II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 267

ruene Kakadu
D
9. 3 eee e e
Lessing=Theater.
Man spielle zwei stofflich sehr eng benachbarte Einakter:
Tragikomödien der Dekadenz.
Strindbergs „Fraulein
Julie“ mit ihrer grandiosen, aber eiskalten Schärfe wirkt allge¬
mach nur noch quälend, weil man zu sehr in das Gewollte der Kon¬
struktion hineinsieht. Dagegen tut SchnibleGrüner
Kakadu“ auch bei seiner 5. Berline=Allfführung noch unfehl¬
bare Wirkung, Es ist im engeren Sinne des Wortes wohl die
glänzende Theaterarbeit der vorigen Generation: Wut und Witz
in einer Steigerung und Verschmelzung, die sast wie elementare
Verzweiflung eines Dichters wirkt. Sehnitzter ist etwas so starkes
wie dies Selbstgericht der ewig und mit allem Spielenden nie wie¬
der gelungen — aus zwingenden Gründen: auch den Selbstmord
begeht man bekanntlich nur einmal. Von Otto Brahms glänzender
Uraufführung (es war Joseph Kainzens letzter Premierenabend)
stand noch Hanns Fischer als Theaterdirektor und Spelunkenwirt
voll grimmigen Humors auf der Szene. Vom Nachwuchs sind er¬
wähnenswert Konrad Veidt, der von Kainz etwa die ekstatische
Kraft aber noch nicht die verteilende Weisheit der Akzente hat,
und Eugen Klöpfer, der, wohl minder tief und theater¬
farbiger, doch einen sehr starken Gewinn in der Richtung Rittner
für die Berliner Bühne bedeutet. Sein sentimentaler Strolch wa:
ebenso amüsant wir vorher sein brutaler Lakai Jean menschlich
packend. — Veranstaltet war das ganze Unternehmen wegen der
Frau Tilla Durieux, die bei ihrer Rundreise durch die Ver¬
liner Bühnen eben zum zweitenmal das Lessing=Theater passiert.
Daß diese Alleskönnende gerade gefährlich dekadente Adelsfräulein
ganz ausgezeichnet machen wird, das hat wohl ohnehin niemand
bezweifelt. — Im übrigen gestatte ich mir, die Direklion des
Lessing=Theaters zu erinnern, daß bei ihr eine Menschendarstel¬
lerin namens Lina Lossen verpflichtet ist — man möchte sie, nung
Tb.
im dritten Monat der Spielzeit, auf der Szene sehen.
Der Großstadt=Kavaller“.
Thalia=Theaterluft weht im Lustspielhause: Die bisherige
Hauptattraktion der Dresdener Straße ist jetzt die des Lustspiel¬
hauses, das somit den Stempel des richtiggehenden Possentheaters
zur Sthau trägt. Als ehemaliger Voxer, der zum Aktmodell sich
genausert hat und in der Kleinstadt, wo er urplötzlich auftaucht,
für einen einflußreichen Ministerialrat gehalten wird und als
solcher unglaublichen Wirwarr anrichtet, kann Arnold Rieck
seine groteske Komik, die mitunter selbst dem Sprödesten ein
leises Lächeln abnötigt, „voll und ganz“ entfalten. Georg
Okonkowsli, des Schwankes fixer Verfertiger, hat ihm an¬
scheinend die Rolle dieses falschen Großstadtkavaliers auf den!!
Die Helt am Montag, Beriin
3— H00 1919
box 15
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Einakter im Lessing=Theater.
„Fräulein Julie“—.„Der grüße Kakadu“.
Strindberg uns Schnitzler. Fränlein
onn, der
Julie“ von Reinhafdt der
das Johannisnachtsdrung des Schweden im
Kleinen Theater, bann in den Kammerspielen
aufgeführt hat. „Der grüne Kakadu“ Brahm¬
sches Repertoire aus der Kainz=Zeit. Denn so¬
bald Heiei den Kellerraum der Pariser Komö¬
diantenspelunke betritt, steigt mit den dunklen
Sternen seiner Augen, den Mund öffnend zu
den Worten der Ekstase, schmal, mit seinem hef¬
tigen Gang Josef Kainzens Schatten auf.
Aber die beiden Stücke sind neu einstudiert
worden, nicht für einen Darsteller, sondern für
eine Darstellerin. Frau Durieux ist wieder
Mitglied des Lessingtheaters, das sie, um an
den Gendarmenmarkt und nach München zu zie¬
hen, vor Jahren verlassen hat. Sie erscheint zu¬
ächst als Fräulein Julie, die mädchenhafte Kom¬
isse, die nach Strindbergs Willen toll sein soll
nd berauschend, das „herrliche Weib“ aus sin¬
idem Kriegergeschlecht. Aehnlich wie die
oldt, mit der sie einmal, verwandten Typs,
Fach der Elbinnen und Astarten geteilt hat,
Frau Durieux die Rolle des Fräuleins. Sie
ein kurzes Hauskleid mit Ledergut, gelöstes
,das ihr im Nacken liegt wie einer russi¬
n Studentin, eine geduckte Haltung. Stärker
in der Verwegenheit der Jugend, die bei ihr
umpf bleibt, wirkt sie nachher, wenn diese adlige
Jugend zerbrochen ist, überzeugender als ie
prache des Auges, der Stirn ist die schraffe,
reite Mimik der unteren Gesichtspartie. Mehr
lugheit als Seele, technische Reise, die der Ge¬
fahr, in den Ausbrüchen des Jammers gänzlich
dem Larmoyanten zu verfallen, entrinnt, Jean,
der Diener, ist Herr Klöpfer, die Hoffnung
des Lessingtheaters. Er prägt seinem scharfen
Antlitz die Maske subalterner Roheit auf, sein
flackerndes Organ hat eine schneidende Kälte. Nur,
daß seiner Leistung wie der seiner P
das Letzte fehlt: dann, wenn in den per
Rasereien der vom Sonnenlicht des M
schlichenen Domestikendirne, in der schlotternden
iner Zeitung am Mittag, Berlhr
S-NOV 1979
ngst des Paares die Mystik begiunt wenn
Dichter von „Fräulein Julie“ sich in das dumte
Lyrikergenie des „Traumspiels“ verwandelt.
„Der grüne Kakadu“ das bunte Dra=.
molett des Bastillesturmes, Schnitzters apartestes
und geistreichstes Kunststück, braucht für seine
vielen Figuren noch mehr des Regisseurs als
Strindbergs, Dialogtragödie (in der Christine,
die dritte Person, so nebensächlich ist, daß auch
die Grüning kaum mehr ist als Staffage).
Der Henri solltr voranstehn. Ihn spielt Herr
Veidt, ein Schwärmer mit einem abnormen.
Kehlkopf, der wohl zu bald von Reinhardt los¬
gekommen ist, brüchig, stoßend, unfertig. Frau
Durieux gibt (eine Nachfolgerin der Dumont)
die blasierte, die Nevolution bejubelnde Mar¬
quise, und gibt sie als.. Kostümbild. Herr,
Klöpfer (als Erbe Rittners) mit bleicher,
scheuer Halunkenphysiognomie Grain, den
Strolch. Sehr bürgerlich ist Herr Fischer als.
der Wirt Prosper; ist er so behäbig=gediegen in
Dresden geworden, oder sieht man jetzt den
norddeutschen Brahm=Stil anders an als da¬
mals? Herr Delius, auch einer, der bei
Reinhardt war, hat die Pose des schönen
Mannes für den Cardignac. Von der Legeädie
des Fräuleins Servaes behält man die Er¬
innerung an Wärme und Anmut.PW.