II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 273

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Fruene Kakadu
9.3. Der
e. erene e. d etetete enrene en e eree erenenene
us der Thealer- und Kunstwelt.
Lessingtheater.

ler neben Strindberg. „Der grüne Kakadu“ neben
Ein geschmäcklerischer Räsonneur n.dem einem

Lessingiheater
großen, kämpfenden Herzen. Hier ein dreimat mühsam sich über¬
schlagender Witz, dort zuckendes Leben.
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Strindberg: Fräulein Julie. Schnitzler
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So wurde auch die Wirkung dieses Abends scheckig. Bar¬
Der grüne Kakadu. Einer steigt von unten nach oben. Eine
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nowskys künstlevischer Eifer war überall zu spüren, aber er
fällt von oben nach unten. Dem, dessen Muskeln (auch Herzmuskeln)
brang diesmal nicht zu befreiendem Gelingen durch. Mohr noch
am besten funktionieren, gehört die Welt! Der Lakai siegt über die
bei des Schweden meisterlich gebauter Tragsdie einer Johannis¬
Grafentöchter, weil sein Phantasma, der Groß=Hotelier, Muskeln
innervieren kann, während ihre Kraft unter hysterischen Zuckungen
nacht als bei der ironischen Geistreichelei, die das Elementar¬
versickert. Das ist die Welt Darwins und des zweiten Nietzsche
eroignis der französischen Revolution nach der Wiener Philo¬
und des gott-fremden Strindberg: das Leben in Siegen und Unter¬
sophie: „Wir spielen alle, wer es weiß, ist klug“ zurechtkräuselt
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liegen von größexen und geringeren Machtzentren. Höchster Wert:
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Zum Glück hatie Strindbergs „Fräulein Julie
die Robustheit des Wickingers.
den Vortvitt. Drei Personen, Ffreilich drei Menschen. Uni
In einen fährt die zittrige Angst, als die Hand des Herrn
Schicksale vollenden sich, in lückenloser Spanmnung. (Während be
im Klingelzeichen sich wieder geltend macht. Und die Adlige rümpft

Schnitzler die Figurinen in dichten Knäueln heranwimmeln un
die Nase und ballt die Fäuste, als nach dem Rausch die seelische De¬ 5
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doch keine Bewegung entsteht.) Das Wesentliche ist nicht de
maskierung beginnt. Das Herrsein und das Dienersein über¬
dauern den Wechsel der Situationen, sind unabhängig von den s □
„Fall“ der Grafentochter im Bett des Livrierten, so sehr wir die
Verhältnis der Machtquanten. Qualitates ocaultae! Neben deg
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abergläubischen „Gnadenwahl“ der infantilen Christine, der Gnaden— — 1
brutale und die verzweifelte Ratlosigkeit beider nach dem kürzen
wahlglaube des gläubigen Strindberg in der Periode seines Uns#
Rausch mileiden.
Wesentlich ist, wie der Dichter, der Sohn der
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glaubens. Höchste Werte: (seelische) Vornehmheit.
„Fall“ der Grafentochter im Bett des Livrierten, so sehr wir die
So ist das Gedicht ein Konvolut zweier Welten. Und was
Selt mit sämeigichem Verniehen durchmißt, die soziale
tat Frau Durieux, nachdem wir uns schon die Hände gespuckt,
lufrollung nach beiden Dimensionen. Die „Herren“ können
um sie herzlich laut in Berlin zu begrüßen? Sie vergaß die
Grafentochter, fletzte sich sogleich auf den Küchentisch, schlenkerte
nur bestehen als Sklaven einer Tradition, die von keinem
mit den Beinen und poussierte ausgelernt wie eine (sehr vornehme)
stärker zementiert wird als von ihren eigenen Knechten.
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Mamsell; und unter allen Gewittern vollzog sich dann, mit Meister¬
Tilla Durieux — Berlin hat sie nicht gern so lange ge¬
schaft gespielt, die Tragödie einer dem Schuft Verfallenen.: Das
mißt — war die von ihren Erziehern verbildete Komtesse. Man
also hat Frau Durieux aus Strindbergs vielklängigem Werk
fühlt ihren fester Zugriff, wenn sie auch bei diesem ersten,
nur herauszulesen vermocht? Sie holte sich einen Ton heraus,
Wiedersehen noch nicht so unmittelbar wurde, wie es ihrer Kühn¬
der keineswegs dominiert, nur weil er in ihrer Kehle besonders
heit entspricht. Schon in der reizvoll eigentümlichen Erscheinung
gut sitzt. Und Klöpfer, dessen Meisterschaft ebenso unantast¬
bar ist, sekundierte, indem ihm eben der grobe Gottlieb besonders
war alles ausgeg ägt: die männisch Schillernde, deren Stolz der
gut gefiel. Man hätte annehmen können, daß ein Filmregisseur
Weibtrieb überrumpelt hat. Ganz nimmt sie uns hin, nachdem
(ach, wenn es so etwas wenigstens gäbe!) hier herum gefingert
die Kreatur im Netz gesangen, vergeblich um die Hilfe
hat, noch zumal, da die Christine der Ilka Grüning auch für
menschlicher Kameradschaft bettelt. Der noch Unfreien
Erheiterung des Publikums sorgte.
bleibt nur die eine Rettung, die, der noch unfreiere Knecht be¬
Darf man die Verkoppelung von Strindberg und Schnitzler
fiehlt. Herr Klöpfer ist dieser sohr subalterne Figaro der
überhaupt zu motivieren versuchen, so wohl damit, daß beide Dichter
Gesindestube. Er hatte die Wucht der mißbrauchten, aber noch
mit einem S beginnen, und daß Barnowsky auch beim „Grünen
unverbrauchten Kraft, die dumpf aufwärtstreibt. In schweren,
Kakadu“ vortreffliche Gelegenheit hatte, zu zeigen, daß er seinen
gequetschten Lauten. Aber nicht Gelenkigkeit genug, wenn er
schwachen Tag hat. Wir hätten die Oede des Schnitzlerschen
aus der geduckten Stellung zum Sprung auf das Herrenkind
Stückes als verhärteter Theaterbesucher uns schweigend gefallen
lassen, hätte Barnowsky aus dem Gewühl der Menschenmassen
ausholt. Zu ungeschliffen für diesen gerissenen Jungen, wenn
wenigstens ein eindrucksvolles, gegliedertes Szenenbild geschaffen.
er die Maske abstreifen darf. Aber man hörte sein Rückgrat
So war die Panik, die der Sturz der Bastille hervorrief, zugleich
knacken, das sich in Lakaienstellung strafft, sobald nur die Glocke
Abild der Panik, die das Werk im Regisseur ausgelöst hatte, und
des Grafen anschlägt. Ilka Grüning war als Köchin zuerst,
wir gingen ärgerlich heim, in dem Bewußtsein, daß dieser Abend
schon im Aeußeren, irrtümlich fast possenhaft angelegt, dann aber
eine Epoche der Theatermüdigkeit einleiten könnte.
doch kernhaft, als die unbeirobare Bäuerin in der Magd durch¬
Ludwig Markuse.
bricht.
Beim Aufbau der kleinen von grellen und doch nicht körper¬
haften Gestalten überfluteten Kellerschenke des „Grünen
Kakadu“ war Phantasie am Werk. Aber all das war nichts
genug geliedert, um das gequälte Nebeneinander von Gaukelei!
und Wirklichkeit, von Literatenspaß und Revolutions=Ironie aus¬
einanderzuhalten Immerhin muß der Volkszorn wie ein Ge¬
witter hereinbrechen Seine Rufer aber waren aus Gallert.
Nur zwei Gestalten hatten eine eigene Atmosphäre: der naive
Strolch und sentimentale Tantenmörder — Herr Klöpfer
und die kapriziöse Marquise, die kalt lüsterne Genießerin —
Frau Durieux.
Josef Adolf Bondy.