II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 271

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uene Kakadu
Der
9.3 e
eauseinander. Er
wundert. Aber der fliehende, schleppende Gang auf
Niemals hat Barnowsky für Dramen, die Konse¬
um Spielnuancen
den Ballen, mit nach außen gedrückten Knieen sagt
quenz verlangen, Schärfe und Geduld gehabt. Schnitz¬
m ihre letzten An¬
nichts mehr. Der Ton, dünn, flach, unintensiv, ist
lers „Grüner Kakadu“ hätte ihm gelegen, wenn
fälle, statt Grund¬
Manier. Tilla Durieux' Konversation barst nicht von zu¬
dessen Beweglichkeit nur Unruhe wäre. Die Leben¬
ung.
rückgedrängten Energien. Ihr Händespreizen deutete
digkeit aber führt sich auf die Meisterschaft zurück,
it des zuerst auf¬
keine innere Spannung an. Die Szenen waren nicht
mit der sie vorbereitet, gegliedert, gespannt, gesteigert
den Charakter der
angelegt, nicht gebaut, nicht gezielt, nicht gerichtet.
wird. Die deutsche Literatur ist reich an zyklopischen
Klöpfer hurtig als
Weder Regisseur, noch Schauspieler wußten um den
Dramen des Gefühls. Sie ist arm an bebachten
n anfing, war das
geheimen Willen der Auftritte, um ihr Tempo, um
Dramen des geistig kontrollierten Handwerks. Es
den. Man wußte,
hre Tendenz.
bleibt außerordentlich,
wie Schnitzler politische und
log, kein rhythmi¬
„Fräulein Julie“ läßt sich hart, gemeißelt, ruhig,
seelische Leidenschaften: Revolution und Liebe tech¬
tte. Herr Klöpfer
ohne realistische Zwischentöne, ohne sprachliche Ver¬
nisch aufsaugt, so daß sie — im Widerschein von Wirk¬
rutalität und seine
wischung geben. Jeder Zufall der Wirklichkeit muß
lichkeit und Spiel — nur szenische Lichtquellen sind.
eine Eitelkeit, seine
entfernt und das Stück auf einem neutralen Schau¬
Weil Schnitzler die menschliche Belastung abstößt, kann
Aber er hatte nicht
platz aus Licht und Dunkel geschaffen werden. (Zwei
er aufwühlende Erlebnisse als theatralische Motore
besten ist, wenn er
Sätze des Vorworts, mit denen Strindberg die Not¬
geben, ohne den Takt zu verletzen. (Nur daß heute
lt, zerfloß und zer¬
wendigkeit des impressionistischen Darstellungsstils für
einige Billigkeiten und Überpointierungen auffallen.)
geführt, die banale
„Fräulein Julie“ beweisen will, beweisen das Gegen¬
Dieser schwingende, elastische Einakter verlangt
icht die dämonische
teil. Strindberg verlangt eine Dekoration, die sich
Übersicht, Klarheit und Disposition. Er verlangt die
n der ersten Sene
seitwärts ohne Türen und Fenster im Raum verliert
Gliederung, die dem Schauspieler die Einsätze erleichtert.
„Die Dienstboten“
und nimmt expressionistische Experimente vorweg. Er
Im Lessing=Theater gab es Löcher und Risse, weil die
die Akteure nicht
lehnt das verwirrende Rampenlicht ab und fordert die
Darsteller nichts hatten, woran sie sich halten konnten,
kongentrierende, also die Realität aufhebende Reflek¬
mit ihrem Gehör nach dem Stichwort tasteten und
ens Momente, die
torenbeleuchtung.) Wenn der Einakter als konzentrier¬
glücklich waren, wenn sie es im Lärm erwischten.
hatte nicht einmal
ter Einakter gegeben wird, wird, was bei Strindberg
Immerhin setzte sich Herr Klöpfer mit dem sanften
der sie spürbar
Experiment ist, in die Unerbittlichkeit der Gestaltung
Tantenmörder Grain durch. Und Frau Durieux
us dieser Schau¬
hineingerissen. Und Requisit und Ort werden dus, was
parodierte zwar die Marquise, aber diese Parodie
zu Durieux oft be¬ sie im Grunde schon sind: Verankerung der Vision,
war gekonnt.
öb
Es ist schwer, gerade heute gegen Barnowsky zu
schreiben, wo über dem Lessing=Theater sich drohend
der Geist der Trianon= und Residenz=Bühne er¬
hebt. Aber je heftiger man die Gebrüder
Rotter ablehnt, je schroffer man das Theater Otto
Brahms der Praxis theatralischer Kommis entziehen
will, desto rücksichtsloser muß man Barnowsky auf
seine eigene Begabung zurückweisen und ihm, vor
allem für Strindberg, zu dem er Beziehungen des
Ehrgeizes, aber nicht der Begabung unterhält, das
Engagement eines härtenden, ätzenden, konzentrieren¬
den Regisseurs raten.
Herpert Jhering.
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