungen des
Neuinszenierungen im Lessingtheater. In farbiger, feinfühlig abge¬
Zeitgeistes in seinen Rahmen.
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Utönter Aufführung, unter Direktor Barnowskys Regie, gingen die aus
Die verstiegene Schwärmerei des jungen Henri, der, nachdem er
eigenartig visionärer Phantasie geborenen Werke: Strindbergs
zum Vergnügen der vornehmen Kundschaft wieder Abend für Abend
„Fräulein Julie“ und Schnitzlers „Grüner Kakadu“,
wüste Verbrecher mimte, nun in blinder Leidenschaft ein Dirn¬
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die großzügige Revolutionsgrölerte, #er#d Bühne. Das Thema
chen zur Heiligen verklärt, und, als er sich durch sie betrogen sieht,
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des Geschlechterkampfes, um das als Zentrum des Schwedischen
den herzoglichen Nebenbuhler niedersticht, er kam in dem Spieler
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Dichters Schaffen kreist, hat in diesem Stück Dichtung, wo es sich
Konradt Veidts zu warm lebendiger Erscheinung. Eindrucksvoll
mit der Begenüberstellung aristokratischer Dekadenz und starknervi¬
gruppierten sich um ihn der Herbergsvater Hanns Fischers und
gen, skrupellos egoistischen, nach oben drängenden Plebejertums ver¬
der Schwarm männlicher und weiblicher Schauspielerkollegen, unter
schlingt, eine Gestaltung erhalten, die an szenisch wuchtiger Ge¬
denen der brüllkräftige Schmierenkommödiant Georg Gürtlers

schlossenheit wohl alle seine anderen Stücke überragt. Strindberg
und der neu zugelaufene Tantenmörder Eugen Klöpfers be¬

der Ankläger tritt hier hinter Strindberg den Gestalter, der aus
sonders hervortreten. Dagny Servaes gab die zu ihrem

einer gegebenen Situation heraus ein Schicksal sich in unentrinn¬
eigenen Erstaunen und wider Willen vergötterte Dirne: In der
barer Verkettung von Notwendigkeiten entfalten läßt, zurück. In
Aristokratensippe wurde der blasiert ästhetisierende Herzog von Fritz
jagendem Tempo treibt die Handlung vorwärts. Die aus der Tiefe
Delius, der grüne siebzehnjährige, aus der Provinz gekommene
schöpfende Charakteristik macht das pathologisch Quälende erträglich.
Junge von Martin Gien, die lüstern mokante Frau Mar¬
Der streberisch brutale, die verliebten Lockungen der hysterischen,
quise von Tilla Durieux sehr glücklich verkörpert.
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im Festtaumel der schwülen Johannisnacht aus Rand und Band
In den starken wohlverdienten Beifall mischte sich am Schluß
geratenen hochmütigen Grafentochter erst kalt zurückweisende
vereingeltes Zischen. Wollte man damis etwa gegen die revolutis¬
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näre Tonart als Tendenz demonstrieren?
Zakai, der dann, nachdem ihn die Begierde fortgerissen, die Sorge
für seinen abenteuerlichen Karriereehrgeiz auszunützen sucht, wurde
Conrad Schmidt. „1