II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 272

uene Kakadu
9.3. Der #Ke
„. Nbr Velerdungsmog¬
# mm Huchlfragen von heute und für die Zukunft“ sprechen.
Im Rahmen der Märkischen Vorträge wird Oskar Bolle am
November, abends 8¼ Uhr im Hörsaal des Kunstgewerbe¬
useums „Die Spree“ auf einer malerischen, von 110 Licht¬
ildern in natürlichen Farben begleiteten Wanderung schildern.
Die Ortsgruppe Wilmersdorf der Deutsch¬
Kationalen Volkspartei veranstaltet am 6. November,
Ibends 8 Uhr im 4. Lyzeum, Weimarischestr. 21—24, Ecke Mainzer¬
raße, eine öffentliche Versammlung, in der Graf Westarp
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in Pradssische #-lien Nel
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ADTRus den Theatern.
f Sch. Im Lessingtheater schien am Sonnabend die demnächst
eider scheidende Spielleitung Barnowsky uns den Abschied
besonders schwer machen zu wollen, denn sowohl die Strindberg¬
Aufführung des „Fräulein Julie“ wie die Schnitzler=Dar¬
Stellung des „Grünen Kakadu“ atmeten einen künstlerischen
Geist und edlen Ernst, den man in der zweifelsohne immer übler
werdenden Zukunft Berlins schwer wird missen wollen. Ueber alle
#Maßen gelungen war die starke Strindberg=Aufführung insofern,
als sie die schwüle Luft der Johannisnacht, die hoffnungslos=irre
Angst der so tief gefallenen Aristokratie in geradezu herzbeklemmen¬
der Weise festzuhalten wußte. Mochten Fran Dupien“ — man
wird bei ihr die für einen ganz bestimmten Kunstzweig hoch¬
begnadete Könnerin und die werktätige Gönnerin des Kommunis¬
mus von nun an immer unterscheiden müssen — und Herr
Klöpfer mitunter die Farben zu stark aufgetragen haben, die
tie#sringliche, atemraubende Wirkung dieses dramatischen

#rstückes haben sie uns geradezu eingehämmert. In ihrer
j#Emen Erscheinung war Frau Durieux gewiß nicht der In¬
begriff einer Tochter aus adeligem Hause, aber wie sie die Ver¬
irrung einer irregekei#en Weibesnatur, wie sie die jagende Angst
einer Tiefgefallenen verkörperte, das war große und reife,
war allerstärkste Kunst. Von Frau Ilka Grüning darf man,
wenn man sie schätzt und liebt, diesmal ausnahmsweise nicht
sprechen, Klöpfer war so sehr Domestik (viel zu wenig vielleicht sieg¬
hafter Mann an sich), daß man förmlich schmerzhaft mitfühlte, wie
so Einem der Klingelruf des Herrn durch Mark und Bein geht. ...
Schnitzlers köstlich=groteskes Sittenbild aus den Tagen der Revo¬
lution erschien nach der einheitlichen Stimmung des Strindberg¬
Aktes-etwas zu laut, zu kraus, zu bunt, zu sehr auf äußerliche Wir¬
kung gestellt. Und doch wehten durch das Durcheinander der halb¬
trunkenen Revolutionäre, der wirklichen und der echten Verbrecher,
der hochmütig=höflichen Aristokraten der Klang der Carmagnole
und der Pesthauch der Revolution. Am echtesten wurden freilich
die Schauspieler dargestellt (wie sollte das auch Schauspielern nicht.
gelingen), die Aristokraten dagegen waren meist zu matt im Touf
und in der Farbe und ihre Darsteller (Frau Durieux wieder aus¬
zunehmen, die eine glaubhafte Marquise des vorrevolutionären!
Frankreich war) ließen nicht genug davon ahnen, wie stolz der
Adel Frankreichs unter dem Fallbeil zu sterben wußte. ...
Deutsches Opernhaus. Verdis unverwüstlicher „Trouba¬
dour“ konnte bei seiner jüngsten Aufführung wieder einmal
seine ganze urwüchsige Kraft entfalten. Dir Wirkung auf die
Hörer bleibt doch immer dieselbe In der übarfnmnsaled#., c#
box 15/3
= Berliner Theater.] Für Frau Tilla Durieux, die
nach einem bewegten Münchener Zwischenspiel heimg'funden hat
(diesmal ans Lessing=Theater), wurden Strindberg und
Schnitzler ausgeboten. Beide Pale hatte sie eine wurmstichige
Artstökratt##splelen — in „Fräulein Julie“ die Com¬
tesse, die zur Domestikendirne wird, im „Grünen Kakadu“
die Marquise, die sich in Revolutionsstürmen einen blutjungen
Dachs aufgreift. Beide Male schlen sie Anregungen von den bil¬
denden Künsten empfangen zu haben und weiterzugehen: bei
Steindberg erinnerte sie an gewisse moderne Plastiken mit exorischem
Einschlag, bei Schnitzler wirkte sie wie aus einem Fragonard
herausgeschnitten. Sie ist im Zeichnerischen
Außenlinien,
in der Geste Meisterin geblieben mägreut es ihr versagt war, für die

1
M
gestrauchelte Grafentochter Aeßtes Mitleid zu werben. An dem
Diener mit Emporkömmlingsneigungen bewährte sich die urge¬
schlachte Kraft des Herrn Eugen Klöpfes
silich das Ge¬
walttätige stärker betonte als das Verführerische seiner Knechts¬
gestalt. Wenn Jean nur der gemeine Kerl ist, wird es schwer
glanbhaft, daß das Edelfräulein zu ihm herniedersteigt. Schnitz¬
lers virtuose Groteske, in der, wie vor zwanzig Jahren, Herr
Hanns Fischer seine Abart des groben Gottlieb zeigte, wurde
am Schluß durch den jetzt hierorts üblichen Pfiff ausgezeichnet.
Vielleicht lehnten sich die von der Gegenwart aufgeklärten Mi߬
vergnügten wider die Spielerei dieses artistischen Revolutions¬
stückchens auf.

Theafer und Musik
Tulnenet
Lessing=Theater
„Fräulein Julie“ von August Strind¬
berg. „Der grüne Kakadu“ von Arthur
Schni#ler= Spielleitung: Viktor Barnowsky.
Tilla Durieux hät den Schauplatz gewechselt. Von der
Münchener Räterepublitluft in den harmlosen Dunstkreis des

1 Ch
Berliner Theaters. Sie hat zugelernt seit sie einst von uns und
—2
der königsich preußischen Hofbühne schied. Unter Eisner und Lan¬
S

dauer hat sie ihr Röllchen gespielt und wahrt sich ihr Thema auch
unter Barnowsky Revolutionszauber hinter und vor den Kulissen.


Das Leben ein Spiel, das Spiel ein Leben! So ein offen be¬
tontes Bekenntnis gibt Nimbus und sorgt für Gesprächsstoff. Das
ganze Parkett spitzt das Ohr, wenn die Fortschrittsfreundin ins
Publikum ruft: „Es lebe die Freiheit!" (Als Edeldame bei
Schnitzler im Chorus des tobenden Pöbels). Und wenn sie das
gräfliche Fräulein mimt, das dem Lakaien verfällt. Fallender
Stand vom steigenden übertrumpft. Daz heißt feste Linie, das
fügt sich zusammen. Strindberg hat selbst gewünscht, daß sein
„Fräulein Julie“ vor Revolutionsmännern gespielt werde. Es
sind gesalzene Lehren darin, die ganz vortrefflich in soziale Um¬
kremplungszeiten hineinschallen.
Einige zischten zum Schluß nach dem Freiheitsruf. Durch¬
aus kein Anlaß. Das Spiel war unterhaltsam, wenn auch nicht
ganz in Bewegung. Die Durieux ist noch immer (oder jetzt erst
recht) Nummer Eins. Nicht ihr Bestes wird offenbar, wenn sie
geduckt, gedemütigt, qualzerkniescht einherwinseln muß. Ihr Ruhm
ist das tätige, nicht das leidende Sein. Ansangs, beim Sviel mit
dem Feuer zuckt es aus ihrem Rassekopf, wenn sie reizt, leckt
und die Fangarme auswirft. Dann nach dem Fall sinkt sie zu¬
sammen, schlapp, tränenzerflossen, mattgehetzt, hilflose Beute des
brutalen Bezwingers. Sie entgistet Strindberg. Er will keine
reumütige, er will eine sündhafte, wurmstichige Julie. Auch
Eugen Klöpfer nimmt der Strindbergschen Strenge die ätzende
Kraft. Sein Diener sprickt schwer wie ein Professor. Ein Tänzer,
Mädchenberücker und einstiger Hotelober hat schmiegsameren Ton
und leicht.ven Sinn. Ilka Grüning als Köchin Ch istine stand
diesmal an falscher Stelle.
Schnitziers genialer Revolutionsfilm flitzte geräuschvoll
in allen Farben vorüber. Witz, Dämonie, Schauer und Lust, die
im spukhaften Wirvel aus der Spelunke „Zum grünen Kakadu“.
herausgeistern, kamen grell, wenn auch lange nicht mit dem
nötig n grimmigen Gelächter zur Geltung. Hanns Fischer als
Wirt Prospäre, Dagny Servacs als Leocadie und Eugen
Klöpfer als Tantenmörder stellten die treffendsten Typen in
das wilde G webe ron Trug und Wirklichkeit. Conrad Veidt
bleibt der Kainzrolle des Henry mancherlei schuldig. J. L.