II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 284

box 15/3
uene Kakadu
Der
9.3. eKrunsaakadu
Dremer Nachrichten, Promen
3.Okl. 194.
Seine ganze philosophisch=betrachtende, kritisierende, sich geliebte Frau (mit der Marianne Miersch sich viel #
gegen die Härte des geschichtlichen Geschehens aufleh= gab, aber ohne über die äußerliche Geste, die vom
Bremer Stadttheater
nende, moralisierende Weltanschauung hindert das objek= zum Ethos führt, hinauszukommen), ist sie trag
Spiel von Tod und Liebe.
tive Gestalten. Sein (ursprünglich zehnbändiger!) Jean Wahrlich nicht; sie opfert sich aus Bedürfnis nach
scher Pose. Vielleicht hätte sie mit Hanna ###
Christoph ist die Frucht seiner musikästhetischen Vor¬
Von Romain Rolland.
(Ladoiska) tauschen sollen; aber der Charakter¬
lesungen und seiner beethovenschen Menschheitsliebe.
Der grüne Kakadu. Von Arthur Schnitzler.
würde doch bleiben. Im übrigen gibt es eine Reihe#
Beethovens Deutschtum innerhalb dieser Idee verschwin¬
Die französische Revolution ist das Thema dieses det darin. In der durch die Revolution entfesselten Nebenrollen, in denen sich der von Natur theatergew
Franzose und auch unser Ensemble bewährte. Die
Theaterabends mit Romain Rollands Spiel von Tod
Bestialität sucht er nach Dokumenten der Menschlichkeit.
und Liebe und dem Schnitzlers Satyr=Spiel in der
Diese erbringen in dem Spiel von Tod und Liebe der führte Herr Oberspielleiter Waldemar Jürgens mit
Pariser Lellerkneipe zum Grünen Kakadu. Die Revo¬
ssicht und sicherem Gefühl für den Stil des Dichters
hochherzige sechzigjährige Gelehrte Jerôme von Cour¬
Es folgte Schnitzlers Grüner Kakadu. Das St#
lution glaubte am 14. Juli 1790 mit dem Verbrüde¬
voisier und seine fünfunddreißigjährige Frau, durch
alt und jenseits von Gut und Böse. Es spielt gr
rungsfest der Nationen auf dem Champs de Mars, im
Todeswillen und Entsagung. Zwischen beide schiebt sich
Reigen der großen Menschheits=Utopien von Freiheit,
der Eros, in der Gestalt des jungen Vallée, der aber als witzig, bissig, zynisch und theaterschreckend mit
Gleichheit und Brüderlichkeit ihr Ziel erreicht zu haben.
Egoist ausgeschifft wird und sich rettet. Das TodesduettsTotschlag, Bastillesturm, Aristokratenfäulnis und Re
tionsfieber; ohne tieferen Ernst, ohne eigene Übe
Und doch war es erst der Beginn. Der Verbrüderungs=des freiwillig der Guillotine entgegenschreitenden
gung. Um zu kitzeln. In unserer Zeit, nach den ##
taumel der Masse weckte die Bestien, die in der Tiefe Menschenpaares hat hohe Schönheit der Gefühle, oratori¬
und Lehren des letzten Massenwahnsinns der Völker
der menschlichen Herzen schlafen; der Zerstörungstanz
sche Musik wie Isoldens Liebestod, die große französische
dies, einst nur als witzig empfündene Spiel vie
begann, von Tag zu Tag sich überstürzend, bis der all¬
Geste des herorischen Edelmuts — leider aber nicht so
seinem Reiz verloren. Aber in Verbindung mit R#
gemeine Wahnsinn sich gegen sich selbst wandte und die
sehr das überzeugende Gewicht innerer Wahrheit: diese
Rolland ist es historisch immerhin eine Ergänzung.
Führer, entsetzt wie der Zauberlehrling, im Blutstrom
junge Frau berauscht sich intellektuell an der Idee ihrer
versanten und endlich der korsische Tierbändiger erschien,
hätte man es an den Anfang stellen müssen; nich
Hochherzigkeit und ihres Ethos. Hoffentlich löscht das
der die Bestie wieder an die Kette legte. Die Tragik
wegen der historischen Entwicklung der Revolutien,
lorbeerbekränzte, silbern blitzende Fallbeil diesen ethischen
jeder Revolution ist die Vergewaltigung des Individuums
dern zur Entwickelung einer übergeordneten eth
Rausch, bevor er sich wieder zum Eros wandelt, der ihr
und seines Traumes von der Menschheitserhöhung, das
Idee und um der künstlerischen Steigerung willen.
Wesen besaß und der das Prinzip des Lebens und des
überschlagen seiner Weltbeglückung in Weltzerstörung.
wie es war, schadete es der Nachwirkung von Ra
Kampfes ist und bleibt.
Romain Rolland, der Dichter des Jean Christoph
Rollands höheren Absichten. Die ebenfalls von B
Die epische Natur des Dichters Romain Rolland
und der Bewunderer Mahatma Gandis, ist sicher ein
mar Jürgens inszenierte Aufführung hatte buntes u
zeigt sich in ihrer ganzen Naibität auch in der langen,
edler Europäer und Freo der leidenden Menschheit.
haltsames Leben; aber der scharfe Brandgeruch
langen Ergählung, die Valleé noch im Augenblick töd¬
Aber daß die in der Revciation sich entfesselnden Kräfte,
Bästillesturmes und der Fieberhitze der Gesellschaft
licher Ermattung von seiner Flucht durch Frankreich
ein Gemisch aus Hölle und Himmel, auch in jeder ein¬
von unten nach oben, vulkanisch überkocht, war
macht, und in dem ergreifenden, aber auch fühlbar langen
zelnen Menschenbrust das Fundament seines Wesens
stark durch Ferdinand Ahnelts urkomischen Prosper
Bericht Courvoissiers von der Konventssitzung. Nur ein
und seiner Tragik bilden, und daß as Beispiel eines
gemildert. Die übrigen Rollen sind stark char
Franzose und ein rhethorisch so begabter Franzose wie
vereinzelten Sieges der Güte nicht die Sündflut des
Grotesk=skizzen, die nicht zu verfehlen sind.
Romain Rolland vermag sein Theaterpublikum so lange
Bösen aufheben kann, will ihm nicht in den Sinn. Er
Der lebhafte Beifalt des Publikums galt vie
festzuhalten — und das auch nur, wenn er einen so
will seine Utopie nicht lassen, daß einst der Einzelne die
dem hohen edlen Sprach= und Gedankenflug ##
mitreißenden, überlegenen Sprecher findet, wie hier bei
Bestie der Gesamtheit überwinden werde; kurz und
Rollands, als dem MachenArthur Schnitzler, vor
uns in Hans Gerlach, der mit der Rolle innerlich von
symbolisch: daß einst die wunderlichen Bezeichnungen
aber den Darstellern.“
Szene zu Szene geistig und menschlich wuchs, bis er
Franzosen und Deutsche Juden und Christen verschwun¬
Und nun genug, der Einakter und der Plänk
den sein werden und nur noch Europäer sich holdselig Rollandsche Übermenschlichkeit der Güte und Willens¬
zum Einspielen des Ensembles. Strindbergs Rausch
anlächeln. So widmet er seinem ziebsten Freunde in größe erhielt. Aber tragisch? Nein! Die anderen
eine Tat. Jetzt sind wir gespannt auf weitere 2
„Europa“, Stephan Zweig, dem warmherzigen Dichter Charaktere sind dichterisch nicht entfernt so groß, vor
Die Klassiker sind immer noch der höchste Reserbs
allem nicht ungebrochen. Vallée, der Liebhaber, hat die
der Tragödie seines Volkes, Jeremias, dem Freien im
des Theaters, wenn die Lebenden versagen. Sch
französische große Geste des heroischen, todesmutigen
Geiste, dem Europa die Heimat und Freundschaft Reli¬
Don Carlos steht vor der Tür; er braucht ja nich
Eros; er ist aber nur blind=sinnlicher Egoist, der die Ge¬
gion bedeutet, sein Spiel von Tod und Liebe. Welch
zum Geburtstag Schillers zu warten. Dafür hat
liebte durch seine Rückkehr freventlich in sein Geschick
rührender, kindlicher Optimismus im waffenstarrenden
noch mehr Stücke geschrieben. Und ich glaube, der W
mit hineinreißt. Hier tritt der klaffende Unterschied
Europa! Marokko liegt ja freilich nicht in Europa.
des Publikums geht auch auf große erhebende Kun
zwischen dem französischen und deutschen Eros, dem All¬
Leider formt man mit Menschenliebe und hohem
Dr. Gerh. Hellmer
sieger im Kampf, zutage: Tannhäuser und Wolfram!
Europäertum noch nicht immer eine Tragödie, d. h. im
Spiel von innerer Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit. Und ist dieser Vallée (dem Willy Schmitt auch nicht hel¬
Romain Rolland ist im Kern seines Wesens Epiker.Ifen konnte) tragisch? Nein; nur Egoist. Und sie, die