II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 345

D
ruene Kakadu
box 15/4
9. 3 eeneneeneneneee
Bühne und Welt.
sturms, an dem die Handlung spielt, vor uns zu “
sehen. In den Keller des „Grünen Nakudu“
branden die Wogen der großen Revolution, die
nun ausgebrochen ist, und die portische Wirkung
dieser Groteske ist — so wenig sie im übrigen
mit dem „Fuhrmann Heuschel“ verglichen werden
soll — doch weit packender und erhebender.
Das kommt daher, weil der Standpunkt, den
Schnitzler zu seiner Welt einnimmt, höher als
der Standpunkt Hauptmantes ist.
Ob dieser sich wohl zu solcher geistigen
Freiheit erheben wird? Es hat mir immer zu
denken gegeben, was ich in Schleuthers Vio¬
graphie von Hauptmann las, daß dieser Dichter
von der plastischen Kunst her zur Poesie kam und
daß der eminent konkrete Stil des Naturalisten
Schlaf im „Papa Hamlet“ die dichterische Schaffens¬
lust in ihm entbinden half. Plastiker ist Haupt¬
mann bis auf den heutigen Tag geblieben.
Er hat eine zur Zeit in Deutschland ohne Ver¬
gleich dastehende Gestaltungskraft; was er ein¬
mal gesehen hat, das kann er in überzeugendster
Weise wieder vergegenwärtigen. Aber Haupt¬
mann hat viel mehr Reigung zu gestalten, als
zu sagen. Und in der Poesie kommt es nicht
weniger auf das Sagen als aufs Gestalten an.
Etwas absolut Eigenes, Neues, nie Gedachtes
zu sagen, ist nicht Hauptmanns Art; vielmehr
läßt er sich auregen von Büchern, von großen
Dichtern, von sozialen und litterarischen Strömungen
und gründet darauf seine Menschenbilder. Adolf
Bartels hat in seinem sonst eben nicht erqnick¬
lichen Buch über Hauptmann doch das, wie auch
Richard M. Merer zugiebt, treffende Wort von den
„Patenstücken“ geschaffen, die man zu Haupt¬
manns Dramen finden kann. Der Dichter selbst
hat in Wien kürzlich Colstois „Macht der Finster¬
nis“ als eines jener Stücke bezeichnet, die ihn
zuerst anregten. Ibsens Einfluß auf ihn, zumal
in den „Einsamen Meuschen“ (durch „Nosmers¬
holm“) wird nirgends geleugnet. Wo aber
Hauptmann es versuchte, über die Gestaltung
der unmittelbaren Gegenwart oder die Region
des persönlich Erlebten, in der Jugend schon
Erfahrenen und Erworbenen hinaus zu gehen,
im „Florian Geper“, da ist er — mag sich
auch Schleuther noch sehr dagegen sträuben — ge¬
scheitert. Zur Geschichte hat Hauptmann kein Ver¬
hältnis. Er findet nicht die Kunst der historischen
Perspektive. Er hat sich in die Akten der Ver¬
gangenheit mit redlichstem Fleiß begraben, aber
der Stoff hat ihn erdrückt. Eine naturalistische
Historie ist ein Widersinn. Das abkürzende
Verfahren, nicht aber die sorgsame Wirklichkeits¬
kopie des Naturalisten ist hier am Platze. Hier
trat Hauptmanns Schranke an den Tag; geschicht¬
Gerhart Hauptmann
(Phot.: Atelier Jander & Labisch. Berlin W.)